Borussia Dortmund:Hummels hört die Uhr ticken

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  • Das Pokal-Halbfinale gegen Hertha am Mittwochabend ist Dortmunds letzte Chance auf einen Titel.
  • Ausgerechnet jetzt überlegen wichtige Stützen wie Mats Hummels, ob der BVB noch der richtige Verein für sie ist.
  • "Um Mats werde ich kämpfen, wie ich noch nie um einen Spieler gekämpft habe", sagt BVB-Boss Hans-Joachim Watzke.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Der Schmerz war selbst zu Wochenbeginn noch immer nicht verflogen. Liverpool! 3:4! Die Europa-League-Trophäe hatte sich nicht nur Mats Hummels schon in der Vereins-Vitrine vorgestellt. Aber das wird nun ja nichts. Der DFB-Pokal ist für Borussia Dortmund eine Art letzte Chance.

Für den BVB-Kapitän waren es harte Tage: Vor gut einer Woche die Gewissheit, dass Bayern München in der Meisterschaft nicht mehr einzuholen sein wird. Dann das Nachspielzeit-Desaster an der Anfield Road. Hummels hat ziemlich unverblümt bekannt gegeben, dass er über die anstehende Vertragsverlängerung in Dortmund noch heftig nachdenken müsse. Mit 27 Jahren hören ehrgeizige Fußballer heutzutage schon die biologische Uhr ticken - und wenn sie dann die Titel durch die Hände gleiten sehen, kommen sie erst recht ins Grübeln.

Vielleicht geht es deshalb am Mittwochabend im Pokal-Halbfinale bei Hertha BSC um mehr als den Finaleinzug. Für Hummels geht es offenbar gerade um eine Lebensentscheidung: Soll er noch mal woanders einen Anfang machen, an einem Ort, an dem einem Titel leichter fallen als in Dortmund - oder soll er die ganzen Profi-Laufbahn beim demselben Verein bleiben?

In Dortmund kennen sie diese Überlegungen. Kein Spieler im BVB-Kader gilt als unverzichtbar - bis auf Hummels. Auf hohem Niveau ließe sich vielleicht ein Innenverteidiger als Ersatz finden, sogar einer, der etwas vom Spielaufbau versteht. Aber gerade in Liverpool hat Hummels wieder bewiesen, dass er die Galions- und Integrationsfigur des ganzen Projekts ist, das Hirn und die Seele.

"Um Mats werde ich kämpfen, wie ich noch nie um einen Spieler gekämpft habe", sagt BVB-Boss Hans-Joachim Watzke. Aber Hummels ist eben Hummels. Ein eigenständiger und eigenwilliger Typ, dem man mit gutem Zureden nicht unbedingt beikommen kann; einer, der seine Entscheidungen mit sich selbst ausmacht.

Vor dem Halbfinale gegen die Hertha dreht sich deshalb viel um die Zukunft beim BVB. An Ilkay Gündogan, von dem es heißt, dass er in diesem Jahr wirklich seinen Abschied nehmen und zu Manchester City wechseln will, kommt man als Vereins-Boss auch nicht gerade leicht heran. Aber sein Spielertyp wird von den Scouts für eher ersetzbar gehalten. Und für die innere Balance der Mannschaft spielt Gündogan keine so große Rolle.

Und bei Henrikh Mkhitaryan und Marcel Schmelzer ist der BVB optimistischer, was deren Bleiben angeht - wäre da eben nur nicht der ebenfalls 2017 auslaufende Vertrag von Hummels. Der Kapitän hatte sich in den letzten Jahren immer wieder öffentlich gewundert, wie Mitspieler nur das "Projekt Dortmund" verlassen konnten. Die abgewanderten Sahin und Kagawa sind längst zurück, für die durchaus mögliche Rückkehr von Mario Götze vom FC Bayern zum BVB hat sich Hummels schon stark gemacht.

Generell aber wissen sie bei Borussia Dortmund ohnehin, dass die Weiterentwicklung von Mannschaft und Klub anmutet wie eine endlose Flucht nach vorn. "Die Sponsorenwelt", sagt Watzke, "hat sich in den letzten Jahren geändert. Die ganz großen Etats bekommen nur noch die Top-Ten-Vereine in Europa. Wir werden im Moment offenbar dazugezählt. Schon deshalb müssen wir dranbleiben." Deshalb stehen etwaige Verkäufe von langfristig gebundenen Spielern wie Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang oder Marco Reus (Verträge bis 2020 und 2019) auf dem Index; angeblich bei jeder noch so fabelhaften Ablösesumme.

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Das Erreichen der Champions League ermöglicht dem BVB weiteres Umsatzwachstum und damit Investitionen in die Mannschaft. Rein wirtschaftlich gesehen, ist Dortmund auf Spielerverkäufe nicht angewiesen. Im Gegenteil: Der BVB will und muss sich an allen Ecken und Enden bemühen, die Elf zusammenzuhalten und weiter zu verstärken.

Die Finanzmittel des FC Bayern, von Manchester City, Real Madrid und dem FC Barcelona wird Dortmund nie erreichen. Aber immerhin hat der Klub in den vergangenen Jahren Spieler wie Lewandowski, Kagawa, Aubameyang oder zuletzt Julian Weigl aus dem Hut gezaubert. In Person des 17-jährigen Christian Pulisic, dem am Sonntag beim 3:0 gegen den Hamburger SV sein erstes Bundesliga-Tor gelang, kündigt sich das nächste Talent an. Auch dem 20-jährigen Mikel Merino, den Dortmund im Sommer vom spanischen Zweitligisten Osasuna holt, trauen sie beim BVB schnell einen Durchbruch zu.

Bei Hertha BSC wird es am Mittwoch wohl nicht so leidenschaftlich zugehen wie zuletzt in Liverpool. Thomas Tuchels Truppe wird trotzdem mehr Robustheit brauchen, um nicht auch die dritte Titelchance dahingehen zu lassen. Ein Sieg noch, und es wäre im fünften Jahr Dortmunds fünfte Final-Teilnahme (viermal Pokal, einmal Champions League). Nur eines der Endspiele hat der BVB gewonnen. Nicht so gut für den Denkprozess von Mats Hummels. Aber wenn man mit Dortmund etwas gewinne, sagte er kürzlich mal, dann sei das "einfach unglaublich und durch nichts zu toppen"

© SZ vom 19.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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