Formel 1:Schummel-Gerüchte beleben das Geschäft

2017 Grand Prix de Bahreïn

Valtteri Bottas und Sebastian Vettel nach dem Rennen in Bahrain.

(Foto: AFP)
  • Mercedes-Fahrer Valtteri Bottas holt seine erste Pole Position der Karriere. Er steht in der Startaufstellung vor Lewis Hamilton und Sebastian Vettel.
  • Derweil streut Red Bull einen Vorwurf: Verdankt Sebastian Vettel seinen Aufschwung einer Trickserei am Unterboden?
  • Der direkte Rivale Mercedes will das nicht kommentieren.

Von Elmar Brümmer

Die erste Startreihe beim Großen Preis von Bahrain ist komplett in Silber gekleidet, aber das ist beileibe kein Rückfall in vergangen geglaubte Formel-1-Zeiten. Denn auf der Pole Position zum dritten WM-Lauf steht nicht Lewis Hamilton, sondern dessen neuer Teamkollege Valtteri Bottas. Nach sechs Samstag-Siegen in Folge ist die Serie des Briten beendet. "Ich hoffe, das ist nur die erste Pole Position von vielen", sagte der 27-Jährige strahlend. Damit ist beim Start für zusätzliche Spannung gesorgt.

Für den Finnen ist es die erste Pole in seiner Grand-Prix-Karriere - im 80. Anlauf. "Damit hat er gezeigt, dass er da ist", freut sich Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Seine beiden Piloten trennte die Winzigkeit von 0,023 Sekunden. Weiter weg als gedacht beim Flutlichtrennen in der Steinwüste ist Ferrari. Sebastian Vettel fehlte als Drittem fast eine halbe Sekunde auf die Silberpfeile, neben ihm steht - ebenso überraschend - Daniel Ricciardo im Red-Bull-Renault. Dahinter lauern Kimi Räikkönen und Max Verstappen.

Mercedes-Notnagel Bottas wirkt nach und nach gefestigter

Bottas war erst im Januar in einem Blitztransfer als Notnagel nach dem Rückzug von Nico Rosberg von Williams zu Mercedes transferiert worden. Er schlug sich ganz wacker, klagte aber selbst über Eingewöhnungsschwierigkeiten - und dann unterlief ihm hinter dem Safety Car in Schanghai ein dummer Dreher. So undurchdringlich wie Bottas sich gibt, so gefestigt ist er. Die Komplimente vom Kommandostand nach seiner Bestzeit auf dem Sakhir International Circuit quittierte er mit einem "Danke. Ich bin sehr glücklich". Es klang in etwa so, als sei er gerade nicht Letzter, sondern bloß Vorletzter geworden. Die Leidenschaft lieferte Mercedes-Teamaufsichtsrat Niki Lauda nach: "Eine unglaubliche Leistung, dem schnellsten Qualifyer der Welt den Rang noch knapp aufzulaufen. Das wird Valtteri helfen." Nico Rosberg twitterte aus dem Ruhestand in Monte Carlo den Glückwunsch, das alles so gut laufe mit seinem Nachfolger.

Für Vettel, der sich bei den Ferrari-Ingenieuren dafür entschuldigte, am Ende zu viel versucht zu haben, ist noch nichts verloren: "Alles in allem war das Auto gut, auch wenn der Rückstand größer ist als ich gedacht hatte." Die 57 Runden am Sonntagabend (17 Uhr) werden auch über die Reifentemperaturen und die Anzahl und Terminierung der Boxenstopps entschieden werden, die Luft ist selbst abends noch 30 Grad heiß, die Streckentemperaturen können auf 40 Grad steigen. Aufgrund dieser Bedingungen macht sich auch der Emmericher Nico Hülkenberg mit dem Renault Hoffnungen auf einen Sprung nach vorn, er startet von Rang sieben. Der jüngst verletzte Pascal Wehrlein kam bei seinem verspäteten Debüt mit dem Sauber-Ferrari auf einen ordentlichen 13. Rang. "Das tut sehr gut, es waren schwierige Wochen." Sein Rücken mache so weit mit.

Schummel-Vorwürfe gegen Vettels Team Ferrari

Ganze zwei Rennen mit dem neuen technischen Reglement hat es gedauert, bis aus dem Geraune hinter vorgehaltener Hand ein echter Vorwurf wurde, was für die Neid-Formel typisch ist: Hinter Ferraris Aufschwung vermutet Red Bull Racing Schummelei. Der Unterboden am neuen Rennwagen aus Maranello würde sich bei einer bestimmten Geschwindigkeit zum Asphalt hin verbiegen. Daraus entstünde ein Tunneleffekt, der dann für mehr Bodenhaftung und so für ein höheres Tempo sorge.

Angeblich soll diese verbotene Technik auf Videoaufnahmen zu sehen sein. Helmut Marko, Berater von Red Bull Racing, spricht von "belastenden Bildern", auch andere Teile wären ungewöhnlich flexibel: "Es wäre schade, wenn Ferrari nur deshalb vorne fahren würde." Der Kommentar ist ein bisschen scheinheilig, denn offiziell will man beim Automobilweltverband FIA nicht dagegen protestieren. Ähnlich hält man es beim direkten Gegner Mercedes, Team-Aufsichtsrat Niki Lauda will solchen "Blödsinn" nicht mal kommentieren.

Dass sich auch der Ferrari-Heckflügel verbiegt, dagegen kann keiner etwas machen - das ist legal. Mercedes selbst kämpft mit zu biegsamen T-Flügeln, das Zusatzelement muss erneut versteift werden, nachdem eines dieser Teile im Training weggeflogen und im Red-Bull-Renault eingeschlagen war. Die 50 000 Dollar Schaden würde Red-Bull-Teamchef Christian Horner am liebsten dem Gegner berechnen. Von solchen kleinen und großen Provokationen lebt die Branche. Denn die Formel 1 ist nicht nur ein rasanter Kfz-Betrieb, sondern ein Stück weit auch immer Showgeschäft.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: