Boxer Firat Arslan vor WM-Kampf:"Ich hatte den knallharten Weg"

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Firat Arslan: nächste Chance auf den WM-Titel (Foto: dpa)

Jahrelang wurde er von den Promotern als Verlierer gebucht, nun fordert Profiboxer Firat Arslan zum zweiten Mal Weltmeister Marco Huck heraus. Ein Gespräch über die Bedeutung eines starken Managements, Sympathien von Punktrichtern - und den Ruhepuls vor einem Kampf.

Von Benedikt Warmbrunn

SZ: Herr Arslan, was zeichnet einen Kleintierzüchter aus?

Firat Arslan: Das ist schwer zu sagen. So gut kenne ich mich da auch nicht aus. Ich hatte da ja nur meine Trainingshalle, bis vor drei Jahren. Das war eine alte Scheune, da habe ich einen Ring reingestellt, einen Boxsack, meine Ausdauergeräte.

Das Kleintierzüchterheim stand immer auch für den Boxer Firat Arslan, der sich alleine durchkämpfen musste. Jetzt haben Sie einen Vertrag beim Boxteam Sauerland. Was hat sich für Sie verändert?

Ich arbeite weiter mit meinem Team. Sauerland ist ein fairer, höflicher Partner, und wenn ich Boxhandschuhe brauche, ein Tape für die Hände oder Videos für den Kampf, dann rufe ich bei Sauerland an, und das wird sofort für mich erledigt.

Am Samstag fordern Sie in Stuttgart Marco Huck heraus, den Weltmeister im Cruisergewicht, ein Boxer, der von Sauerland mühsam aufgebaut wurde. Aus der Sicht des jahrelangen Kleintierheimtrainierers: Wann wird ein Boxer gefördert?

Naja, in erster Linie muss man Talent mitbringen. Oft auch viel Amateurerfahrung, am besten mit Titeln. Ich hatte den knallharten Weg: Ich hatte beides nicht. Und dann braucht man einen starken Manager, der einen Stufe für Stufe auf die großen Kämpfe vorbereitet. Ohne großes Management kommt man nicht bis ganz oben.

Was braucht es dafür?

Geld. Und richtig viel Geld haben nur die großen Manager. Weil die meistens einen starken Fernsehpartner hinter sich wissen. Zusammen organisieren sie die großen Kampfabende. Da sind schnell ein paar Millionen zu bezahlen. Ein guter Gegner kostet Geld, und mit einem Veranstalter, der nur durch den Ticketverkauf in einer kleinen Halle verdient, kannst du das nicht finanzieren.

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Ohne einen starken Promoter ist es nicht möglich, Weltmeister zu werden?

Es gibt bestimmt Megatalente, die es schaffen könnten. Aber die schnappt sich gleich ein großes Management. Ich bin ohne bis in die Top Ten gekommen. Weltmeister kann man aber alleine nur werden, wenn man unterschätzt wird. Wenn man geholt wird als Verlierer, als einer, der den Weltmeister fordert, ihn aber doch nicht besiegen kann.

So wie das bei Ihnen jahrelang war.

Eigentlich ist es weiter so. Als ich erstmals gegen Huck gekämpft habe, im November 2012, hatte ich keinen Manager. Und Hucks Leute hätten mich nie geholt, wenn sie davon ausgegangen wären, dass ich gewinnen kann. Die haben sich gesagt: Der ist in einem gewissen Alter, der ist so gut, dass er mitkämpfen kann, aber klar verlieren wird.

Nach dem Kampf, einem umstrittenen Punktsieg für Huck, sprach Ihr Trainer Dieter Wittmann von "Betrug".

Das waren Emotionen. Nach unheimlich harten Wochen der Vorbereitung haben wir uns fünf Minuten lang - zu Recht - als Weltmeister gefühlt, und dann kam dieses Urteil. Das Wort Betrug war keine Absicht.

Haben Sie im Boxsport Betrug erlebt?

Was ich sagen kann, ist: Der erste Kampf gegen Huck war für mich ein Fehlurteil. Unabhängig davon kann es aber vielleicht schon mal unbewusst zu Sympathien für eine Seite kommen. Ein Punktrichter, der häufig vom Veranstalter geholt wird, versteht sich mit ihm, da entsteht womöglich eine Bekanntschaft. Und wenn dann ein fremder Einzelkämpfer kommt, ohne Lobby, ohne Boxstall hinter sich, ist es vielleicht möglich, dass man zugunsten von demjenigen punktet, von dem man häufig beschäftigt wird.

Haben Sie den Eindruck, dass Sie für den Rückkampf nicht als Verlierer gebucht wurden?

Nein. Vielleicht wird nicht jeder in der Halle den Wunsch haben, dass ich am Samstag den Ring als Sieger verlasse. Aber ich bin sicher, dass es ein faires Ding wird.

Wirklich? Sie haben einen Punktrichter abgelehnt, der im ersten Kampf für Huck gestimmt hatte. Außerdem gab es Ärger um Hucks Handschuhe, die unterschiedlich schwer waren.

