Boxen:Verbale Tiefschläge

Die Boxwelt wartet auf eines der brisantesten Duelle im Schwergewicht aller Zeiten - die Frage lautet: Was muss passieren, damit David Haye gegen einen der Klitschkos antritt?

Jürgen Schmieder

David Haye machte sich kürzlich mal wieder lustig über die Brüder Vitali und Wladimir Klitschko. Vor seinem Kampf gegen Audley Harrison bemalte er Fotos mit einem Filzstift, Vitali bekam eine Brille und Hasenzähne, Witali einen ulkigen Bart verpasst. Es war nicht die erste Provokation des Briten den boxenden Brüdern gegenüber. "Warum Brüder? Ich sehe sie eher wie Bruder und Schwester. Sie entscheiden, welcher von beiden wer ist", sagte Haye im Interview mit sueddeutsche.de.

Britain's Haye is held off of Ruiz of the US during their WBA World Heavyweight title fight in Manchester

Britain's Haye is held off of Ruiz of the US during their WBA World Heavyweight title fight in Manchester Britain's David Haye (R) is held off of John Ruiz of the U.S. during their WBA World Heavyweight title fight at the MEN Arena in Manchester, northern England, April 3, 2010. REUTERS/Phil Noble (BRITAIN - Tags: SPORT BOXING)

(Foto: REUTERS)

Haye ist Schwergewichts-Weltmeister des Verbandes WBA, alle anderen Titel vereinen die Klitschkos auf sich. Weil die ukrainischen Brüder nicht gegeneinander antreten werden, gilt ein Kampf zwischen Haye und einem der Klitschkos als eines der attraktivsten und lukrativsten Duelle im Boxsport derzeit - und doch könnte es sein, dass dieses Duell nicht zustande kommt.

Wladimir Klitschko hätte am Samstag seine Titel gegen Dereck Chisora verteidigen müssen, der Kampf musste jedoch aufgrund eines Faserrisses im schrägen linken Bauchmuskel von Klitschko abgesagt werden. "Es gibt eine frische Einblutung, an einen Kampf am Samstag ist nicht zu denken", heißt es in der Mitteilung des Managements. Freilich wird Haye die Absage nutzen, den jüngeren der Klitschko-Brüder als Weichei zu verspotten.

Kleine Frotzeleien gehören beim Boxen dazu, auch die Klitschkos wissen die Atmosphäre aufzuheizen. Auf Hayes Provokationen gab es zahlreiche Repliken: Wladimir forderte Haye per Youtube-Video heraus, Vitali klaute dem Briten auf einem Pressetermin dessen Cowboyhut. Doch scheint es in diesem Fall bei den verbalen Tiefschlägen weniger um die übliche Show zu gehen, die Fronten sind tatsächlich verhärtet. Es geht wie so oft in diesem Sport um Geld und Garantien.

Haye wechselte erst vor zwei Jahren ins Schwergewicht, nachdem er zuvor das Cruisergewicht dominiert hatte. In seinem zweiten Kampf in der neuen Gewichtsklasse gewann er gegen Nikolaj Walujew den Titel, er gilt neben Tomasz Adamek als einziger Boxer, der den Klitschkos wirklich gefährlich werden könnte. "David Haye braucht die Klitschkos, nicht umgekehrt", sagt Wladimir Klitschko.

David Haye sagt: "Ich bin Weltmeister, ich muss mich nicht mehr auf einen schlechten Deal einlassen." Er hat zwei Kämpfe gegen die Klitschkos abgesagt und dem Klitschko-Management dabei vorgeworfen, ihn mit Klauseln und Optionen zu gängeln: "Rückkampf, dann ein Kampf gegen den anderen - am Ende hätte ich sogar gegen den Stallburschen der Klitschkos boxen müssen." Laut Klitschko-Management indes gab es bei diesen Verhandlungen nur zwei Optionen auf Rückkämpfe mit den Klitschkos, während Haye sich vor dem Kampf gegen Nikolaj Walujew damit einverstanden erklärte, drei Optionen in den Vertrag aufzunehmen.

Das bedeutet, dass das Walujew-Management Sauerland Event an der Vermarktung der folgenden drei Kämpfe außerhalb Großbritanniens beteiligt ist. Zwei dieser Kämpfe hat Haye mittlerweile in England absolviert - und es könnte sein, dass er sich lieber noch einen anderen Gegner sucht und erneut auf der Insel boxt, um beim überaus lukrativen Kampf gegen einen der Klitschkos nicht mit Sauerland teilen zu müssen. "Erst nach dem dritten Kampf kann er frei verhandeln", sagt Bönte.

