Boxer Alem Begic:Sein Weg ist eine Provokation

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„Mit diesem Kampf wird die Luft dünner.“ – Alem Begic. (Foto: oh)

Im Boxen geht es mitunter zwielichtig zu, um schnellen Ruhm zu erlangen. Alem Begic hat sich dagegen entschieden - der Münchner Student wählt den komplizierten Pfad.

Von Benedikt Warmbrunn

Drei Abende, bevor er zum zehnten Mal als Profiboxer kämpfen wird, spricht Alem Begic über Denkmäler als Provokation. Er redet darüber, dass nichts so gefährlich sei wie das Vergessen, dass manche Debatten nur durch gedankliche Konfrontation ausgelöst werden, dass auch die Erinnerung immer wieder neu gedacht werden müsse. Er, der Profiboxer, hat sich über die Provokation viele Gedanken gemacht, er wird darüber zum Ende seines Architekturstudiums eine historische Abhandlung als Masterarbeit schreiben, zehn bis 20 Seiten, das Thema: "Kulturzentrum mit einem Raum der Erinnerung in Bosnien."

Begic hat sich dieses Thema bewusst ausgesucht, erzählt er in einer Münchner Bar. Am Tag zuvor hatten seine Kommilitonen und er ihre Vorschläge präsentiert, viele davon fand er eher langweilig. Er wollte nicht irgendein Gemeindezentrum entwerfen, er wollte sein Studium so beenden, dass er sich die Arbeit auch in vielen Jahren noch durchlesen würde. Er wollte in seiner Masterarbeit sich selbst sehen.

Alem Begic, der Architekturstudent, hat sich auch als Profiboxer Gedanken gemacht. Weswegen auch sein Weg in dem Sport eine kleine Provokation ist. Begic sagt: "Ich habe auch ein Leben neben dem Boxen. Das soll beides miteinander funktionieren. Deshalb möchte ich auch, dass ich in beiden Bereichen auf eine saubere Weise vorankomme."

Drei Wege führen ins Boxgeschäft

Talentierte Boxer, die schnell erfolgreich werden wollen, entscheiden sich üblicherweise für eine von drei Varianten: Sie gehen zu einem großen Boxstall, der viel Geld hat - so viel Geld, dass sich der Boxer fast sicher sein kann, dass die Punktrichter für ihn entscheiden werden. Oder sie gehen zu einem der kleinen Boxställe, bei denen sie schnell einen Titelkampf bekommen - es wäre jedoch einer der Alphabet-Titel, für die sich niemand interessiert. Oder sie holen sich einen Manager, der das große Geld verspricht, bei dem aber besser keiner nachfragt, wie er das Geld beschaffen wird. Alles also: keine Varianten für einen Architekturstudenten.

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Begic, 28, hat sich für einen Weg entschieden, der absolut ehrlich sein soll, der dafür aber auch ein ungewisses Ende hat und der vor allem nicht schnell sein wird. An diesem Freitag boxt der Halbschwergewichtler im Bürgerhaus in Unterschleißheim gegen Dursun Berkta, gegen einen unbekannten Gegner. Für Begic ist der Kampf dennoch reizvoll. Berkta steht in der Weltrangliste vor ihm, gewinnt Begic, steigt er selbst weiter nach oben. Zurzeit steht er auf Platz 290. "Es gab viele, die mir vorausgesagt haben, dass ich eine große Karriere haben kann", sagt Begic, "aber wenn mir das einer als leichte Sache verkauft, weiß ich, dass irgendetwas nicht stimmt. Dann habe ich gesagt: Vielen Dank und auf Wiedersehen."

Nach seiner Karriere als Amateurboxer - er kämpfte in München zum Beispiel für den TSV 1860 und den Faust2kampf e.V. - hörte sich Begic an, was ihm die Männer mit den vielen Worten sagten, und er hörte sich an, was andere über die Männer mit den vielen Worten sagten. Er fragte nach bei Ulli Wegner, dem Profitrainer des Sauerland-Teams, bei dem er einmal trainiert hatte. Er fragte nach bei Felix Sturm, den er als Sparringspartner auf einen Kampf vorbereitet hatte. Beide rieten Begic ab von den Männern mit den vielen Worten.

