Boxen:Ballerina im Ring

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Christina Hammer gewinnt ihren ersten Kampf nach 14 Monaten und hat große Ziele: Sie will das Gesicht des Frauenboxens werden, nicht nur in Deutschland.

Von Benedikt Warmbrunn

Melinda Lazars Gesicht zeichneten tiefe Augenringe, ihr Blick wirkte trüb, es war überhaupt nicht mehr klar, ob sie das alles vor ihr noch wahrnehmen konnte. Vor ihr bewegte sich eine Gegnerin, die tänzelte, die mit der linken Faust schlug, weitertänzelte, mit der rechten Faust schlug, tänzelte und tänzelte, schlug und schlug, traf und traf. Und die lächelte. Und die nicht schwitzte. Zumindest ganz lange nicht. Und als sie dann doch schwitzte, ganz leicht, mit feinen Schweißperlen an der Stirn, an der Schulter, als sie also fast schon verhöhnend wenig schwitzte, da war dieser Kampf auch schon vorbei. Melinda Lazar, den Körper schon längst in eine quälende Verkrümmung verbogen, hing in den Seilen. Vor ihren trüben Augen stand Christina Hammer, die Boxerin, die nichts wirklich ins Schwitzen bringt.

Alles, was sie machte, frustrierte Lazar immer mehr

14 Monate lang hatte Hammer, 25, nicht mehr für einen Profikampf den Ring betreten, ihr alter Promoter suchte keine Gegnerinnen mehr für sie, so lange, bis der Vertrag endete. Am Freitag boxte Hammer erstmals wieder, für ihr neues Promoter-Team, Alexander Petkovic und dessen Partnerin Nadine Rasche. Vor dem Kampf gegen die Ungarin Lazar, 41, hatte Hammer angekündigt, dass sie das Gesicht des Frauenboxens werden wolle, in Deutschland, aber auch in den USA, und somit auf der ganzen Welt. Sie war zum Wiegen in einem Lamborghini vorgefahren, es war ein knalliger Auftritt zu ihren knalligen Worten. Aber es war nicht zu knallig. Mit den Worten und dem Wagen konnte es ihre Leistung im Ring an Knalligkeit durchaus aufnehmen.

Von der ersten Minute an hatte Hammer das Geschehen im Ring diktiert. Leichtfüßig kreiselte sie um Lazar, ließ sie ins Leere laufen, traf nach Belieben mit allen Schlagvarianten und Winkeln, die einer Boxerin gegeben sind, Gerade, Haken, Cross. Schlug Lazar einmal, wich Hammer ihr geschmeidig aus, auf ihren Lippen ein spitzes Lächeln. Es war als ob eine Ballerina mit einer Litfaßsäule tanzte. Zum Ende der zweiten Runde ging Lazar erstmals zum Boden, nach einem Leberhaken, sie stand wieder auf, aber nun begannen die Qualen für sie erst so richtig. "Die ersten Runden wollte ich zum Testen ausnutzen", sagte Hammer später.

Die 15 Zentimeter größere Hammer spielte nun ihre Reichweitenvorteile aus, sie zeigte, dass sie die filigranere Boxerin ist. Alles, was sie machte, frustrierte Lazar immer mehr, die nun teilweise durch den Ring stolperte, getrieben von einem Willen, der allein durch Verzweiflung genährt sein konnte. Zum Ende der fünften Runde traf Hammer ihre Gegnerin mit einer linken Geraden, Lazar fiel wie ein gefällter Baum um. Der Gong rettete sie, zumindest für ein paar Minuten.

Auf Hammers Stirn, auf ihren Schultern saßen nun die ersten Schweißperlchen, aber es dauerte nun ja auch nicht mehr lange. Ein Aufwärtshaken leitete den nächsten Niederschlag ein, ein weiterer Aufwärtshaken vollendete ihn. Wieder fiel Lazar dumpf zu Boden, wieder erhob sie sich, verbogen, mit trübem Blick. Mit einem weiteren Aufwärtshaken drängte Hammer ihre überforderte Kontrahentin in die Ringseile, da flog aus Lazars Ecke das weiße Handtuch, zur überfälligen Aufgabe. "Das hat mir heute Freude gemacht", sagte Hammer. Im Herbst würde sie gerne um die Weltmeisterschaft des Verbandes WBC kämpfen, um mit diesem Titel dann in den USA anzutreten. "Es kann nur nach oben gehen", sagte sie.

Noch so ein knalliger Satz. An diesem Abend aber kam er ganz selbstverständlich daher.

© SZ vom 18.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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