Boxer Haye nach dem Triumph über Chisora:"Vitali, ich bin hier!"

Mit dem überzeugenden Sieg gegen Dereck Chisora zeigt David Haye, dass er den Klitschkos auf Augenhöhe begegnen kann. Damit lässt er das unrühmliche Zustandekommen des Kampfes vergessen. Nun rückt Vitali Klitschko in den Fokus: Wie wird er auf Hayes deutliche Aufforderung zum Duell reagieren?

Jürgen Schmieder

Es ist manchmal dieser eine Schlag weniger, der einen Knockout im Boxen sehenswerter, schöner, stilistischer werden lässt. Muhammad Ali verzichtete dereinst in der achten Runde auf einen zusätzlichen Punch gegen George Foreman, der fiel auch so ganz wunderbar um.

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David Haye nach dem finalen Schlag: Oder lieber gegen eine Pflaume?

(Foto: AFP)

Der Brite David Haye hielt seine rechte Faust am Samstag zurück, als er erkannte, dass sich sein Gegner Dereck Chisora bereits auf dem Weg in den Ringstaub befand. Haye lächelte nur, er wusste: Chisora würde nicht mehr rechtzeitig aufstehen können, die fünfte Runde würde die letzte sein in diesem Schwergewichts-Kampf.

Der 31 Jahre alte Haye sendet gerne Nachrichten, er tut das entweder mit seinem Mundwerk ("Klitschko-Schwestern"), mit geschmacklosen T-Shirts, auf denen abgerissene Köpfe von Gegnern zu sehen sind, oder mit noch geschmackloseren Handyspielen, bei denen man als David Haye anderen Boxern die Köpfe abschlagen kann.

An diesem Abend in London, vor 35.000 Zuschauern im Upton Park, da schickte Haye eine recht deutliche Botschaft, er gebrauchte dafür ausnahmsweise ausschließlich seine Fäuste. Haye hat etwas geschafft, das Vitali Klitschko vor fünf Monaten in München zwölf Runden lang erfolglos probiert hat: Er hat Chisora für dessen Flegeleien bestraft. Diese Nachricht geht hinaus in die Welt, die einzigen Empfänger sind indes die Gebrüder Klitschko, die zuvor ihre Taubheit gegenüber Botschaften von Haye verkündet haben.

Der 16 Kilogramm leichtere Haye war aufgrund des Regens in Laufschuhen in den Ring gekommen. "Ich wollte keinesfalls ausrutschen wie damals gegen Wladimir Klitschko, also lieber keine Boxschuhe". sagte er nach dem Kampf. Von Beginn an war Haye der dominierende Athlet bei diesem temporeichen und spannenden Duell, er fand schnell Rhythmus und Distanz, er boxte technisch herausragend und überaus variabel.

Mal traf er mit dem rechten Cross, ein anderes Mal mit einem linken Haken, dann wieder mit einem rechten Aufwärtshaken. Wenn ihm danach war, wechselte er kurz die Auslage und schlug seine rechte Hand als Jab, dann brachte er Kombinationen an Chisoras Kopf. "Er hat eines der besten Kinne, gegen die ich jemals gehauen habe", sagte Haye danach, "das waren Schläge, bei denen andere umfallen - er steckte sie weg und lacht dabei."

Umarmung nach der "Freakshow"

Chisora agierte vorsichtig, ja beinahe ängstlich, er versteckte sich permanent hinter der Doppeldeckung und wühlte sich nach vorne wie ein Maulwurf auf Nahrungssuche. Dann prügelte er wild darauf los und offenbarte neben technischen Unzulänglichkeiten auch das Augenmaß eines Maulwurfs - er erkannte die wenigen Momente nicht, in denen Haye tatsächlich die Balance verlor und die Deckung vernachlässigte. Nur ein Mal traf Chisora seinen Konkurrenten hart. Das war am Ende der dritten Runde, Chisora schlug mit dem Gong noch einen linken Haken an Hayes Kopf. Der schüttelte sich kurz und machte einfach weiter.

Das Ende des Kampfes kam in der fünften Runde, als Haye 25 so genannte "Power Punches" versuchte, kräftige Schläge also, und seinen Gegner damit 18 Mal traf. Zunächst schickte er Chisora mit einer schönen Kombination aus linken und rechten Haken zu Boden. Wenige Sekunden später gelang ihm eine gar noch schönere Variante: zwei rechte Haken, linker Haken, rechte Gerade, linker Haken. Die zweite rechte Gerade brauchte er nicht mehr, Chisora war ja bereits am Fallen und verlor zum ersten Mal in seiner Karriere durch Niederschlag. "Das waren großartige Treffer, ich habe sie nicht kommen sehen", sagte Chisora.

Haye darf sich nach diesem Sieg Intercontinental Champion der World Boxing Organisation (WBO) und International Champion der World Boxing Association (WBA) nennen. Diese Titel sind ungefähr so viel wert wie die Trophäe, die man für einen Sieg beim Kirmesboxen bekommt. Ohnehin war dieser Kampf auf unrühmliche Weise zustande gekommen: Der zurückgetrene Haye und der gegen Vitali Klitschko unterlegene Chisora hatten sich vor fünf Monaten in München eine wilde Prügelei geliefert. Nach der "Freakshow" allerdings, wie Wladimir Klitschko die Ansetzung des Kampfes bezeichnet hatte, da gaben sich Haye und Chisora die Hand, sie umarmten sich gar. Alles nicht so wild, alles nur Show - wie so oft beim Preisboxen.

Die wahre Botschaft des Abends war nicht die Versöhnung zwischen Haye und Chisora, sondern die sportliche Nachricht, dass es tatsächlich einen Schwergewichtler gibt, der den Klitschkos auf Augenhöhe begegnen kann. "Das war eine erschreckende Botschaft", sagte Haye danach, "es würde mich schon sehr überraschen, wenn sich Vitali traut, gegen mich anzutreten. Er boxt wieder lieber gegen eine Pflaume, die keiner kennt und wird dann Politiker. Wenn er der Welt einen großartigen Kampf geben will: Ich bin hier!" Beim Reden ist es manchmal wie beim Boxen: Eine Botschaft ist viel eindrucksvoller, wenn man auf einen oder mehrere Sätze einfach verzichtet.

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