"Was mir schnell klar geworden ist: Gerade am Anfang deiner Karriere ist es wichtig, mit wem du dich umgibst", sagt Begic, "dein Ruf kann noch so gut sein - wenn die Leute, mit denen du zusammenarbeitest, keinen guten Ruf haben, dann kann dich das runterziehen. Es kann dir irgendwann sogar zum Verhängnis werden."

Ein Vormittag im September, knapp einen Monat vor dem Kampf, Begic sprintet in kleinen, kurzen Schritten über eine Wiese unterhalb des Wilden Kaisers in Tirol. Auf einer Parkbank beobachtet ihn Björn Schulz, sein Trainer. Eigentlich arbeitet er als Fitnesstrainer in einem Hotel in Going, zu seinen Kunden zählen vor allem sehr reiche und sehr bekannte Menschen, Verona Pooth, Joko Winterscheidt, Matthias Schweighöfer. In seiner Freizeit betreut er seit wenigen Monaten Begic, er ist dessen wichtigster Mann in der Kampfvorbereitung geworden.

Schulz schreibt Trainingspläne, er stellt einen Ernährungsplan auf, und er lässt sich von Begic jede Mahlzeit genau protokollieren. Dann rechnet er aus, wie viele Kalorien dieser zu sich genommen hat. Ende September sind es meistens zu viele. Schulz sagt dennoch, dass es "unglaublich" sei, wie sich Begic' Körper in den vergangenen Monaten verbessert habe, er sei jetzt schneller, ausdauernder, habe mehr Kraft in der Tiefenmuskulatur. "Wenn ich mir diese Entwicklung anschaue, glaube ich, dass für Alem noch viel möglich ist", sagt Schulz. Er weiß, dass ein starker, gesunder Körper für einen Boxer nicht alles ist; er weiß aber auch, wie wichtig ein starker, gesunder Körper für einen Boxer sein kann - in dem Hotel, in dem Schulz arbeitet, bereitet sich auch Wladimir Klitschko, Weltmeister im Schwergewicht, regelmäßig auf seine Kämpfe vor.

Männer wie Schulz hat sich Begic genau ausgesucht, das wichtigste Kriterium: dass sie ihm keinen leichten Weg versprechen. "Björn hat einen festen Job, er ist darin sehr gut - wenn er mit mir arbeitet, verzichtet er im Grunde genommen auf Geld", sagt Begic, "das zeigt mir, dass er an mich glaubt und dass er in mir mehr sieht als nur das schnelle Geld."

Begic bleibt seinen Wurzeln treu

Ähnliches hat er auch bei seinen anderen Partnern gesehen. In München trainiert er weiter in dem Gym in der Maxvorstadt, in dem er zuletzt als Amateur trainiert hatte, "die sagen mir nicht, was ich hören will, sondern das, was sie denken". Um Gegnerauswahl und Vertragsverhandlungen kümmert sich in Regensburg sein Manager Dalibor Ban. "Er hat mir gesagt, dass er mich bis zu einem EM-Titelkampf begleiten kann, mehr hat er nicht versprochen", sagt Begic. Er fand das ehrlich.

Ende 2016, glaubt er, könne er vielleicht um die Europameisterschaft boxen; um danach weiter nach oben zu kommen, braucht er einen der Manager mit dem vielen Geld; anders sind große Titelkämpfe im Boxsport eine Utopie. Aber Begic hofft, dass er sich bis dahin einen so guten Ruf erboxt haben wird, dass ihm nie jemand unterstellen kann, aufgrund wohlwollender Punktrichter gewonnen zu haben.

Einen ersten Schritt dorthin hat er bereits gemacht. Vor wenigen Tagen hat ihn eines der großen deutschen Boxteams als Sparringspartner für einen ihrer Weltmeister angefragt, sie wollten ihn am liebsten für den Tag nach dem Kampf. Begic hat zugesagt, aber nur unter der Bedingung, dass er eine Woche pausieren darf.

Erst einmal schreibt er seine Masterarbeit zu Ende.

© SZ vom 30.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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