Bundesliga: Nuri Sahin:Dortmunds Bester

Mit seinem unverschämt abgeklärten Spiel steht Nuri Sahin stellvertretend für Dortmunds Stärke. Vor dem Derby gegen Schalke könnte der Türke deshalb großspurig daher reden - doch er tut es nicht.

Ulrich Hartmann

Man darf vom derzeit besten Fußballer der Bundesliga keine Euphorie erwarten. Meisterschaft, Millionenwechsel, Real Madrid? So einer ist Nuri Sahin nicht. Wenn der 22-jährige Türke so verhalten Fußball spielen würde, wie er sich über Titel und Träume in Dortmund äußert, dann säße er jeden Samstag auf der Ersatzbank. Aber weil es genau anders herum ist, erfüllt er die Erwartungen seines Vereins Borussia Dortmund perfekt.

Nuri Sahin

Unverschämt abgebrüht: Nuri Sahin.

(Foto: AP)

Er spielt wie ein junger Gott und spricht wie ein alter Hase: abwiegelnd und unaufgeregt. "Natürlich träumen die Menschen in Dortmund vom Titel", sagt Sahin, "aber wir Spieler müssen uns konzentrieren, immer wieder neu, auf jedes einzelne Spiel."

Die Rolle des Maulhelden übernehmen beim einsam die Tabelle anführenden Titelfavoriten Borussia Dortmund andere. Kevin Großkreutz zum Beispiel, genauso jung und am Ball in diesen Wochen auch blendend aufgelegt, hegt treue Kontakte zum Boulevard und lässt sich darin gerne mit provokanten Thesen abdrucken. Die jüngste vor dem großen Derby an diesem Freitag gegen Schalke 04: "Wir verlieren in der Rückrunde kein Spiel mehr!"

Solche Sätze gäbe es von Nuri Sahin nie. Wenn man ihn fragt, ob die Meisterschaft mit elf Punkten Vorsprung und angesichts der brillanten Verfassung der Mannschaft nicht doch wahrscheinlich erscheint, hält er erst mal inne. Sahin überlegt, wie er das jetzt überzeugend dementieren kann und sagt dann, um nichts Falsches zu sagen, genau jenen Satz, den alle Fußballer sagen, wenn sie nichts Falsches sagen wollen: "Wir denken von Spiel zu Spiel."

Nuri Sahin ist neulich zum besten Bundesliga-Spieler der Hinrunde gewählt worden, und was diese Wahl besonders macht, ist die Tatsache, dass da nicht Passanten in der Dortmunder Fußgängerzone abgestimmt haben, sondern alle Profis der Bundesliga. Wenn man Sahin nach seiner derzeitigen Form befragt, betont er hingegen schon wieder eine gewisse Skepsis und beschreibt sich kokett wie den Ersatzspieler eines Mittelklasseteams.

"Ich muss torgefährlicher werden und meine Offensiv-Kopfbälle noch genauso verbessern wie die Zweikämpfe und das Passspiel - ich habe noch Luft nach oben." Er sei, sagt Sahin, ja aber auch erst 22 Jahre alt. "Wär' ja schlimm, wenn ich schon am Maximum wäre. Das ist in dem Alter vielleicht nur der Messi."

Wenn Sahin das so sagt, in seiner unaufgeregten Art, dann steckt da zwar auch Understatement mit drin, aber es entspricht auch seinem Charakter. Der in Lüdenscheid geborene und im benachbarten Meinerzhagen aufgewachsene Türke ist das Gegenteil etwa eines Kevin-Prince Boateng. Sahin ist ein sehr höflicher Mensch, der den Eindruck vermittelt, lieber nicht interviewt werden zu wollen.

Sechs Millionen für Sahin ein Witz

Seine Unaufgeregtheit zeigt er trotz seiner Jugend auch auf dem Platz und ist damit der Beispiel gebende Anführer dieser jungen und gleichwohl so gerissen spielenden Dortmunder Mannschaft. 2005, mit 16 Jahren, hat sich Sahin als jüngster Bundesligaspieler, jüngster Bundesligatorschütze, jüngster türkischer Nationalspieler und jüngster Torschütze im türkischen Nationalteam gleich mehrfach in die Geschichtsbücher eingetragen.

Heute leitet er von seiner Position im linken defensiven Mittelfeld aus jene Mannschaft, den derzeit mit Abstand den schönsten Bundesligafußball spielt. Und wenn man ihn danach fragt, warum die Borussia so einen schönen Fußball spielt, dann fallen ihm neben dem großen Talent fast aller Dortmunder Spieler vor allem zwei Gründe ein: der Teamgeist und der Trainer.

"Bei uns herrscht ein Teamspirit, wie ich ihn selten erlebt habe - also, eigentlich noch nie", sagt Sahin. "Wir sind alle im gleichen Alter, wir haben ähnliche Interessen, wir gehen abends zusammen in die Therme oder essen, und natürlich spielen wir zusammen Fußball auf der Playstation." Erfolgreicher Fußball, sagt Sahin, sei nicht zwingend davon abhängig, dass die Spieler sich auch privat miteinander verstünden, aber es erleichtere die Sache doch ungemein. "Es ist einfacher, für den anderen zu rennen, wenn der ein paar Minuten vorher auch für dich gerannt ist", sagt Sahin.

Dieser Freundeskreis wird vor allem von einem Mann zusammengeschweißt, über den Sahin sagt: "Man könnte ihn von jetzt auf gleich in einen Raum mit 500 Leuten stecken und er würde sie alle bestens unterhalten": der Trainer Jürgen Klopp. Klopps rhetorisches Talent ist bekannt, und genau damit zieht er seine jungen Spieler in den Bann. "Er lebt uns alles vor, motiviert uns immer wieder dadurch, dass er selbst total motiviert ist; er findet in seinen Ansprachen immer genau die richtigen Worte und achtet auf jedes kleinste Detail", schwärmt Sahin. Wie der junge Türke sich über seinen Trainer äußert, geht über die üblichen Schmeicheleien in der Branche hinaus. "Bei diesem Trainer", sagt Sahin, "hast du keine Alibis."

Wenn jemand so spielt wie Sahin, scheint er auf dem Sprung zu einem großen Klub im Ausland zu sein. Sein Vertrag läuft bis ins Jahr 2013, aber eine Ausstiegsklausel soll ihm erlauben, im Sommer für eine Summe von sechs Millionen Euro zu gehen. Sechs Millionen Euro wären für einen wie Sahin ein Witz.

"Sahin ist ein großes Talent, aber ich rate ihm, noch ein paar Jahre in Dortmund zu spielen, denn dieser Klub tut ihm gut", hat zuletzt der Niederländer Guus Hiddink gesagt, der neue Trainer des türkischen Nationalteams. Sahin selbst gießt natürlich kein Öl ins Feuer. "Das ist für mich noch weit weg", sagt er auf die Frage, in welchem Land er gerne einmal spielen würde. Euphorie darf man von Nuri Sahin nicht erwarten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: