Box-Weltmeister Anthony Joshua:Wenn Klitschko "Fan" seines Gegners ist

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Kämpfen am Samstag um den IBF-Titel im Schwergewicht: Anthony Joshua (l.) und Wladimir Klitschko. (Foto: AFP)
  • Der Brite Anthony Joshua verteidigt am Samstag den WM-Titel im Schwergewicht gegen Wladimir Klitschko, dem er einst als Sparringspartner diente.
  • Einst wäre Joshua fast im Gefängnis gelandet, der Sport hat ihn zu einem besseren Menschen gemacht.
  • Sein Stil erinnert an den von Klitschko - der outet sich als Fan des Briten.

Von Saskia Aleythe

Die Farbe von Anthony Joshuas Couch ist schwer zu bestimmen, ein leichtes Grau könnte das sein, mit lindgrünem Einschlag im blättrigen Muster. Der 27-Jährige hat die ein oder andere Homestory mitgemacht in den vergangenen Jahren, wobei man sagen muss: Die Homestorys spielen im Haus seiner Mutter im Norden von London; dort lebt der Boxer noch immer. Also sitzt er auch manchmal dort auf der Couch, er hält ihre Hand, sie lehnt im Sessel, mit Häkeldecke unterm Arm, vor ihnen der Couchtisch mit Teetassen, Fernbedienung und einer Zeitschrift.

Es ist ein Werbespot für eine Kampagne, die die Briten in Kooperation mit diversen Sportverbänden zu mehr Bewegung motivieren soll, Joshuas Leben wurde dafür zusammengerafft zu den Stationen: Kleinkind, Problem-Teenager, Maurer, Weltmeister. Und das alles in 90 Sekunden.

Anthony Joshua ist in England schon jetzt ein Phänomen, und das hat damit zu tun, dass er sich mit einem anderen Image präsentiert als viele seiner Vorgänger. 90 000 Zuschauer werden am Samstagabend ins Londoner Wembley-Stadion strömen, sie wollen den von Tyson Fury entthronten Wladimir Klitschko sehen, natürlich, aber eben auch Anthony Joshua.

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Erst vor vier Jahren bestritt Joshua seinen ersten Profikampf

Er ist der amtierende Weltmeister im Schwergewicht nach IBF-Version, das ist der bisherige Höhepunkt einer Geschichte, die er erzählen soll für seinen Sport. Er, der Paradeboxer, der durch den Sport zu einem besseren Menschen wurde. Als er im April 2016 den WM-Gürtel eroberte, stapfte Joshua durch die Kabinengänge einer Londoner Arena mit José Mourinho an seiner Seite, den muskulösen Arm sanft auf dessen Schultern gelegt. Der Star war in diesem Moment nicht der Fußballtrainer.

"Er ist die Art Person, zu der du aufschauen kannst, um zu sagen: Ich will so sein wie er", sagt sein Promoter Eddie Hearn, der mit Boxen in England viel erreicht hat und noch viel mehr vorhat. Erfolge sind bei ihm Familiensache, seit Vater Barry Hearn mit der Vermarktung von Snooker und Darts große Geschäfte macht. Die Rolle als Vorbild nimmt Joshua gerne an, in den sozialen Netzwerken präsentiert er Videos mit Zitaten von William Shakespeare und Winston Churchill, mehr als zwei Millionen User folgen ihm auf Instagram, 1,5 Millionen bei Facebook. Seine Geschichte ist die einer Entwicklung, aus der er Motivation zieht für die 13 Stunden, die er während der Vorbereitung täglich trainiert. Erst vor vier Jahren hat er seinen ersten Profikampf bestritten.

Als Sohn nigerianischer Einwanderer wuchs er in Watford auf, 30 Kilometer entfernt von London; er beendete früh die Schule, bewegte sich aber nicht in den besten Kreisen. Schlägereien führten zu Verhaftungen, 2009 musste er für 13 Monate eine elektronische Fußfessel tragen, zwei Jahre später wurde er mit Cannabis erwischt und wäre beinahe im Gefängnis gelandet.

"Boxen hat mein Leben gerettet", sagt Joshua, der den Sport erst mit 18 entdeckte, "es hat mir Disziplin und Routine gegeben, die ich so nie hatte." Die 100 Stunden Sozialdienst, die er ableisten musste, brachten ihn zusammen mit dem Training auf bessere Gedanken. Was auch eine Botschaft ist, die er übermitteln soll: Manchmal fehlt nur ein bisschen Ordnung, um das Leben in die richtige Bahn zu lenken.

Anthony Joshua ist der Typ eines Boxers, den es im Grunde schon gibt: Er ist Olympiasieger geworden, 2012 im heimischen London, er ist 1,98 Meter groß mit entsprechender Reichweite, hat einen starken Jab in der linken Führhand und einen harten Punch in der rechten Geraden. Er kann sich auch ohne Doktortitel eloquent ausdrücken und weiß, dass der Kopf die stärkste Waffe eines Boxers sein kann.

Er ist beinahe wie Wladimir Klitschko - in jung und modern. Was wiederum seine Gründe hat: 2014 wählte sich der 41-Jährige den Briten als Sparringspartner für seine Vorbereitung auf den Kampf gegen Kubrat Pulew aus. "Er war anders als viele andere, still und hat viel beobachtet", sagt Klitschko, "ich bin sein Fan, seit ich ihn das erste Mal gesehen habe." Gegen Pulew zeigte Klitschko einen seiner besten Kämpfe in jüngerer Vergangenheit.

Und Joshua schaute sich Einiges ab: Trainingsgestaltung und -rhythmus, einzelne Übungen, die Organisation rund um ein Trainingscamp. "Ich habe gemerkt, dass ich da hingehöre", meinte Joshua damals, "aber um da zu stehen, wo Wladimir ist, braucht es noch viel mehr Arbeit." 18 Knockouts bei 18 Kämpfen sind eine eindeutige Bilanz - die gegen die Erfahrung von Wladimir Klitschkos 68 Kämpfen aber erst bestehen muss. "Wenn du gewinnst, werde ich dir gratulieren", sagte Klitschko auf einer Pressekonferenz zu Joshua und ergänzte: "Wenn du verlierst, werde ich dir helfen, wieder aufzustehen." Für ihren Sport sind die beiden gerade die beste Werbung seit Langem.

© SZ vom 27.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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