Borussia Mönchengladbach:Zur Belohnung winkt eine Demütigung

RB Leipzig v Borussia Moenchengladbach - Bundesliga

Im Fokus: Gladbachs Torhüter Yann Sommer.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Wissenschaftler haben herausgefunden: Liebe kann wachsen! Bei Borussia Mönchengladbach machen sie diese Erfahrung gerade mit dem Trainer André Schubert. Vor einem Jahr hat ihn der Bundesligist erst nach längerem Zögern vom Interimstrainer zur Festlösung befördert, nun wurde Schuberts Vertrag vorzeitig bis 2019 verlängert: "Das ging schneller als ich dachte", sagte der Coach am Dienstagmittag und nannte sich "glücklich, stolz und dankbar, diese Mannschaft trainieren zu dürfen". Schubert führt erfolgreich fort, was sein Vorgänger Lucien Favre im Frühjahr 2011 begonnen hatte.

Als der Torwart Marc-André ter Stegen einst mit 18 Jahren unter Favre sein Bundesligadebüt gab, war Gladbach Tabellenletzter. Man rettete sich in die Relegation, blieb gerade noch erstklassig und eroberte in den Jahren danach schrittweise die Spitzenregion der Bundesliga. An diesem Mittwoch spielen ter Stegen und Gladbach sogar Champions League - aber gegeneinander. Der gebürtige Gladbacher gastiert mit dem FC Barcelona im Borussia-Park: "Ich finde es schön, dass ich damals beim Startschuss für Gladbachs phänomenale Entwicklung dabei war", sagt ter Stegen. Am Abend muss er allerdings verhindern, dass sein Heimatverein in dieser Entwicklung einen weiteren Schritt macht.

Die besten Schützen des ersten Champions-League-Spieltages waren mit je drei Toren die Argentinier Sergio Agüero und Lionel Messi. Agüero von Manchester City hat seine Treffer beim 4:0 gegen Gladbach geschossen. Nun hätte eigentlich Messi im Borussia-Park auflaufen sollen, aber die Gladbacher brauchen keine Angst vor ihm zu haben, denn den "Besten der Welt" (Schubert) legen lädierte Adduktoren lahm. "Wir sind dadurch trotzdem nicht plötzlich Favorit", witzelt Schubert.

Gefahr einer Demütigung, auch ohne Messi

Messis Absenz könnte den Gladbachern eine große Demütigung ersparen, verwehrt den Spielern andererseits eine Begegnung mit der Lichtgestalt. Und die Gefahr vor einer Demütigung bleibt trotzdem. Die Stürmer Luis Suárez und Neymar vermögen Gladbachs Abwehr auch allein zu erschüttern. Ihr geschätzter Marktwert (addierte 190 Millionen Euro) übersteigt jenen des gesamten Borussia-Kaders (165 Millionen): "Barcelona ist auch ohne Messi eine der besten Mannschaften der Welt", sagt Gladbachs Verteidiger Oscar Wendt.

Kaum zu glauben, aber Mönchengladbach spielt im 155. Europapokalspiel der Klubgeschichte zum ersten Mal gegen Barcelona. Gladbach hat fünf Mal gegen Real Madrid gespielt, stand 1977 gegen Liverpool im Finale des Europapokals der Landesmeister, hat 1975 und 1979 den Uefa-Pokal gewonnen und vor vier Jahren ein Buch herausgegeben, in dem es um seine schillerndsten Europapokal-Nächte geht. Aber der Verein musste 116 Jahre alt werden, um erstmals ein Pflichtspiel gegen Barça anzutreten. "In der Champions League ist jedes Spiel besonders", sagt Wendt, "aber Barcelona hat einen ganz besonderen Klang."

Enormer Sprung im Uefa-Ranking

Der Schwede Wendt ist ein Spieler, an dem man die gegenwärtigen Defizite im Gladbacher Spiel ganz gut festmachen kann. Auf der linken Seite muss er sowohl in der Abwehrkette mitverteidigen als auch bis vors gegnerische Tor mitaufrücken. Letzteres machte er hervorragend, er ist laufstark und stets torgefährlich. Nach hinten aber bereitet er wie so viele andere Gladbacher Sorgen: "Wir müssen genauso enthusiastisch verteidigen wie wir angreifen", hat Schubert vor der Saison gesagt - und dieser noch immer fromme Wunsch sollte als Mantra dienen, denn immer mal wieder gelingt das nicht.

Ihr offensives "Hurra" und ihr defensives "Oje" sorgen gleichwohl für hohen Unterhaltungswert, so dass die Fans die vor allem auswärts auftretenden Gegentor-Fluten angesichts tröstlicher Heimsiege tapfer erdulden.

Und so langsam wähnt man sich in Gladbach als ernsthafter Herausforderer auch europäischer Topklubs. Binnen vier Jahren ist die Borussia im Klubranking der Uefa vom 109. auf den 36. Platz geklettert. Der Aufstieg ging mit einem erheblichen Umsatzwachstum einher. Knapp 30 Millionen Euro hat Gladbach in der vergangenen Saison in der Champions League verdient, dabei schied man als Gruppenletzter früh aus. Der Umsatz der GmbH ist auf 160 Millionen Euro angestiegen und wird in dieser Saison noch höher sein. Die Champions League ist in jeder Hinsicht ein Multiplikator und für den Sportchef Eberl sogar ein Pfund bei der Spielerakquise.

Gladbach sei "ein Magnet", sagt Eberl über die Attraktivität des Vereins für junge Spieler, aber er könnte die wachsende Anziehungskraft auch auf Sponsoring, Ticketing und Merchandising beziehen. Diese drei Anglizismen sind im modernen Fußball Schlüsselfaktoren: "Wir sind von unserem gemeinsamen Weg überzeugt", sagt Schubert. Das Heimspiel gegen Barcelona ist da ein Meilenstein - und für den Trainer eine große Chance, die Gefühle in Mönchengladbach weiter zu intensivieren.

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