Boxen: David Haye:...und dann die Klitschkos

Noch ein Sieg und der Brite David Haye will sich mit den Klitschko-Brüdern messen. Dann könnte das Schwergewichts-Boxen endlich wieder spannend werden.

Jürgen Schmieder

Wer David Haye nur aus den Medien kennt, der kommt nicht umhin, den britischen Boxweltmeister für einen ungehobelten und arroganten Idioten zu halten. Vor einem Jahr ließ er sich ablichten mit einem T-Shirt, das mit den abgetrennten Köpfen der Gebrüder Klitschko bedruckt war.

Vor laufenden Kameras zerriss er einen Vertrag, der ihm einen WM-Kampf gegen Witali zugesichert hätte und sagte: "Da waren nur Klauseln drin. Rückkampf, dann gegen Wladimir, dann gegen Onkel und Tanten. Am Ende hätte ich sogar ihre Kühe gemolken." Seinen Gegner im vergangenen November, Nikolaj Walujew, bezeichnete er als "hässlichsten Menschen weltweit".

Trifft man den Weltmeister im Schwergewicht persönlich, dann bietet sich ein komplett anderes Bild - als hätte er seinen netten Zwillingsbruder geschickt. Ein schüchterner Mann sitzt einem gegenüber, die langen Haare sind zu feinen Cornrows geflochten, dem Bart ist stundenlange Pflege anzusehen. Er spricht leise und mit einem Akzent, der eher einem Professor in Oxford zuzuordnen wäre denn einem Boxer. "Ich habe noch einen weiten Weg vor mir, bevor ich mich einen großen Champion nennen darf", sagt er, obwohl er seit seinem Sieg gegen Walujew Weltmeister des Verbandes WBA ist. Die Richtung des Weges ist bekannt: Haye will einen Vereinigungskampf gegen Witali Klitschko, am besten im Wembley-Stadion.

Ein Kampf zwischen Haye und einem der Klitschkos, die alle anderen wichtigen Schwergewichts-Titel auf sich vereinen, scheint allein deshalb unvermeidlich, weil es doch ein wenig langweilig geworden ist im Schwergewicht. Gab es vor 15 Jahren mit Evander Holyfield, Mike Tyson, Lennox Lewis, Riddick Bowe und George Foreman eine Reihe formidabler und vor allem publikumsträchtiger Kämpfer, reduziert sich die Riege nun auf Haye und die Klitschkos.

Nikolaj Waluew, Ruslan Chagaev und Alexander Povetkin sind allesamt talentierte Boxer, doch traut ihnen kaum jemand zu, das Schwergewicht zu dominieren. Zudem sind sie aufgrund ihres Temperaments und ihres Boxstils kaum in der Lage, große Stadien zu füllen und Einschaltquoten zu generieren.

Haye ist anders, sowohl boxerisch als auch bei der Vermarktung. Nur zu gern stilisiert er sich als Antithese zu den Klitschkos und lässt sich als Feindbild der Ukrainer vermarkten. Erst vor einem Jahr war er vom Cruisergewicht aufgestiegen, um sofort gegen die Schwergewichtler zu ätzen: "Die Boxer, die diese Gewichtsklasse in den vergangenen Jahren dominierten, sind viel langsamer und behäbiger, man sieht jeden Schlag und kann ihn blocken. Die Kämpfe waren nicht interessant. Bei mir geht es: Bamm, bamm, bamm."

Die Auseinandersetzung am Samstag gegen den ehemaligen Weltmeister John Ruiz soll deshalb nur ein kurzer Zwischenstopp sein, auch wenn sich Haye größte Mühe gibt, seinen Gegner zu loben. "John Ruiz gehört zu den besten Boxern der Welt, er ist in der Form seines Lebens und nicht einfach zu besiegen", sagt er.

Fünf Minuten später gibt er allerdings zu: "Ich tue alles, um einen Kampf bestmöglich zu verkaufen, denn keiner will Boxer sehen, die uninteressant sind." Deshalb muss er den 38-jährigen Amerikaner anpreisen, obwohl er weiß, dass der mittlerweile steif durch den Ring tapst, langsam und vorhersehbar schlägt und drei der letzten sechs Kämpfe verloren hat.

90.000 Menschen in Wembley

In der Tat ist Haye beweglich und konditionsstark, er schlägt variabel und doch hart. Der taktisch geprägte Kampf gegen Walujew sei eine Ausnahme gewesen. "Gegen Ruiz kann ich offensiver boxen, ich muss nicht dauernd laufen", sagt Haye.

Nun will er das Schwergewicht dominieren, wie er zuvor das Cruisergewicht beherrschte - doch dazu muss er gegen einen der Klitschkos gewinnen. Wladimir verteidigte seinen Titel kürzlich gegen Eddie Chambers, Witali tritt im Mai gegen den eher unbekannten Polen Albert Sosnowski an.

Danach wäre der Weg frei für einen Kampf, auch wenn Chagaev und der Australier Kali Meehan im Mai darum boxen, wer Haye herausfordern darf. "Ich bin nach dem Ruiz-Kampf erst einmal frei von Verbands-Zwängen. Dann will ich die Klitschkos, vor 90.000 Menschen in Wembley. Dann werden zwei Champions im Ring stehen", sagt Haye ohne Pathos und ohne laut zu werden.

Nur einmal, da wird David Haye wieder zum Großmaul, als er etwas über seinen Gegner am Samstag sagen soll: "Ruiz ist wie ein Schneemann: Er sieht aus wie ein Schneemann, er bewegt sich wie ein Schneemann - und wenn ich ihn treffe, dann wird er dahinschmelzen wie ein Schneemann." Naja, er muss ja schließlich einen Kampf verkaufen und sein Image pflegen.

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