"Vertrag ohne Optionen"

Diese Optionen sind nicht ungewöhnlich, sie sichern die Zukunft von Boxern im Falle einer Niederlage. Die Klitschkos haben dieses System in den vergangenen Jahren perfektioniert. Wladimir besiegte Chris Byrd, gegen den zuvor Vitali aufgegeben hatte. Dafür rächte der die Niederlagen seines kleinen Bruders gegen Ross Purrity und Corrie Sanders. Gegen Lamon Brewster gelang Wladimir selbst die Revanche. Die Klitschkos dürfen sich deshalb rühmen ob ihrer Sieg- und Niederschlagsquote, und es ist auch zu vermuten, dass die Klitschkos einen Kampf gegen Haye lieber ans Ende der Karriere legen, sollte der nicht bereit sein, Optionen in den Vertrag aufzunehmen.

FILE - WBO World Heavyweight Championship Fight Between Klitschko and David Haye Cancelled

Wladimir Klitschko und David Haye: Derzeit duellieren sich die beiden Schwergewichts-Weltmeister nur außerhalb des Rings.

(Foto: Martin Rose/Getty Images)

"Es gibt Forderungen, von denen wir nicht abrücken", sagt Bernd Bönte, Geschäftsführer der Klitschko Management Group. Er hat der Gegenseite bereits einen veritablen Vorschlag unterbreitet. "Wir wollen einen Vertrag ohne Optionen", sagt er. "Die weltweiten Einnahmen werden in einen Topf geworfen - und nach Abzug der Kosten wird 50:50 geteilt. Ohne diese Garantie werden wir nicht einmal zu verhandeln beginnen, dann findet der Kampf eben nicht statt."

Das klingt nach einem fairen Angebot. Das Problem liegt darin, dass Hayes Trainer und Manager Adam Booth darauf besteht, dass der Brite die Einnahmen aus dem britischen Pay-per-View behalten dürfe und die Klitschkos jene aus der Vermarktung in Deutschland. "Das wäre ungerecht, wir wären schnell bei einer 30:70-Situation", sagt Bönte. "Über Pay-per-View lassen sich natürlich weit mehr Einnahmen generieren als über Free-TV." Hochkarätige und namhafte Boxer sind im Schwergewicht derzeit seltener anzutreffen als hochgeschlossen gekleidete Nummernmädchen - doch auch gegen vermeintlich leichte Gegner lassen sich hohe Einnahmen erzielen.

Zu Hayes K.-o.-Sieg gegen Audley Harrison kamen 22.000 Zuschauer in die Halle nach Manchester, die Einnahmen aus dem britischen Fernsehen betrugen etwa 14 Millionen Euro. Die Klitschkos füllen in Deutschland Stadien, bei RTL sehen regelmäßig mehr als zwölf Millionen Menschen zu - auch wenn ein möglicher Gegner wie Dereck Chisora gerade einmal auf Platz 13 der unabhängigen Weltrangliste steht und erst 14 Profikämpfe absolviert hat.

Und so lästert Haye über die Qualität der Klitschko-Gegner, die Klitschkos spotten über Hayes Kontrahenten - und irgendwie haben beide Seiten nicht unrecht. Vitali Klitschko boxte zuletzt gegen Kevin Johnson, Albert Sosnowski und Shannon Briggs, Wladimir besiegte Eddie Chambers und Samuel Peter - allesamt keine Hochkaräter, wie auch Bönte eingesteht: "Über die gebrachte Leistung manches Gegners lässt sich nachträglich streiten." Haye gewann gegen den 38-jährigen und hoffnungslos überforderten John Ruiz, danach gegen den 39-jährigen und noch hoffnungsloser überforderten Harrison.

Natürlich ist es weder der Fehler von Haye noch der von Vitali und Wladimir Klitschko, dass derzeit im Schwergewicht namhafte Gegner rar sind und sich auch kein US-Boxer hervortut, der Einschaltquoten im amerikanischen Pay-TV versprechen würde. Aber die arg einseitigen Veranstaltungen sprechen sportlich dafür, dass möglichst bald eine Titelvereinigung stattfindet. "Der Kampf wird kommen", sagt Adam Booth. "Wir wollen öffentliche Verhandlungen, damit jeder sehen kann, worüber verhandelt wird." Auch diese Forderung klingt logisch. Fehlt also nur noch, dass sich die Klitschkos und Haye an einen Tisch setzen - um dann endlich gemeinsam im Ring zu stehen.

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