Boxen:Verwirrung um Manuel Charrs deutschen Pass

Boxen: Profis WBA-WM Schwergewicht Charr-Ustinow

Schwergewichts-Weltmeister Manuel Charr.

(Foto: dpa)
  • Boxer Manuel Charr hat doch keinen deutschen Pass, er ist damit nicht der erste deutsche Schwergewichts-Weltmeister seit Max Schmeling.
  • Der Zeitung Express sagte er: "Mein Einbürgerungsverfahren liegt wegen eines möglichen Strafverfahrens auf Eis."
  • Zuvor hatte er sich in der Bild anders geäußert: "Ja, ich schwöre es!", hatte der 33-Jährige auf die Frage geantwortet, ob er einen deutschen Pass besitze.
  • Die Verwirrung ist komplett, denn am Dienstagabend sagte er bei Sky, sein Pass liege vor - und zwar im Amt.

Ist Manuel Charr nun der erste deutsche Schwergewichts-Weltmeister seit Max Schmeling? Darüber herrscht Verwirrung - und die hat Charr selbst ausgelöst. "Mein Einbürgerungsverfahren liegt wegen eines möglichen Strafverfahrens auf Eis", sagte der WBA-Champion dem Express: "Das wird gerade von meinen Anwälten geklärt, und dann hoffe ich, meinen Pass endlich abholen zu dürfen. Aber letztlich ist es nur ein Stück Papier. Was zählt ist, dass ich mich vom Herzen her als Deutscher fühle."

Zuvor hatte der gebürtige Libanese, der sich mit seinem Punktsieg um den vakanten WBA-Titel am vergangenen Wochenende in Oberhausen gegen den Russen Alexander Ustinow durchgesetzt hatte, noch ganz anders geklungen. "Ja, ich schwöre es!", hatte der 33-Jährige im Bild-Interview auf die Frage geantwortet, ob er einen deutschen Pass besitze: "Durch meine ganzen Ereignisse wie das Attentat, meine Hüft-Operation, bin ich nur noch nicht dazu gekommen, ihn beim Amt abzuholen." Im September 2015 wurde er in einer Imbissbude in Essen angeschossen, im Mai dieses Jahres bekam er zwei neue Hüftgelenke eingesetzt. Auch im Sky-Interview am Dienstagabend wiederholte er die Erklärung: "Ich bin deutsch zu 1000 Prozent. Ich kam im Trubel nicht dazu, meinen Pass abzuholen. Ich habe einen deutschen Pass. Der liegt vor und liegt im Amt."

Nach Informationen des Sport-Informations-Dienstes liegt für den gebürtigen Libanesen in dessen Wahlheimat Köln kein deutscher Pass bereit. Nach dem Sieg gegen Ustinow war der technisch limitierte Charr als deutscher Nachfolger von Box-Legende Schmeling gefeiert worden. "Ich finde die Diskussion ehrlich gesagt armselig und typisch deutsch", sagte Charrs Manager Christian Jäger dem Sport-Informations-Dienst. Der Österreicher kann die Aufregung um das Thema nicht verstehen: "Für mich ist Manuel Charr Deutscher durch und durch, er lebt seit 28 Jahren hier."

Charr wurde im vom Bürgerkrieg zerrütteten Libanon geboren, im Alter von fünf Jahren floh er mit seiner Mutter und fünf Geschwistern nach Deutschland. Sein Vater starb im Krieg. "Die Menschen hier haben mir nach der Flucht mit meiner Familie ein Dach über dem Kopf gegeben. In Deutschland durfte ich in die Schule. Hier haben uns Sozialarbeiter von der ersten Sekunde an unglaublich unterstützt, uns Hilfe geleistet", sagte Charr, der nach Anordnung des Weltverbandes WBA seinen Titel gegen den Puerto Ricaner Fres Oquendo verteidigen muss.

Das Beispiel der Klitschko-Brüder hat gezeigt, dass Profiboxer nicht unbedingt deutsche Staatsbürger sein müssen, um hierzulande Karriere zu machen. Charr hat jedoch bei Weitem nicht die Klasse der Ukrainer, gegen Witali Klitschko kassierte er 2012 in Moskau eine klare K.o.-Niederlage.

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