Das sind natürlich kleine Zwischenfälle, aber das stört mich wirklich nicht weiter. Ich unterstelle auch niemandem böse Absichten - aber es ist doch klar, dass ich einen Punktrichter aus dem letzten Kampf ablehne. Wie gesagt: Für mich war das ein Fehlurteil.

Die meiste Zeit Ihrer Karriere haben Sie sich alleine vorangebracht. Wie sehr sehen Sie den Vertrag bei Sauerland als späte Gerechtigkeit?

Ehrlich: So denke ich nicht. Für mich ist entscheidend, dass ich an die großen Kämpfe rankommen kann. Als ich Profi geworden bin, mit 27, war es für mich unheimlich wichtig, bei Sauerland oder bei Universum zu sein. Aber ich wurde von beiden abgelehnt.

Das konnten Sie einfach so akzeptieren?

Ich habe ja nie den direkten Draht gesucht, das hat ein Bekannter gemacht - wenn er es gemacht hat. Dass ich abgelehnt wurde mit der Begründung, dass ich zu alt sei - nun ja. Mit 36 hat mich Universum unter Vertrag genommen, mit 42 Sauerland. Und mein Bruder sagt, dass ich bloß nicht aufhören soll. Meistens höre ich auf meinen Bruder.

Stimmt es, dass Ihnen Ihr Bruder, selbst ein Boxer, vom Boxen abgeraten hatte?

Ja. Weil das ein knallharter Sport ist. Und er hat nicht geglaubt, dass ich knallhart bin. Außerdem hat er gesagt: Das System ist ungerecht. Du bist kein deutscher Staatsbürger, du wirst nicht immer akzeptiert werden, das wird nicht fair zugehen.

In Ihrer Karriere sind Sie auch nie den leichten Weg gegangen.

Die ersten Jahre hatte ich keinen Sandsack, ich habe mit Schattenboxen und kleinen Hantelgewichten trainiert. Dafür mit einem Willen, der viel mehr Wert ist als all dieser Schnickschnack. Heute habe ich alle Möglichkeiten - aber ich habe weiter diesen Willen. Ohne hätte ich längst aufgehört.

Brauchen Sie tatsächlich nur diese Härte gegen sich selbst?

Auf jeden Fall. 2010 bin ich bei einem Kampf dehydriert, bei 40 Grad in der Halle. Ich hatte neun Liter Flüssigkeit verloren. Dazu muss man schon einen unangenehmen Willen haben. Auch als Kind war ich schon so. Als Raucher bin ich zwölf Kilometer mit einem toptrainierten Fußballer gelaufen. Der wollte, dass ich das Rauchen aufgebe. Aber er hat mit dem Laufen aufgehört. Nicht weil ich fitter war. Sondern, weil ich weitergelaufen bin, sogar nachdem ich mich mehrmals übergeben hatte.

Wie schwer fällt es Ihnen nach all den Jahren, sich unterzuordnen?

Puh. Ich habe mich daran gewöhnt, meinen Weg zu gehen. Ich sollte ja mal einen anderen Namen annehmen. Aber das kam für mich nie in Frage. Ich bin in Deutschland geboren, bin inzwischen deutscher Staatsbürger, fühle mich hier absolut wohl. Aber meine Herkunft bleibt die Türkei. Und mein Name ist meine Herkunft. Hätte ich den Namen hergegeben, wäre ich mir nicht treu geblieben. Ich habe mir gesagt: Wenn ich es als Firat Arslan nicht schaffe, dann eben nicht.

Sie sind jetzt 43. Glauben Sie, dass Ihr Alter ein Vorteil für Sie ist?

Nett, dass Sie so fragen. Natürlich sagt jeder, dass es ein Nachteil ist. Was man aber nicht vergessen darf: Im ersten Kampf war ich gegenüber Marco nicht körperlich benachteiligt. Ich habe mit einer höheren Frequenz geschlagen, ich bin ein höheres Tempo gegangen. Nachteile habe ich keine. Vorteile habe ich durch meinen Fleiß.

Spüren Sie Ihr Alter überhaupt nicht?

Ich habe in all den Jahren Buch geführt: Sparringswerte, Laufeinheiten, Krafttraining. Im Vergleich zum ersten Huck-Kampf liege ich keinen Millimeter schlechter. Manchmal sogar besser. Meine Puls- und Laktatwerte lese ich gerne.

Und wie ist Ihr Puls vor dem Rückkampf?

Machen Sie sich keine Sorgen. Es heißt ja, dass 220 minus Lebensalter den Maximalpuls ergibt. Das wäre bei mir 177. Ich kann ihn aber weiter über 200 treiben. Und in der Kabine, kurz vor dem Kampf, das haben wir mal gemessen, liegt mein Ruhepuls bei 45. Diese Ruhe nimmt mir keiner.

© SZ vom 23.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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