Borussia Dortmund:Ruhe im Zentrum des Sturms

Borussia Dortmund coach Thomas Tuchel

Hat eine turbulente Woche hinter sich: BVB-Trainer Thomas Tuchel.

(Foto: Michaela Rehle/Reuters)
  • Der BVB liefert in Augsburg ein typisches Dortmunder Spiel an: Gut, aber nicht gut genug für einen Auswärtssieg.
  • Das Team von Thomas Tuchel hat nun zwei Endspiele: Zu Hause gegen Bremen und in Berlin gegen Frankfurt um den DFB-Pokal.
  • Julian Weigl bricht sich das Sprunggelenk und wird lange ausfallen.

Von Sebastian Fischer, Augsburg

Eigentlich gibt es genug Bilder von ihm. Tuchel lächelnd oder leidend, Tuchel zögernd oder zaudernd, Tuchel jubelnd oder jammernd - alles schon mal da gewesen in seinen zwei Jahren bei Borussia Dortmund. Und doch stand das Dutzend Fotografen am Samstag im Halbkreis um die Dortmunder Auswechselbank, als in Augsburg die beiden Trainer einliefen. Vor der Bank seines Kollegen Manuel Baum, dessen Mannschaft ja immerhin ein entscheidendes Spiel im Kampf gegen den Abstieg absolvierte, stand erst mal niemand.

Thomas Tuchel im Mittelpunkt, das war vor dem Spiel so, das wird wohl auch noch zwei Wochen so bleiben. Nach dem 1:1 ist es noch immer offen, ob der BVB am Ende Platz drei und damit die direkte Qualifikation für die Champions League erreicht. Es ist offen, wie einer der meist beachteten Trainer in Deutschland diese Saison beendet - und womöglich, wahrscheinlich, seine zwei Jahre währende Station in Dortmund.

Er hätte vor dem Spiel durchaus die Gelegenheit gehabt, den Streit mit Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, der seit Tagen die Wahrnehmung des BVB prägt, zumindest in der Öffentlichkeit weiter ein wenig zu beruhigen. Doch Tuchel verneinte am Freitag die Frage, ob ein inzwischen ein klärendes Gespräch mit Watzke stattgefunden habe, der in einem Interview mit der WAZ vor einer Woche den "klaren Dissens" mit dem Trainer seit dem Anschlag auf den BVB-Bus vor einem Monat zugegeben hatte. Ein Spieltag, sagte Tuchel am Samstag, sei ein guter Tag: "Da sind wir maximal abgelenkt." Abgelenkt von Unstimmigkeiten zwischen Trainer und Vorstand, die seit Jahren nicht mehr so groß waren in Dortmund.

Am Spieltag also galt es den Beweis anzutreten, dass diese Unstimmigkeiten die Mannschaft nicht entscheidend benachteiligen auf dem Weg auch zum DFB-Pokalfinale in zwei Wochen; dass die Beziehung zwischen Trainer und Spielern nicht ebenso ramponiert ist wie die zwischen Tuchel und Watzke. Womöglich gingen Tuchel nach 28 Minuten schon ein paar mögliche nächste Überschriften durch den Kopf, jedenfalls stand er nach dem Augsburger Führungstreffer durch Alfred Finnbogason alleine vor seiner Bank, die Arme verschränkt. Das Gegentor war ja durchaus eines, was taktischen Vorgaben anzulasten war. Denn die Dortmunder Abwehr stand zu weit vorne bei dem Befreiungsschlag des Augsburger Torhüters Andreas Luthe, sie wurde überlaufen vom Augsburger Verteidiger Philipp Max, nach dessen Schuss Finnbogason einen Abpraller nutzte.

"Wenn ich meine Mannschaft so spielen sehe, dann geht es mir gut."

Doch der BVB war nur vier Minuten lang im Rückstand und damit auf Platz vier der Tabelle hinter Hoffenheim zurückgefallen. Danach lieferte immerhin der sportliche Auftritt in Augsburg keine Indizien für einen Dissens. 77 Prozent Dortmunder Ballbesitz, 57 Prozent gewonnene Zweikämpfe, 87 Prozent erfolgreiche Pässe - Tuchel las hinterher zufrieden die Spielstatistik. "Wenn ich meine Mannschaft so spielen sehe, dann geht es mir gut", sagte er. Er grinste sogar ein paar Mal das typische Tuchel-Grinsen: Seine Mannschaft hatte gespielt, wie er sich das vorstellt, auch wenn sie in der zweiten Halbzeit viele Gelegenheiten zum Führungstreffer vergab. Und so war es gewissermaßen ein typischer Dortmunder Auftritt für diese Saison: gut, aber nicht ganz gut genug. Tuchel, das ist ja einer der großen Streitpunkte in der Beziehung zu seinem Chef, hatte die hohen Erwartungen seines Vorgesetzten Watzke an die junge Mannschaft oftmals als absurd dargestellt.

Nach dem 1:1 durch Pierre-Emerick Aubameyang in der 32. Minute war zumindest das Unentschieden nie mehr in Gefahr, und damit die Ausgangslage vor dem Heimspiel gegen Bremen am 34. Spieltag, in dem der BVB nun einen Sieg braucht, um Platz drei zu verteidigen. "Wir haben zwei Endspiele, eins in Dortmund, eins in Berlin", sagte Tuchel.

Für beide Endspiele, das war die einzige definitive Aussage nach dem Auftritt in Augsburg, wird Julian Weigl ausfallen. Der jugendliche Lenker des BVB-Spiels, ausgerechnet Tuchels ganz persönliche Entdeckung der Saison, musste nach 20 Minuten ausgewechselt werden, er war nach einem Schubser von Philipp Max im Rasen hängen geblieben. Es sei ein Knacken zu hören gewesen, berichteten die Mitspieler, die spätere Diagnose ergab: Rechtes Sprunggelenk gebrochen, Gips bis zum Knie, drei bis vier Monate Pause.

Tuchel schwärmte von Weigl und sagte, es werde schwer, eine Lösung zu finden, ihn zu ersetzen. Doch wenn man seinen Worten Glauben schenkt, dann wird er sich in den kommenden Tagen vor allem damit beschäftigen, diese Lösung zu finden - und mit wenig bis nichts anderem. Nicht mit seinem Chef Watzke, nicht mit den Spekulationen um neue Dortmunder Trainer, nicht mit dem Gerücht, dass Tuchel schon ein Kandidat in Leverkusen ist. Nur mit Fußball und dem Ziel, die Champions League zu erreichen und einen Titel zu gewinnen, den DFB-Pokal. Tuchel sagte: "Oftmals ist es im Zentrum des Sturms am ruhigsten." Dort also, wo er sitzt.

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