Boxer Teófilo Stevenson ist tot:Für immer Kuba

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Groß, aufrecht, schnell, stark: Teófilo Stevenson hatte zu seiner Zeit keinen Rivalen im Ring. Er hätte Frazier, Foreman und Ali in den vergoldeten Käfig der Berufsboxer folgen können. Doch Stevenson blieb Staatsamateur und fragte: "Was ist eine Million Dollar gegen acht Millionen Kubaner?"

Peter Burghardt

Als der beste Amateurboxer aller Zeiten schon eine Legende war, da stand er in seiner Küche im Viertel Nuevo Vedado von Havanna und schob Fisch in den Ofen. Zitronen und Knoblauch hatte man sich bei einer Stadtrundfahrt zusammen geklaubt, es waren schwere Zeiten. Fünf Jahre zuvor war die Mauer gefallen und Kuba der Hauptsponsor Sowjetunion abhanden gekommen, einsam schwamm das sozialistische Eiland im Meer des Kapitalismus. "Spezialperiode" nannte sich der Engpass nach dem Zusammenbruch der Bruderstaaten. Da freute sich Teófilo Stevenson besonders, wenn ausländische Gäste kamen und Geschenke mitbrachten. Seife für die Frau, ein Hemd für den Sohn, Rum für ihn. Rum mochte der Hausherr gerne, auch zur Zigarette neigte er. Das T-Shirt schlabberte über der Hose, der stolze Gang wurde schwer. Doch der Vorkämpfer der Revolution nahm auch diesen Kampf an und kochte.

Unnachahmliche Präsenz: Teófilo Stevenson. (Foto: dpa)

Er hätte damals längst wie ein Fürst auf der anderen Seiten der Straße von Florida logieren können, in einer Villa in Coral Gables oder Beverly Hills. Die Branche überhäufte den Kubaner mit Angeboten, nachdem er bei den wichtigsten Turnieren seine Gegner ausgeknockt hatte. Olympiasieger 1972 in München, 1976 in Montréal und 1980 in Moskau, ohne Boykott wäre wohl Los Angeles 1984 dazu gekommen. Weltmeister 1974 in Havanna, 1978 in Belgrad und 1986 in Reno. In der Münchner Eishalle schlug er im Halbfinale Peter Hussing K.o.: "Du hattest keine Zeit, seine Rechte zu sehen", sagte der Deutsche später. "Und wenn du sie siehst, dann hast du sie am Kinn." Blutend schlurfte Hussing in die Ecke. Duane Bobick, genannt "Amerikas weiße Hoffnung", schickte Stevenson mit seinem eleganten Punch genauso auf den Boden, erschrocken sah ihn Bobick an. Fotos vom Schlag gegen die Weltmacht hingen über Stevensons Treppe.

"Keiner der heutigen Champs hätte gegen ihn eine Chance"

Groß, aufrecht, schnell, stark. 1,96 Meter, 100 Kilo. "Im Ring war bereits seine bloße Präsenz beeindruckend", erinnert sich der Promotor Ramiro Ortíz in der Zeitung Nuevo Heraldo. "In den siebziger und achtziger Jahren hatte er keinen Rivalen. Ich habe immer den Vergleich mit Muhammad Ali abgelehnt und das, was hätte sein können und nicht war, weil es verschiedene Boxer waren. Doch ich habe keinen Zweifel, dass er als Profi triumphiert hätte. Er wäre der Klitschko seiner Zeit gewesen, in einer besseren Version, kräftiger." Der kubanische Schwergewichtler war der Nachfolger von Joe Frazier, George Foreman und Cassius Clay alias Muhammad Ali, die vor ihm Goldmedaillen erobert hatten. Er hätte ihnen in den vergoldeten Käfig der Berufsboxer folgen können. "Keiner der heutigen Champs hätte gegen ihn eine Chance", glaubte Foreman.

Die Jäger von Don King bis Bob Arum wedelten mit den Schecks. Für einen Showdown mit Ali hätten sie ein Vermögen gezahlt. "Er wäre phänomenal als Profi", sagte seinerzeit Don King, der Alis Zaire-Spektakel veranstaltet hatte. "Alle wollten Teófilo", sagte Angelo Dundee, Alis Trainer. "Alle wollten ihm eine Million Dollar geben, und eine Million Dollar war damals Geld." Aber Stevenson blieb Staatsamateur auf Kuba. "Was ist eine Million Dollar gegen acht Millionen Kubaner?" fragte er. Die Sätze wurden mit den Jahren in immer neuen Versionen geflügelte Worte. Wenn man sich 1995 in seiner Wohnung erkundigte, was er jetzt antworten würde, dann sagte der Hobbykoch: "Dasselbe."

Er amüsierte sich darüber, dass Foreman mit 46 noch mal in den Ring stieg, um Kasse zu machen. Er selbst stand treu zu Fidel Castro, dem Máximo Líder. Viele kubanische Sportler gewannen Titel, darunter Läufer Alberto Juantorena und Hochspringer Javier Sotomayor, aber keiner war dem Comandante ein besserer Repräsentant als Teófilo Stevenson. Etliche Boxer, Baseballspieler und Leichtathleten verließen das Eiland, Stevenson nicht. Auch sein Erbe Felix Savón, Olympiasieger in Barcelona, Atlanta und Sydney, widerstand den Lockrufen. Beide hatte der Meistertrainer Alcides Sagarra ausgebildet. 1986 hörte Stevenson nach 302 Siegen in 324 Einsätzen auf, wurde Abgeordneter und Vizepräsident von Kubas Boxverband, abseits der Show von Las Vegas bis Hamburg.

Das Duell gegen Ali fand nie statt. Ali kam immerhin zweimal nach Kuba, 1996 und 1998, er litt bereits unter Parkinson. Bilder zeigen Ali gebückt und Stevenson aufrecht. Stevenson hatte Probleme mit der Leber und spaltete 1999 am Flughafen von Miami offenbar angetrunken dem Angestellten einer Fluglinie mit einer Kopfnuss einen Schneidezahn. Gegen Kaution durfte er ausreisen. Fidel Castro und Muhammad Ali haben ihn nun überlebt. Am Montagnachmittag erlag Teófilo Stevenson in Havanna einem Herzinfarkt, mit erst 60, sein großes Herz war geschwächt gewesen. Kuba trauert. Die KP-Zeitung Granma berichtet, dass sein Sarg im Begräbnisinstitut aufgebahrt und dann auf den Friedhof Colón überführt wurde.

© SZ vom 13.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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