Bosnien - Irland 1:1:Mauern im dichten Nebel

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Irlands Torhüter Darren Randolph schlägt einen Ball in den dichten bosnischen Nebel. (Foto: Dado Ruvic/Reuters)

Mit einer Trapattoni-Gedächtnis-Taktik ertrotzen sich die Iren eine gute Ausgangsposition fürs Rückspiel. Da aber niemand etwas sehen konnte, fragen sich viele: Warum brach Schiedsrichter Brych das Spiel nicht ab?

Von Tobias Schächter, Zenica/München

Der Satz - "Die Begegnung fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt" - erfuhr Freitagnacht im bosnischen Zenica eine neue Interpretation. Nach einer notorisch langweiligen ersten Halbzeit des Playoff-Hinspiels zur Europameisterschaft 2016 zwischen Bosnien-Herzegowina und Irland zeigte der Fußballgott Erbarmen und legte in den zweiten 45 Minuten einen dichten Nebelschleier über das Spielfeld des Bilino Polje Stadions. Es hatte 0:0 gestanden zum Pausenpfiff, die favorisierten Bosnier rannten einfallslos an gegen tief verteidigende Iren, die spielten, als habe ihr ehemaliger Trainer und Defensivguru Giovanni Trapattoni die Taktik entworfen. Chefcoach der Fußballer der Republik Irland aber ist seit zwei Jahren Martin O' Neill.

Der pragmatische Nordire reagierte auf den Ausfall seiner beiden besten Stürmer Shane Long und Jon Walters sowie seines besten Verteidigers John O' Shea mit einer Trapattoni-Gedächtnis-Mauertaktik. Und das mit Erfolg, die Iren erkämpften sich am Ende durch das 1:1 eine gute Ausgangsposition vor dem Rückspiel in Dublin. Ein 0:0 würde den Iren am Montagabend für die zweite EM-Teilnahme hintereinander genügen.

"Das schönste Tor, das niemand gesehen hat". Und das Schlimmste

Wie das Ergebnis am Freitag zustande gekommen war, konnte aber aufgrund des Nebels direkt nach dem Abpfiff niemand so genau erklären - weder die TV-Zuschauer dieses seltsamen Spiels, noch die 13 000 Fans im Stadion und auch die beiden Trainer nicht. Der Bosnier Mehmed Bazdarevic und auch O' Neill gaben hinterher zu, in der zweiten Halbzeit von der Außenlinie aus nicht mehr so viel vom Spielgeschehen mitbekommen zu haben. O' Neill zum Beispiel erklärte schmunzelnd, er wisse nicht genau, wie die Führung durch Robby Brady (82.) passiert sei, aber wahrscheinlich sei Brady ganz gut in Position gelaufen. "Das einzige, was ich sagen kann", so O' Neill, "ist: Das war ein nebliges Tor." Das gilt natürlich auch für den Ausgleich des ehemaligen Wolfsburgers Edin Dzeko nur drei Minuten später. Die TV-Zuschauer konnten wenigstens in der dritten Wiederholung durch die Perspektive der Spielfeldkamera erkennen, dass Brady bei einem der wenigen Konter der Iren mit einem schönen Linksschuss in die kurze Ecke erfolgreich war und Dzeko den Ball in Abstaubermanier nach einer flachen Hereingabe von Ognjen Vranjes aus fünf Metern über die Linie gedrückt hatte. In Irland kursiert nun ein Witz über die beiden Einschüsse: Das irische Tor in Zenica gilt als "das schönste, das nie jemand gesehen hat". Und der bosnische Treffer gilt auf der grünen Insel nun als "der schlimmste, den nie jemand gesehen hat".

Nicht nur die TV-Zuschauer in den Irish Pubs und anderen Kneipen dieser Welt rätselten, warum der deutsche Schiedsrichter Felix Brych die Partie nicht abbrach. Der weiße Ball blieb von Minute 46 bis zum Abpfiff außerhalb des Spielfeldes ja fast ebenso durchgehend unsichtbar wie die Spieler. Martin O' Neill erzählte, er habe nach der in seinem Sinne erfolgreichen ersten Hälfte mit zunehmender Spieldauer gehofft, dass es zu keinem Abbruch komme: "Ich habe erst später erfahren, dass die Partie nicht ganz hätte wiederholt werden müssen, sondern sie ab der Minute des Abbruchs wieder angepfiffen worden wäre." Das aber ist nicht passiert, weil Brych offenbar den Durchblick behielt. Wie auch immer: Für Bosnien wird es durch das 1:1 schwer, nach der ersten WM-Teilnahme 2014 nun auch die historische erste EM-Teilnahme zu schaffen. Und dennoch weiß Trainer Mehmed Bazdarevic: "Es ist noch nicht alles verloren." Durch die Rückkehr des am Freitag gesperrten defensiven Mittelfeldspielers Muhamed Besic erhofft sich Bazdarevic in Dublin mehr Sicherheit bei eigenem Ballbesitz.

Im Nebelspiel von Zenica hielt die irische Abwehr das bosnische Angriffsduo Edin Dzeko und Vedad Ibisevic zwar lange gut in Schach, aber nur mit trapattonischem Mauerfußball werden die Iren am Montag Probleme bekommen. Trainerrealist O' Neil warnt trotz des Auswärtstores und der Rückkehr der verletzten und gesperrten Long, Walters und O' Shea: "Bosnien ist immer für ein Tor gut." Das stimmt: Auch wenn man davon am Freitag nicht viel gesehen hat - nicht nur wegen des Nebels.

© SZ vom 15.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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