Borussia Dortmund in der Champions League:Schwerstarbeit mit Rechenschieber

Robert Lewandowski

Robert Lewandowski: Soll gegen Neapel für viele Tore sorgen

(Foto: dpa)

Borussia Dortmund stehen entscheidende Tage in der Champions League bevor. Der BVB kann noch Gruppenerster werden - theoretisch aber auch Letzter. Gegen den SSC Neapel kämpft das Team um sein gerade erst wiedererobertes Renommee in Europa.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

In guten Zeiten gibt es auf den Jahreshauptversammlungen des Ballspielvereins Borussia aus Dortmund nur eine wirkliche Frage: Was ist wichtiger für das Wohlbefinden der anwesenden Mitglieder? Die westfälische Erbsensuppe mit Wurst - oder die vollzählige Anwesenheit der Profimannschaft? Sonntag war es wieder so weit. Zweieinhalb Tage vor dem gespenstisch wichtigen Champions-League-Spiel gegen den SSC Neapel und eine Nacht nach dem 0:3 gegen den FC Bayern saß der BVB-Kader in Ausgehanzug und mit Krawatten in der ersten Reihe - und amüsierte sich über Rede und Gegenrede.

Der frenetische Applaus für die Spieler stellte die Begeisterung für die Erbsensuppe klar in den Schatten. Das war beim BVB nicht immer so. Auch wenn die im Deutschen noch unsicheren Neuen, Henrikh Mkhitaryan und Pierre-Emerick Aubameyang, eher aus Höflichkeit bei den Pointen mitlachten - die Stimmung im Klub erinnert nach vier Jahren des Höhenflugs zurzeit an tanzende Funkenmariechen im Karneval: Dauergrinsen, Mitklatschen, Zuprosten.

Den Ernst der Lage dürfte den Spielern ihr ebenfalls im eleganten Sonntags-Zwirn gekommener Trainer zuvor verdeutlicht haben: "Ich habe meinen Spielern fünf Minuten für Depressionen gegeben, danach geht's wieder weiter", hatte Jürgen Klopp nach dem frustrierenden Bayern-Spiel als Kampfparole ausgegeben. Vorstandschef Hans-Joachim Watzke appellierte am Rednerpult: "Am Dienstag müssen wir alles geben, um weiterzukommen, und unsere Mannschaft wird auch alles geben."

Der BVB hat sich gerade erst in der besseren Gesellschaft des europäischen Fußballs zurückgemeldet, mit dem Erreichen des deutschen Finales von Wembley. Ein Scheitern in der Gruppenphase - gegen die Mittelschwergewichtler Arsenal und Neapel - wäre da ein herber Rückschlag. Auch wenn Watzke vorsorglich schon versichert hat: "Europa League, möglichst lange dann natürlich, wäre kein Beinbruch."

Das "Projekt Dortmund" braucht die Champions League

Dann eben die Europa League zu gewinnen und Bundesliga-Zweiter zu werden - diese Ziele wären immer noch akzeptabel. In Wahrheit aber wäre ein frühes Aus in der Champions-League ein viel schlimmeres Malheur für das "Projekt Dortmund", als es jede Niederlage gegen Bayern München sein kann. Durch zwei Niederlagen (in Neapel, gegen Arsenal) und zwei Siege (bei Arsenal, gegen Marseille) hat der BVB bisher sechs Punkte, drei weniger als Arsenal und Neapel.

Das bedeutet noch nicht allzu viel, Dortmund kann noch Gruppenerster werden - theoretisch aber auch Letzter. Das Reglement der Uefa ist speziell und führt zu beinahe endlosen Eventualitäten. Denn bei Gleichstand von zwei Mannschaften zählt der direkte Vergleich, und beim - in dieser Gruppe gut möglichen - Gleichstand von drei Mannschaften würde eine Sondertabelle erstellt, die alle Spiele dieses Trios untereinander berücksichtigt. Im Torverhältnis zählen bei Gleichstand die mehr erzielten Treffer. Noch aber weiß man nicht, ob Arsenal, Neapel und Dortmund tatsächlich punktgleich ankommen.

Im Zweier-Direktvergleich gegen Arsenal (2:1 und 0:1) liegt Dortmund um ein mehr erzieltes Auswärtstor vorne, das ist endgültig. Im Direktvergleich gegen Neapel würde schon ein 1:0 am Dienstag reichen (Hinspiel 1:2). Neapel wiederum wäre bereits mit einem Unentschieden in Dortmund im Achtelfinale, denn der BVB könnte dann maximal noch auf dieselbe Punktzahl kommen, wäre aber im direkten Vergleich schlechter.

Andererseits kann Dortmund sogar nur Dritter werden, selbst wenn die beiden letzten Spiele gewonnen werden: gegen Neapel und am 11. Dezember beim Gruppenletzten Marseille. Denn Neapel könnte durch einen Sieg gegen Arsenal noch auf zwölf Punkte kommen, die Arsenal vielleicht schon am Dienstag hat (bei einem Sieg gegen Marseille). Dann würden, siehe oben, nur die Spiele der drei Punktgleichen gegeneinander greifen. Auch mit anderen Ergebnissen kann es zu diesem Dreier-Gleichstand kommen.

Nicht nur deshalb gilt, dass die BVB-Offensive am besten viele Tore schießen sollte gegen Neapel - Arsenal hat gegen Neapel sein Heimspiel 2:0 gewonnen. Wenn Dortmund übrigens am Ende auch nach Toren exakt gleich mit einem oder zwei Rivalen dasteht, käme jener Klub ins Achtelfinale, der den besseren Uefa-Koeffizienten (aus Erfolgen der vergangenen Jahre) hat. Hier läge der BVB vor Neapel, aber hinter Arsenal. Angesichts dieser mathematischen Schwerstarbeit ist es vielleicht das Beste, wenn Jürgen Klopp seinen Spielern die schlichteste aller Beckenbauer-Weisheiten mit aufs Feld geben würde: "Geht's raus, spielt's Fußball." Abgerechnet wird hinterher.

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