Borussia Mönchengladbach:Dahoud: Eine Hinrunde reicht für große Spekulationen

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Vom Ball kaum zu trennen: Mahmoud Dahoud, hier im Duell mit dem Bremer Clemens Fritz.

(Foto: imago/Uwe Kraft)

In Syrien geboren, aufgefallen im Mittelfeld von Borussia Mönchengladbach: Um Mahmoud Dahoud sollen sich bereits große Klubs bemühen.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Mahmoud Dahoud stellt sehr gerne Fotos von sich selbst ins Internet: in der Lederjacke, in der Badehose, im Fußballtrikot. So ist bei "Instagram" mit der Zeit ein Fotoalbum entstanden für all jene Fans, die sich gern Bilder des Jungprofis von Borussia Mönchengladbach anschauen, der am 1. Januar zwanzig Jahre alt wird.

Unter all diesen Fotos fällt nur eines aus dem Rahmen. Es ist das eines toten syrischen Flüchtlingsjungen am türkischen Strand. Das Foto hat vor einigen Wochen weltweit Aufsehen erregt. Dahoud hat es in sein virtuelles Fotoalbum aufgenommen und darüber geschrieben: "Wann wacht die Menschheit auf?"

Mahmoud Dahoud wurde 1996 in der nordsyrischen Stadt Amude geboren. Als er neun Monate alt war, flohen seine Eltern mit ihm nach Deutschland. Sie landeten am Niederrhein. Der Bub erwies sich als talentierter Fußballer. Mit 14 Jahren zog er von Fortuna Düsseldorf aus um ins Jugendinternat von Borussia Mönchengladbach. Im vergangenen Sommer schaffte er den Sprung in die Bundesliga-Mannschaft. Zunächst noch unter Trainer Lucien Favre, dann unter dessen Nachfolger André Schubert.

An der Seite des Schweizer Teamkapitäns Granit Xhaka etablierte sich Dahoud im zentralen Mittelfeld. Zehn Mal spielte Dahoud auch schon für die deutschen Nationalteams der Junioren.

Dahoud spricht nicht viel. Weder über Fußball noch über Politik. Er will nur spielen

Fünfzehneinhalb Stunden Bundesliga-Fußball haben genügt, um aus Dahoud einen der begehrtesten jungen Spieler Europas zu machen. Er kam in dieser Saison in allen 17 Hinrunden-Spielen zum Einsatz; trotz erst zwei Treffern gilt er zudem als torgefährlich. In den sechs Champions-League-Spielen der Borussia fiel er den Scouts auf, obwohl sich sein Team nicht fürs Achtelfinale qualifizieren konnte - diverse Klubs haben den Quirl weit oben auf ihren Wunschzettel gehievt, genannt werden in diesem schwatzhaften Gewerbe diverse britische Klubs, Juventus Turin oder auch Borussia Dortmund. Noch aber ist Dahoud bis 2018 vertraglich an Gladbach gebunden, und Trainer Schubert sagt: "Wir werden Mo nicht abgeben, da braucht niemand anzurufen."

Von solchen Ansagen lassen sich solvente Premier-League-Klubs freilich nicht abschrecken. Sollte ihr Interesse an Dahoud ernst sein, werden sie das die Gladbacher mit einem Angebot in pulssteigernder Höhe wissen lassen. Bei der Borussia sind sie gegen unmoralische Angebote mitnichten immun. Die millionenschweren Verkäufe von Marko Marin, Marco Reus, Marc-André ter Stegen oder Max Kruse - allesamt schon in der deutschen Nationalelf eingesetzt - halfen Geschäftsführer Stephan Schippers in den vergangenen Jahren dabei, die Fußball-GmbH auf sehr solide Füße zu stellen.

Viel laufen, gut passen

Gladbach gilt als Verein mit einer der besten Bilanzen der Bundesliga. "Wir gehen einen Weg mit jungen Spielern, die sich bei uns weiterentwickeln wollen, die dann aber leider auch manchmal zu den ganz großen Vereinen gehen", hat der Sportdirektor Max Eberl einmal gesagt.

Dahoud ist ein Fußballer mit auffälliger Körpersprache. Durch seine große Laufbereitschaft ist er nahezu jederzeit anspielbar. Sein Passspiel ist für einen so jungen Profi äußerst präzise. 85 Prozent seiner Bälle kommen an, obwohl im umkämpften Mittelfeld kaum Zeit und Raum bleiben, um Mitspieler zu erreichen.

Nach den Spielen haben die Berichterstatter stets vergeblich auf ihn gewartet. In einer Zeit, in der das Schicksal syrischer Flüchtlinge ans Herz geht, hätte die Öffentlichkeit gerne mehr gewusst über die Geschichte dieses jungen Mannes und über seine Sicht der Dinge. Doch Dahoud scheut Interviews. Und der Verein hält schützend die Hand über sein aktuell größtes Talent. So gibt es kaum Aussagen und Einschätzungen von ihm. Die Liste der Interview-Anfragen bei der Borussia wird lang und länger. Doch Dahoud mag nicht über Fußball reden. Er will nur spielen.

Nur Darida läuft mehr

In den fünfzehneinhalb Stunden, die er in der Hinrunde für Gladbach kickte, lief Dahoud 133 Kilometer. Auf die Einsatzminuten heruntergebrochen, sind das im Schnitt 143 Meter pro Minute. Mehr lief nur der Tscheche Vladimir Darida von Hertha BSC (145), auf Platz drei folgt Stuttgarts Lukas Rupp (142). Branchenstars wie die Münchner Robert Lewandowski (115) und Douglas Costa (112) oder die Dortmunder Henrikh Mkhitaryan (112) und Pierre-Emerick Aubameyang (107) liegen weit dahinter.

Ob Dahoud seine Zukunft in Mönchengladbach sieht, hängt wohl auch davon ab, ob die Gladbacher es in der Rückrunde schaffen, sich für die Europa League oder sogar wieder für die Champions League zu qualifizieren. Während der jüngsten Erfolgsserie mit neun Siegen in den zwölf Bundesligaspielen unter Schubert haben sich in Dahoud, Xhaka, Lars Stindl oder Havard Nordtveit mehrere Spieler interessant gemacht. Auch über ihren Verbleib wird die mittelfristige internationale Perspektive der Borussia entscheiden.

Dahouds jüngster Foto-Eintrag im Internet zeigt ihn in kurzen Hosen neben einem gelben amerikanischen Taxi. Das Foto sieht nach einem Urlaub in Florida aus und weniger nach einer Kontaktaufnahme in Manchester, Liverpool oder Turin. Kurzfristig könnte damit alles geklärt sein, auf Dauer aber dürfte es schwer werden, Mahmoud Dahoud am Niederrhein zu halten.

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