Borussia Mönchengladbach:SMS von Mario Götze

Beim überraschend klaren Triumph über den FC Bayern München schließen Angreifer Marco Reus und Borussia Mönchengladbach spielend an die starke Vorrunde an. Der Auftritt fördert sogar die Hoffnung, dass die Gladbacher bereits einen Nachfolger für den nach Dortmund wechselnden Reus gefunden haben.

Ulrich Hartmann

Marco Reus trug die Gladbach-Fahne wie einen königlichen Umhang und wärmte sich an ihr wie an einer Heizdecke. Ein TV-Sender zeigte ihn auf den Monitoren im Kabinengang bereits im knallgelben Trikot Borussia Dortmunds, allerdings waren das keine visionären Foto-Montagen, sondern Bilder aus seiner Jugendzeit im BVB-Hemd.

Borussia Moenchengladbach - FC Bayern Muenchen

Der Chef und sein Nachfolger? Marco Reus und Patrick Herrmann.

(Foto: dapd)

Bald wird Reus dieses gelbe Shirt wieder tragen, und die Borussia-Fahne, die er nach dem Triumph gegen den FC Bayern ehrwürdig von Kamera zu Kamera schleppte, könnte es mal ins örtliche Fußballmuseum schaffen.

Ist Herrmann der Nachfolger?

Die Tage von Marco Reus bei Borussia Mönchengladbach sind gezählt, aber der 22-Jährige füllt sie mitnichten lustlos aus, sondern macht dort weiter, wo er seine herausragende Hinrunde beendet hat. Gegen München erzielte er zum Rückrundenauftakt das 1:0 selbst und bereitete das 3:0 durch jenen Patrick Herrmann vor, der zuvor auch schon das 2:0 erzielt hatte. Könnte denn nicht dieser tolle Herrmann, so fragte nach dem Spiel ein britischer Journalist den Gladbacher Trainer Lucien Favre, vom kommenden Sommer an den legitimen Nachfolger von Marco Reus geben? Favre winkte ab.

So weit sei er jetzt noch nicht.

Herrmann, 20, spielt zunehmend versiert auf dem rechten Flügel, seit Reus als hängende Spitze ins Zentrum gerückt und dort erst zu wahrer Größe aufgestiegen ist. Man könnte also auf den Gedanken kommen, Herrmann sei mit seinen fünf Saison-Toren und fünf Torvorlagen ein adäquater Nachfolger von Reus. Allerdings besitzt der gebürtige Saarländer, der 2008 aus Saarbrücken gewechselt ist, (noch) nicht die hohe technische Variabilität des schnellen Künstlers Reus. "Dieser Vergleich wäre übertrieben", sagt Lucien Favre.

Marco Reus, der gebürtige Dortmunder und Träger des eigenen eintätowierten Vornamens auf dem linken Unterarm, hat mit seiner erneut ansehnlichen Leistung gegen den FC Bayern gleich drei gute Taten vollbracht aus seiner Sicht: Er hat seinen aktuellen Klub nahe an die Bundesligaspitze herangeführt, er hat jene Münchner düpiert, die behauptet hatten, er habe während Verhandlungsgesprächen dort plump eine Einsatzgarantie gefordert (was er zurückwies) - und er hat mit der Münchener Niederlage für Freude bei seinem künftigen Klub Borussia Dortmund gesorgt. Die BVB-Spieler Mario Götze und Kevin Großkreutz haben ihrem guten Kumpel Reus gleich per SMS-Textmitteilung gratuliert und gedankt.

Fußballer, Fans und Funktionäre des aktuellen und künftigen Vereins gleichermaßen zu erfreuen, ist eine seltene Kunst, die der außerhalb des Stadions zu Einsilbigkeit und Unbekümmertheit neigende Nationalspieler beherrscht. Er schießt keine verbalen Giftpfeile in irgendeine Richtung; er schießt bloß den Ball und richtet damit bei der Konkurrenz viel Unheil an.

Weiter in der Außenseiterrolle

Mit elf Toren und fünf Torvorlagen hat er seine Borussia sehr aussichtsreich auf einen Tabellenplatz geschossen, der Hoffnungen auf jene Champions League erlaubt, die die betont demütigen Gladbacher aber vorerst nicht in den Mund nehmen. "Wir denken von Spiel zu Spiel", sagen sie und bemühen diese hohle Phrase derart schamlos, dass sie für jede weitere Wiederholung einen Punkt abgezogen bekommen sollten.

Doch auch ohne derartige Sanktionen wähnen sich die Gladbacher im Vierkampf mit München, Schalke und Dortmund in der hintersten Position. "Wie sagt der Trainer immer? Es wird extrem hart", parodierte Reus den Übungsleiter Favre, und auch der Schweizer selbst wollte nach dem 3:1 gegen München eine unveränderte Außenseiterrolle seiner Mannschaft konservieren.

"Gegen München sind es Spezialspiele", sagte Favre und ließ den souveränen Sieg nicht als Indiz dafür gelten, dass Gladbach auch eine gute Rückrunde spielen könnte. "Wir sind solide", sagte Favre. "Aber bei Ballbesitz waren wir heute nicht gut."

Heynckes sieht VfL europäisch

Für ein bisschen Zuversicht und den Mut zu großen Zielen brauchten die Gladbacher schon eine Ikone des früheren Fohlenfußballs: den heutigen Bayern-Trainer. Jupp Heynckes lobte Gladbachs Fußball und wagt es bislang als Einziger, der Borussia bereits zum Teilnahme am Europapokal zu gratulieren. "Ich bin sicher, dass Gladbach nächstes Jahr europäisch spielt", sagte er, ob nun in der Champions oder der Europa League

Nach 18 Saisonspielen hat Gladbach 36 Punkte und damit so viele wie nach der vergangenen Spielzeit. Noch immer können bei der Borussia viele nicht so richtig glauben, welch märchenhafte Wende der Klub seit dem sicher geglaubten Abstieg vor fast einem Jahr hingelegt hat. Die Helden dieses Märchens bleiben Trainer Favre und der kleine König Marco mit seinem Umhang in Schwarz-Weiß-Grün.

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