Borussia Dortmund:Wie damals Franz Brungs

Drei Tore von Mittelstürmer Aubameyang bescheren dem BVB ein feierliches 4:0 gegen Benfica Lissabon. Der Wunsch fürs Viertelfinale lautet: nur nicht den FC Bayern!

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Den Ball wollte der Mann mit der Baseballkappe und dem schwer nietenbesetzten Rucksack einer Luxusmarke auf keinen Fall mehr hergeben. "Der ist für meine beiden Kinder", murmelte Tor- und Glitzer-Spezialist Pierre-Emerick Aubameyang grinsend und wirkte dabei so bescheiden und beinahe schüchtern wie fast immer, wenn er wegen seiner vielen Tore mal wieder in laufende Kameras sprechen muss. "Immer wenn ich drei Tore in einem Spiel mache, bringe ich den Ball für meine Söhnchen mit nach Hause." Papas Spielzeug-Sammlung umfasst nun fünf dieser Hattrick-Bälle - aber beim 4:0-Triumph gegen Benfica Lissabon schoss Borussia Dortmunds Torjäger zum ersten Mal in einem Champions-League-Spiel drei Tore.

Die Show hatte Aubameyang damit an diesem Abend sowieso im Kasten. "In den letzten beiden Spielen hat er jeweils doppelt getroffen, da war es höchste Zeit, dass er dieses Mal einen Dreierpack nachlegt", gab sich sein Trainer Thomas Tuchel nach den drei Abstaubertoren seines Lieblingsstürmers ungewohnt ausgelassen. Im Hinspiel in Lissabon hatte Auba noch seinen persönlichen Stimmungs-Tiefpunkt ausgelotet, als er vier, fünf hochprozentige Chancen kläglich versemmelte, eine nach der anderen und schließlich von Tuchel die Höchststrafe aufgebrummt bekam: Er wurde früh ausgewechselt. Dortmund unterlag in Lissabon vor allem wegen Aubameyang mit 0:1. Ein Stimmungsspieler wie der für Gabun spielende Franzose stürzt nach so einer Auswechslung erst mal in ein Stimmungstief; lange bleibt er dort nach Berichten seiner Mitspieler allerdings nie.

Borussia Dortmund v  SL Benfica - UEFA Champions League Round of 16: Second Leg

In der Startphase in einen erfolgreichen Abend: Pierre-Emerick Aubameyang feiert sein erstes Tor gegen Lissabon - nach Abpfiff wurden seinem Champions-League-Konto drei Treffer gutgeschrieben.

(Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty)

An diesem Abend gegen Lissabon, als er in der Mixed Zone unter Dortmunds Osttribüne seinen Ball festhielt, war er am anderen Ende der Gemüts-Skala, irgendwo in Everest-Höhenlagen. 28 Mal hat Aubameyang nun in seinen 31 Pflichtspielen der Saison ins Tor getroffen. Aber man merkt ihm an, dass das Erreichen eines Viertelfinales der Champions League für ihn noch keine Selbstverständlichkeit ist. Trotz seiner modischen Marotten und seiner flamboyanten Auftritte ist der 27-Jährige vor allem verliebt in die eigene Toresammlung. Ein schwarzer Tag wie beim Hinspiel trifft ihn ins Mark. Die Erleichterung, den BVB mit drei Treffern ins Viertelfinale geschossen zu haben, war ihm anzumerken.

Kühl berechnend ist Aubameyang eher nicht. So sicher, wie er auf dem Spielfeld einen Instinkt für kluge Laufwege und den richtigen Platz zur richtigen Zeit hat, so gefühlsmäßig setzt er seine gelegentlichen Wechsel-Gelüste in den Raum; es scheint sein spezieller Weg zu sein, sich an die nächste Gehaltserhöhung heranzutasten.

