Borussia Mönchengladbach:"Obrigado!"

Hertha BSC v Borussia Moenchengladbach - Bundesliga

Wenn Raffael (rechts) richtig gut ist, verliert Gladbach höchst selten. So auch in Berlin beim 4:2.

(Foto: Boris Streubel/Bongarts/Getty Images)

Nach dem spektakulären 4:2-Sieg bei Hertha BSC feiert die Mannschaft die Renaissance ihres brasilianischen Feingeistes Raffael.

Von Javier Cáceres, Berlin

Der Mönchengladbacher Mittelfeldspieler Christoph Kramer hat doch nicht alles aus Brasilien vergessen. Sein Zusammenstoß mit dem argentinischen Verteidiger Ezequiel Garay im Endspiel von Rio de Janeiro aus 2014 führte zwar zu einem kurzzeitigen Blackout ("Schiedsrichter, ist das hier das WM-Finale?"), beeinträchtigte aber nicht das, was er im Laufe der Weltmeisterschaft an portugiesischen Wörtern gelernt hatte.

Was man zu einem Spieler wie Raffael sage, wenn man auf ihn zustürmt und ihn zu den zwei Treffern beglückwünscht, die er zu Borussias 4:2-Sieg bei Hertha BSC beigesteuert hatte und zum Matchwinner geworden war, wollte ein Reporter wissen. "Obrigado!", antwortete Kramer. "Danke!"

Dieses Gefühl der Dankbarkeit beruhte auf Gegenseitigkeit. Zuletzt war Raffael Caetano de Araújo, wie er mit vollem Namen heißt, in den Medien arg kritisiert worden; sie rechneten ihm vor, dass er bislang nur zwei Saisontore und null Vorlagen geliefert hatte. Die Treffer lagen überdies schon eine Ewigkeit von zwei Monaten zurück. Am Sonntag erzählte Raffael, 32, am Telefon, dass er durchaus registriert hatte, was in den Zeitungen alles stand. "Aber ganz ehrlich: Mich interessiert nicht, was da geschrieben wird. Ich wusste, dass ich nicht gut drauf war. Aber so etwas passiert, selbst Cristiano Ronaldo trifft jetzt schon seit Wochen nicht, und er ist der beste Fußballer der Welt. Ich war mit mir immer im Reinen, und ich war deshalb auch sehr ruhig." Seine Kollegen hätten ihn durch die Dürre getragen, "sie haben mir sehr geholfen", fügte er hinzu. Schon am Samstagabend hatte Gladbachs Trainer Dieter Hecking von dem Vertrauen gesprochen, das die Mitspieler ihrem Feingeist entgegenbrachten - was sowohl Lars Stindl, der das 1:0 erzielte (5. Minute), wie auch Kramer auf dem Weg in die Kabine bestätigten. "Wenn ein Spieler, der viele Jahre auf hohem Niveau spielt, einen Monat lang eine Schaffenspause hat, darf man sich nicht verrückt machen lassen", sagte Kramer.

Der Lohn: Nach den beiden Toren gegen Stuttgart erzielte Raffael nun seinen zweiten Doppelpack der Saison; der Vater der sieben Monate alten Zwillingsschwestern Liz und Lays kann offenbar nur noch Pärchen fabrizieren. "Er hat viele gute Aktionen gehabt und schlaue Dinge gemacht, es freut mich, weil er sehr selbstkritisch ist", sagte Hecking. "Er weiß, dass die letzten Spiele nicht das Gelbe vom Ei waren. Wenn er solche Antworten hat, freut es mich."

Damit war vor allem Raffaels erster Treffer gemeint. "Das war vielleicht das schönste Tor meiner Karriere, ich habe nicht oft aus solcher Distanz und mit solcher Wucht getroffen", sagte er. Nach einer Abwehraktion der Berliner hatte er den Ball in der Luft mit der Fußspitze aufgespießt, dann auftrumpfen lassen und aus 25 Metern volley unter die Latte geschossen. Es war nach dem bereits erwähnten Treffer von Stindl und dem Handelfmeter (nach Videobeweis) von Thorgan Hazard (14.) das 3:0 für die Borussia - nach nur 20 Minuten.

Nach dem 4:2 explodierte Raffael: Es war sein 50. Tor als Borusse

So außergewöhnlich der Treffer war - "ich habe ihn gar nicht richtig feiern wollen, weil Hertha so drängte", sagte Raffael. Hertha hatte tatsächlich viele gute offensive Aktionen, traf einmal die Querlatte, einmal den Außenpfosten, kam noch durch Tore von Vedad Ibisevic (28.) und Mitchell Weiser (71.) heran - und musste dann doch zusehen, wie Raffael nach einer schönen Kombination von Stindl und Patrick Hermann den Siegtreffer erzielte. Da allerdings explodierte Raffael: Er, der sonst so wirkt, als ob er weniger Regungen hätte als eine Playmobil-Figur, schrie die Freude heraus, lief hinüber zur Westkurve und feierte dort mit den Fans. "Es war ein besonderes Tor, weil es der Sieg war, weil es mein 50. Treffer für Borussia war, weil es in Berlin war ... - wegen allem!", sagte Raffael, der von 2008 bis 2012 bei Hertha gespielt hatte. "Vielleicht lag's an der Berliner Luft", sagte Hecking zur Leistung Raffaels.

Nun steht Mönchengladbach auf einem Champions-League-Platz, doch von der Königsklasse wollen die Borussen nicht sprechen. Zumal sie schon 21 Gegentore kassiert haben, fast so viele wie Schlusslicht Köln (23), und nächste Woche der FC Bayern wartet. "Diese Saison ist sehr kompliziert, alles ist sehr eng beieinander, und das wird bis Mai so bleiben", sagt Raffael.

Auch in Berlin hält man sich mit Interpretationen der Tabelle zurück. Hertha steht auf Platz 14, aber mit 14 Punkten und einem gewissen Vorsprung auf die Abstiegsränge. "Wenn man zwei Mal gewinnt, kann's auch sein, dass man nach oben rutscht", sagte Manager Michael Preetz nach einem Abend, den er wegen der guten Leistung als bitter bezeichnete. "Aber das muss man natürlich auch erst einmal machen, zwei Mal gewinnen", fügte er hinzu.

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