Boulder-WM in München:Waagrecht in der Luft

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Juliane Wurm: Weltmeisterin im Bouldern (Foto: dpa)

Juliane Wurm kann für einige Sekunden die Schwerkraft überlisten: Die 23-Jährige ist Weltmeisterin im Bouldern. Dabei kommt sie aus einer Stadt, in der es weit und breit keine Berge gibt.

Von Andreas Babst

Ein Raunen mischt sich in das Jubeln. Juliane Wurm scheint für einige Sekunden die Gesetze der Physik außer Kraft zu setzen. Ihr Körper klebt waagrecht an der überhängenden Wand; sie stößt sich ab, fliegt einen Moment durch die Luft, um sich dann nur mit den Fingerspitzen am nächsten Element wieder zurück an die Wand zu ziehen. Jede Bewegung und jeder Griff der 23-Jährigen wirkt überlegt, voll kraftvoller Leichtigkeit.

Juliane Wurm ist Weltmeisterin im Bouldern. Am Samstag hat sie unter dem Plexiglasdach des Münchner Olympiastadions den Titel geholt. Zwei Deutsche schaffen es ins WM-Finale. Juliane Wurm bei den Frauen, Jan Hojer bei den Männern. Medaillenchancen haben beide, der Titelkandidat ist aber eher der Gewinner des Gesamtweltcups Jan Hojer. Doch es wird Juliane Wurm sein, die zum Weltmeistertitel klettert. Für sie wird "ein Traum in Erfüllung" gehen.

Die 23-Jährige kommt aus Dortmund, einer Stadt, in der es viele Currywürste, aber keine Berge in der Nähe gibt. Klettern faszinierte Wurm trotzdem schon als Kind. Ihren zehnten Geburtstag feierte sie in einer Kletterhalle. Mit 16 wurde sie die jüngste deutsche Meisterin. Mittlerweile sind 16 Meistertitel dazugekommen, Wurm ist die erfolgreichste deutsche Wettkampfkletterin aller Zeiten. Vor der Heim-WM hatte die Medizinstudentin ihr Trainingspensum noch einmal erhöht, im Gesamtweltcup in diesem Jahr wurde sie Vierte.

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5000 Zuschauer sind zur WM in München gekommen. Viele Familien mit Kindern versammeln sich vor den Boulderwänden. Die hohe Dichte an Trekking-Funktionskleidern und Karabinern als Schlüsselanhänger entlarven eine Mehrheit von ihnen als Kletterer oder zumindest als Berggänger.

Alle starren auf die wenige Meter hohen grauen Wände. Nur selten ragen sie senkrecht von der Bühne zum Plexiglas-Himmel des Olympiastadions hinauf. Auf den Wänden sind farbige Elemente befestigt. Wie Bauklötze sehen sie aus; in allen Farben und Formen sind sie scheinbar zufällig an die grauen Flächen geschraubt.

Zwischen diesen Bauklötzen kraxeln die Boulderer umher. Ohne Seil, nur mit Matten gesichert wartet an jeder Wand eine neue Herausforderung. Vier Minuten haben sie Zeit, um vom Boden den obersten Griff zu erreichen, ohne, dass die Schwerkraft sie von der Wand reißt. Wie sie die vier Wände bewältigen, ist egal, nur oben ankommen müssen sie - es ist Knobeln kombiniert mit Athletik.

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Juliane Wurm hat die Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie trägt kurze, grüne Hosen, ein ärmelloses Shirt. Dann legt die 1,60 Meter kleine Athletin los. Am ersten Boulder braucht Wurm zwei Versuche, dann ist sie oben. Beim zweiten Boulder langt sie schon im ersten Versuch an den Zielgriff. Dann, beim dritten Boulder, mehren sich die Fehler. Wurm versucht es immer wieder, bekommt einmal sogar den Top-Griff fast zu fassen, gleitet aber wieder ab und fällt von der Wand. Aufstehen, noch einmal probieren. Aber sie schafft es nicht. Das dritte Knobel-Rätsel ist zu schwer - nicht nur für sie, sondern auch für ihre Konkurrentinnen.

Also entscheidet sich alles am vierten und letzten Boulder. Auch diesmal klettern die Frauen und Männer parallel - in getrennten Wertungen. Neben Wurm versucht es Jan Hojer, beide können noch Weltmeister werden. Aber beide fallen. Einmal, zweimal, dreimal. Hojer fällt auch beim vierten Mal und der Weltmeistertitel ist weg - er wird Dritter. Anders Wurm. Sie schafft den schwierigen Sprung zu Anfang des Parcours im vierten Versuch. Dann zwei, drei kräftige Armzüge und sie ist oben am Ziel-Griff. Am Weltmeister-Griff.

Da hängt sie, eine Hand am Element, die andere zur Faust geballt. Ehe die Schwerkraft sich bemerkbar macht.

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