Regelmäßig erzählt er irgendwo, dass er seinem (spanischen) Großvater auf dem Sterbebett versprochen habe, eines Tages für Real Madrid zu spielen. Kaum einer glaubt aber in Dortmunds Chefetage, dass das allzu ernst gemeint ist. "Ich denke, dass Auba überhaupt nur bei zwei oder drei Vereinen ins Nachdenken käme", sagte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke kürzlich. Doch Reals Trainer Zinédine Zidane hat bislang jedes Interesse an dem Dortmunder bestritten. Und in Barcelona haben sie Messi, Neymar und Suarez. Aubameyang hat beim BVB außerdem einen Vertrag bis 2020 unterschrieben, bei seinem Gehalt aber könnte in der Tat Luft nach oben sein, weil er nicht so bezahlt wird wie die Spitzenverdiener Marco Reus oder Mario Götze. Angewiesen auf eine Trillionen hohe Ablösesumme ist der BVB nicht.

Vor Anpfiff erinnerten die Fans an jene magische Nacht gegen Benfica aus dem Jahr 1963

Schon vor dem Spiel hatten die Fans der Südtribüne appelliert, dass Geschichte sich gefälligst zu wiederholen habe. Mit einer atemberaubenden Choreografie sorgten die Organisatoren für eine Erinnerung ans letzte Spiel des BVB gegen Benfica. Auch das war ein Achtelfinale der Champions League, die damals noch "Europapokal der Landesmeister" hieß. Deutsche Vereine waren, wenige Monate nach Einführung der Bundesliga, noch keine großen Nummern. Aber am 4. Dezember 1963 schoss der BVB die Weltklasse-Elf von Benfica mit 5:0 aus dem Wettbewerb. Auf riesenhaften Plakaten zeigte die Choreografie nun Zeitungsseiten von damals, mit Schlagzeilen wie "Niedergespielt!". Damals gelang Mittelstürmer Franz Brungs ein Hattrick für den BVB, dieses Mal Aubameyang. Nur das genaue Resultat ließ sich offenbar nicht wiederholen. Die Schlagzeilen aber ließen sich gut recyceln, angesichts des Wirbels, den nicht nur Aubameyang entfachte, sondern auch die Teenager Pulisic, 18, und Dembélé, 19, der starke Verteidiger Marc Bartra oder die wirbelnden Außen Erik Durm und Marcel Schmelzer.

Borussia Dortmund – B. Lissabon  4:0 (1:0) / 0:1

Dortmund: Bürki - Piszczek, Sokratis (88. Ginter), Bartra - Weigl - Durm, Castro, Dembélé (81. Kagawa), Schmelzer - Aubameyang (86. Schürrle), Pulisic. - Trainer: Tuchel

Benfica: Ederson - Semedo, Luisao, Lindelöf, Eliseu - Samaris (74. Zivkovic), Pizzi - Salvio (64. Jonas), Almeida - Mitroglou, Cervi (82. Jimenez). - Trainer: Vitoria

Tore: 1:0 Aubameyang (4.), 2:0 Pulisic (59.), 3:0 Aubameyang (61.), 4:0 Aubameyang (85.)

Schiedsrichter: Atkinson (England)

Gelbe Karten: Castro, Dembélé, Piszczek - Samaris (3)

Zuschauer: 65 849 (ausverk.)

Erst am Freitag nächster Woche werden die Dortmunder ihren Viertelfinal-Gegner zugelost bekommen. Manche scherzten an diesem Abend schon, dass dem BVB diesmal bitte Matthias Sammer als Los-Fee erspart bleiben möge. Der hatte neulich Bayern München fürs DFB-Pokal-Halbfinale ein Heimspiel gegen Dortmund beschert - einen Sieg gegen Nachholspiel-Gegner Lotte vorausgesetzt. Außerdem treffen die Bayern und der BVB bald auch in der Bundesliga aufeinander. "Gegen die Bayern", sagte Marcel Schmelzer also, "möchten wir nun wirklich nicht kommen. Wir hätten dann in ungefähr 20 Tagen vier Spiele gegen sie. Dann doch lieber mal irgendwo hinfahren, wo wir noch nicht so oft waren." Auf die schöne Universitätsstadt Leicester könnte man sich gut einigen.

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