Borussia Dortmund:Paradiesvogel flattert nach Mailand

Training Borussia Dortmund

Zurück im Spiel: Pierre-Emerick Aubameyang am Tag nach seiner Verbannung auf die Tribüne beim Training mit Thomas Tuchel (links).

(Foto: Guido Kirchner/dpa)

Eigentlich gilt Pierre-Emerick Aubameyang beim BVB als pflegeleichter und beliebter Spieler. Sein nicht genehmigter Blitz-Trip samt Lüge führte zur Suspendierung gegen Lissabon.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Der Mann auf den VIP-Plätzen stahl irgendwie dem kompletten Spiel die Schau. Im grauen Wollmantel, mit hochgeschwungenem Kragen und auf dem Kopf ein Borsalino im Humphrey-Bogart-Look - ganz klar: Pierre-Emerick Aubameyang kann alles tragen. Aber er kann sich offenbar nicht alles erlauben.

Wegen eines nicht genehmigten Kurztrips am Montag nach Mailand versetzte Borussia Dortmunds Chefcoach Thomas Tuchel den modebewussten gabunischen Nationalspieler aus der Startelf auf die Tribüne. Aubameyang musste todschick, aber tatenlos den Kollegen zusehen, wie sie mit dem 1:0 gegen Sporting Lissabon schon am vierten Spieltag der Champions-League-Gruppe den Einzug ins Achtelfinale klar machten.

Das Tor des Abends gelang früh Adrian Ramos, also dem Ersatzmann für Aubameyang. Viel mehr war über das Spiel kaum zu sagen. Über weite Strecken beherrschte Dortmund den portugiesischen Meisterschafts-Zweiten auf niedriger Temperatur, ohne besonderen Unterhaltungswert fürs ausverkaufte Stadion. Hier und da ein Kabinettstückchen von Mario Götze oder Raphael Guerreiro, dazu Abwehrchef Marc Bartra mit souveräner Leistung. Ansonsten: Sparflamme.

Energiemathematisch gesehen war das richtig, denn warum am Mittwoch mehr Kräfte vergeuden als nötig, wenn es am Samstag zum Angstgegner der vergangenen Jahre geht, zum strauchelnden Hamburger SV. Den sonst so begeisterungswilligen BVB-Fans aber schien es nach einer Weile so vorzukommen, als wären sie in einer Inszenierung von "Warten auf Godot" gelandet, obwohl sie Tickets für Atze Schröder gekauft hatten.

Die Tabelle führt Dortmund vor Real Madrid an, das sich bei einem 3:3 im leeren Stadion von Legia Warschau eine Blöße gab. Warschau war vom Europaverband Uefa zu einem Geisterspiel verdonnert worden, wegen Zuschauer-Ausschreitungen am ersten Spieltag beim 0:6 gegen Dortmund. Der BVB kann sich nun Hoffnungen auf den Gruppensieg machen, der im Duell mit Real schon 2012/13 gelang.

Aubameyang hüllte sich vor und nach dem kühl heruntergespielten Sieg nicht nur in seinen topmodischen Mantel, sondern auch in Schweigen, ebenso schwiegen Mitspieler und Klubmanagement. "Interne Gründe" habe es für die Suspendierung gegeben. Diese sei "sehr schwer gefallen", ließ Tuchel wenig überraschend wissen, Aubameyang sei schließlich "ganz klar unser Stürmer Nummer eins".

Schon am Donnerstagmorgen kehrte Dortmunds Beau ins Training zurück, in Hamburg wird er wieder spielen. Dass Aubameyang aus dem Kader gestrichen würde, hatte Tuchel bereits am Dienstag auf der Teamsitzung mitgeteilt, mit Bitte um Diskretion. Aubameyang gilt eigentlich als pflegeleichter Spieler, bei dem sich allerdings das Kind im Manne häufig durchsetzt.

Beim Geburtstag eines Neffen?

Intern gibt es in Dortmund die Richtlinie, wie bei anderen Champions-League-Klubs auch, dass in sogenannten englischen Wochen keine aufwendigen Kurzreisen unternommen werden. Es sei denn, der Trainer stimmt zu. Mailand, wo Aubameyang als Jugendspieler und Profi beim AC Milan unter Vertrag stand, wird vom Dortmunder Flughafen aus nicht direkt angeflogen. Der Reiseaufwand bis in die Mailänder City liegt deshalb selbst bei günstigen Bedingungen nicht unter vier Stunden - pro Strecke. Nicht gerade das, was ein strapazierter Fußball-Profi an seinem freien Tag unternehmen sollte.

Zudem schaffte es Aubameyang angeblich nur haarscharf zum Dienstagstraining. Mailands Flughäfen Linate und Malpensa sind berüchtigt für ihre Nebelanfälligkeit und die damit verbundenen Verspätungen. Spaßvogel Aubameyang hatte zu seiner Entschuldigung offenbar gesagt, er habe "beim Geburtstag eines Neffen" dabei sein wollen. Freunde, die ihn offenbar nach Mailand begleiteten, hatten aber unvorsichtigerweise schon am Montagnachmittag ein Belegfoto auf Facebook gepostet. Von einem kleinen Neffen keine Spur.

Tuchels Disziplinarmaßnahme fand offenbar auch im Mannschaftskreis und im Umfeld Zustimmung. "Es war an der Zeit", ließ einer wissen, ohne genannt werden zu wollen. Sein Paradiesvogel-Image hindert Aubameyang zwar normalerweise nicht daran, sehr ernsthaft zu arbeiten, aber häufige Ausflüge nach Paris, zum Shopping und zum Haareschneiden hatten dem 27-Jährigen bereits einschlägige Ermahnungen eingebracht.

Am Sonntag hatte die Mannschaft eine Halloween-Party bei Kapitän Marcel Schmelzer gefeiert. Doch die Fete in den Horror-Outfits wurde vom BVB problemlos gutgeheißen. Aubameyang, der im Teamkreis allgemein beliebteste Spielkamerad, hätte es im Nachhinein wohl gerne bei Schmelzers Gespenster-Party belassen. "Nichts trifft Auba mehr, als wenn er nicht spielen und vor allem keine Tore schießen kann. Das ist für ihn schlimmer als jede Geldstrafe", sagt ein Insider.

Einer immer wieder angekündigten baldigen Trennung vom begehrten Torjäger erteilte BVB-Boss Hans-Joachim Watzke übrigens schon vor dem Spiel eine Absage: "Wir können nicht täglich alles dementieren, was irgendwo behauptet wird. Auba hat einen Vertrag bis 2020. Wir haben jetzt 2016. Damit ist doch alles gesagt."

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