Boxen:Das Jahr der Heuschrecke

Vincent Feigenbutz v Gaston Alejandro -  Super Middleweight Substitute Fight

"Jetzt weiß ich auch, dass es wichtig ist, den richtigen Abstand zu halten": Vincent Feigenbutz (l.) vertraut nicht mehr alleine auf seine Kraft.

(Foto: Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

Vincent Feigenbutz will das deutsche Boxen prägen, er steht für eine Zukunft nach dem Ende der namhaften Generation um Arthur Abraham.

Von Benedikt Warmbrunn

Dass sich einiges verändert hat in seinem Leben in den vergangenen Monaten, erkennt Vincent Feigenbutz, wenn er auf seinen Ernährungsplan schaut. Dort steht weiter das, was Sportler gerne essen, Rind also, Geflügel, Fisch, Reis. Inzwischen steht dort aber auch: Heuschrecken. In diesen, erzählt Feigenbutz, sei kein Zucker enthalten, dafür viel Eiweiß, fast 50 Gramm pro 100-Gramm-Portion. Ein Kilogramm pro Tag, sagt Feigenbutz, habe er in der Vorbereitung gegessen, gebraten in Öl. Er sagt: "Ich esse die tatsächlich sehr gerne."

Wollen Profiboxer erfolgreich sein, reicht es nicht, wenn sie gute Athleten sind. Sie müssen eine Geschichte mitbringen. Die Geschichte von Vincent Feigenbutz ist die eines leisen Unangepassten in einem Milieu, in dem jeder so sehr seine Stärke und Männlichkeit betont, dass am Ende doch wieder alle kaum voneinander zu unterscheiden sind.

An diesem Samstag boxt Feigenbutz in Ludwigsburg gegen Ryno Liebenberg, offiziell geht es um den Interkontinental-Titel im Supermittelgewicht nach Version des Weltverbandes IBF, eigentlich aber geht es um mehr: darum, ob sich Feigenbutz positionieren kann als der Mann, der das deutsche Boxen in den nächsten Jahren prägen soll.

Der Kampfabend in Ludwigsburg ist der erste, den das Berliner Boxteam Sauerland in Deutschland veranstaltet, seit es zum Fernsehsender Sport1 gewechselt ist. Mit dem neuen Partner endet auch die Zeit der Generation um Arthur Abraham, der zwar weiter zum Team gehört, aber nicht mehr als dessen Gesicht. In der nächsten Generation gibt es noch keinen echten Anführer; es gibt zwar Tyron Zeuge, den WBA-Weltmeister im Supermittelgewicht, doch der ist oft noch zu scheu. Und es gibt eben Feigenbutz.

Der 22-Jährige boxt seit sechs Jahren bei den Profis, er schlug schnell und wuchtig, wurde rasch zum Liebling des Managements. Sie nennen ihn Iron Junior, nach Mike Tyson, dem Original-Iron. Nachdem er im Oktober 2015 umstritten gegen Giovanni De Carolis gewonnen hatte, gab Feigenbutz noch im Ring ein Interview, das zu seinem Image passte. Seine Jabs habe er dem Italiener "in die Fresse geballert", solche Dinge sagte er. Den Rückkampf verlor er eindeutig. Er galt nun als vorlauter Rüpel.

Erst danach erkannte er, dass es nicht immer richtig sein muss, allein testosteronhaltige Sätze rauszuhauen. Vor dem Kampf gegen den Südafrikaner Liebenberg sagt er zwar auch: "Wir gehen beide gerne nach vorne, es wird also einen Zusammenstoß geben. Und dann muss ich ihn weghauen." Lieber spricht Feigenbutz jedoch darüber, dass er unbedingt bald wieder angeln will, er erzählt dann, dass im Frühjahr die Weißfisch- und Karpfensaison ansteht. Oder er spricht über Heuschrecken.

"Vincent ist eigentlich ein zurückhaltender, ruhiger junger Mann, der das ganze Drumherum nicht braucht", sagt Regina Halmich. Die frühere Weltmeisterin, die inzwischen für Sport1 arbeitet, kennt Feigenbutz seit vielen Jahren; seit eineinhalb Jahrzehnten trainiert sie mit dessen Mutter in einem Fitnessstudio. Diese fragte irgendwann Halmich besorgt, ob das eine gute Idee sei, dass ihr Sohn boxen wolle. Halmich sagte: Ja. Ein guter Rat, wie sie inzwischen findet: "Vincent hat eine gute Mischung. Er hat viel Schlagkraft, boxt spektakulär. Auch technisch hat er sich verbessert." Feigenbutz selbst sagt, dass er vor zwei, drei Jahren noch alleine auf seine Schlagkraft vertraut hat. "Jetzt weiß ich auch, dass es wichtig ist, Schlagkombinationen zu setzen, den richtigen Abstand zu halten, vieles mit den Beinen zu steuern." Den Rückkampf gegen De Carolis hatte er damals auch verloren, weil er nur auf seine Kraft gesetzt hat. Inzwischen hat er gelernt, dass auch im Boxen Stärke und Männlichkeit nicht alles entscheiden.

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