Borussia Dortmund:Zerrissene Liebe beim BVB

Borussia Dortmund: Eine Umarmung, die wohl zu spät kommt: Hans-Joachim Watzke und Dortmunds Cheftrainer Thomas Tuchel.

Eine Umarmung, die wohl zu spät kommt: Hans-Joachim Watzke und Dortmunds Cheftrainer Thomas Tuchel.

(Foto: AFP)
  • Borussia Dortmund steht vor eine Zukunft ohne Trainer Tuchel - und vielleicht auch vor einer ohne Stürmer Aubameyang.
  • Das 4:3 gegen Bremen bringt dem Verein immerhin die Champions Legaue.
  • Doch es bleiben Fragezeichen hinter dieser Saison.

Von Ulrich Hartmann, Dortmund

Als Pierre-Emerick Aubameyang am Samstag um 17.17 Uhr Anlauf zum Elfmeter nahm, ging es in einem einzigen Schuss um alles: sowohl um Borussia Dortmunds direkte Qualifikation zur Champions League als auch um die Bundesliga-Torjägerkanone für sich selbst. Ein Schuss, zwei Chancen: Aubameyang verwandelte in der 89. Minute zum 4:3 (2:1)-Sieg gegen Werder Bremen.

Dass dies nach vier Jahren womöglich sein letzter Schuss im Dortmunder Stadion war, machte die Sache umso emotionaler. Aubameyang weinte. "Lacrime di Gioia", betonte er allerdings hinterher auf Italienisch, "Freudentränen", keine Abschiedstränen. "Wir sprechen mit dem Verein nach dem Pokalfinale und werden dann eine Entscheidung treffen", sagte Aubameyang - dabei läuft sein Vertrag ja noch bis 2020.

Nicht nur Aubameyang hat Gesprächsbedarf. Um 17.25 Uhr am Samstag trat Dortmunds Trainer Thomas Tuchel vor die Südtribüne. Er stand in zweiter Reihe hinter der Mannschaft und applaudierte den Fans, aber er blieb nicht lange. Er drehte schnell wieder ab Richtung Kabine. Tuchel hat sich nach Heimspielen nie von den Fans feiern lassen, aber diesmal konnte er nicht gleich verschwinden nach dem Abpfiff. Denn es war vermutlich sein letztes BVB-Heimspiel.

Watzke und Tuchel umarmen sich - sachlich

Tuchel weinte nicht. Er hat seinem Arbeitgeber am Samstag einen bedeutsamen Wunsch erfüllt und in die Champions League geführt. Unter ihm hat Dortmund in zwei Spielzeiten keine einzige Bundesliga-Heimpartie verloren und kann im DFB-Pokalfinale gegen Eintracht Frankfurt am kommenden Samstag in Berlin den ersten BVB-Titel seit der Meisterschaft 2012 gewinnen. Das ist eine respektable Bilanz. Trotzdem, und daran gibt es mittlerweile kaum noch Zweifel, dürfte das Bremen-Spiel Tuchels letztes Heimspiel als Dortmunder Trainer gewesen sein.

Nizzas Trainer Lucien Favre, früher Borussia Mönchengladbach, könnte die Mannschaft in der Sommerpause übernehmen. Das Tischtuch zwischen dem Trainer und dem BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke gilt als zerschnitten, bildlich gesehen sogar als zerrissen. Nach dem Spiel haben sich die beiden auf dem Rasen trotzdem kurz und sachlich umarmt.

Dabei hätte das Spiel ja durchaus Gründe geliefert, jede Sachlichkeit zu verlieren. Dortmund hatte gegen Bremen erst 0:1 hinten gelegen, dann 2:1 geführt, dann wieder 2:3 hinten gelegen - und am Ende durch Aubameyangs Elfmeter die Champions League erreicht. Es war sein 31. Saisontreffer, er überholte mit seinen beiden Toren zum 2:1 (43.) und zum 4:3 noch Bayern Münchens Robert Lewandowski, der mit 30 Toren Zweiter wurde. Zugleich blieb die TSG Hoffenheim, die über ein 0:0 gegen den FC Augsburg nicht hinauskam, hinter Dortmund zurück und muss nun in die Qualifikation zur Champions League.

Tor für die Geschichtsbücher

Während Tuchels Abgang ein Jahr vor Ablauf seines Vertrages als sicher gilt, erscheint die Situation bei Aubameyang drei Jahre vor dem Ende seines Vertrages noch minimal offener. Ein Bekenntnis vermied er wohl nicht zufällig. Ihm liegen dem Vernehmen nach Angebote mehrerer Vereine vor.

Als Kandidaten gelten sein Kindheitsklubs AC Mailand, Paris St. Germain und der großzügige chinesische Verein Tianjin Quanjian. Im Zweifel wird es dem BVB nicht helfen, dass nun mal wieder ein Tor des Stürmers um die Welt geht: Aubameyang traf kurz vor der Pause zum zwischenzeitlichen 2:1, aus der Drehung und volley nach einem Lupfer von Ousmane Dembélé. Ein Tor für die Geschichtsbücher.

Marc Bartra feiert sein Comeback

"Ein Nervenspiel auf Messers Schneide", hatte Tuchel gesehen, "sehr emotional". Per Hawkeye-Entscheidung musste über Zlatko Junuzovics 1:0 für Bremen entschieden werden, Marco Reus und Aubameyang drehten das Spiel. Dann trafen die Bremer nach zwei perfekten Kontern durch Finn Bartels und Max Kruse, ehe Reus und Aubameyang jeweils per Elfmeter in der letzten Viertelstunde aus dem 2:3 noch einen 4:3-Sieg machten. "Mit dem letzten Schuss die Champions League und die Torjägerkanone zu sichern, das ist wirklich bemerkenswert", sagte Tuchel.

Und noch etwas anderes war bemerkenswert: Dortmunds Marc Bartra feierte sein Comeback fünfeinhalb Wochen nach seiner Armverletzung beim Anschlag auf den Dortmunder Mannschaftsbus und war ebenfalls den Tränen nahe nach einem Spiel, das vielleicht eines der emotionalsten in der jüngeren Vereinsgeschichte von Borussia Dortmund war. Ob er in der kommenden Saison gerne noch Trainer des BVB wäre, ist Tuchel am Samstagabend noch gefragt worden. "Das steht außer Frage", hat er geantwortet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: