Borussia Dortmund:André Schürrle fühlt sich wohl - trotz zweier "Auffahrunfälle"

Teampräsentation Borussia Dortmund

Fühlt sich beim BVB pudelwohl: André Schürrle

(Foto: dpa)

Der Nationalspieler deutet beim BVB an, dass die Offensive mit ihm noch unberechenbarer wird - auch wenn er bereits mit vier Stichen genäht werden musste.

Von Johannes Aumüller, Trier

Im Halbdunkel der Trierer Freiluft-Mixed-Zone konnte das Gesicht von André Schürrle leicht den Verdacht erzeugen, der Offensivspieler käme frisch vom Preisboxen auf dem Rummelplatz. Aber zugleich präsentierte er sich so entspannt, als habe er ein Wellness-Wochenende hinter sich.

Unter einem großflächigen Pflaster schimmerten silbern die Fäden hervor, die Folge eines Wirkungstreffers durch den gegnerischen Torwart. Eine blutende Wunde, vier Stiche, bald darauf die Auswechslung. Ihm sei "noch ein bisschen schwindlig", stellte Schürrle fest, aber auch das konnte den Neu-Dortmunder nicht daran hindern, dass er bei seinen Post-Pokalsieg-Betrachtungen im Trierer Moselstadion das Bild eines glücklichen Menschen vermittelte: "Ich fühle mich einfach pudelwohl."

Mit 3:0 (3:0) gewannen die Dortmunder am Montagabend den DFB-Pokal-Auftakt gegen Regionalligist Eintracht Trier. In der ersten Hälfte war es mehr als nur die obligate Pokal-Pflichterfüllung eines favorisierten Bundesligisten, in der zweiten drosselte der BVB das Tempo. Und Zugang Schürrle war in dieser Dramaturgie einer der Auffälligeren. Eine Beteiligung am 1:0 durch Doppel-Torschütze Shinji Kagawa (8./33.), ein Tor zum 3:0 (45.), eine überzeugende Leistung. Und dann waren da noch jene beiden "Auffahrunfälle", wie BVB-Trainer Thomas Tuchel den Tritt gegen den Oberschenkel und den Fausthieb gegen Schürrles Kinn bezeichnete: "Vor dem dritten wollten wir ihn bewahren, und deswegen haben wir ihn ausgewechselt."

In London war Schürrle Ersatz, in Wolfsburg enttäuschte er

Nun eignet sich ein Pokalkick beim Viertligisten nicht zur großen sportlichen Standortbestimmung, wohl aber zu einer atmosphärischen. Am Ende eines jeden Fußballsommers treten all die Zugänge vor die Mikrofone, die sich locker geben und die Chance loben, die ihnen der neue Klub gibt, die tolle Stimmung sowie all die anderen frischen Verheißungen. Gäbe es allerdings für diesbezügliche Vorträge eine Authentizitätswertung, hätte André Schürrle, 25, derzeit beste Aussichten auf eine vordere Platzierung.

Seit jener Flanke, die Mario Götze im Sommer 2014 das WM-Titel-bringende Siegtor gegen Argentinien ermöglichte, ist sein Berufsleben nicht wirklich erfüllend verlaufen. Beim FC Chelsea versetzte ihn Trainer José Mourinho in die zweite Reihe, und beim VfL Wolfsburg hatten sie sich nach seiner Verpflichtung im Januar 2015 auch ein paar umwerfendere Dinge erhofft als dargeboten (43 Liga-Spiele, zehn Tore).

Auf Götze lastet großer Druck - auf Schürrle eher weniger

Seit ein paar Wochen nun ist Schürrle in einem neuen Biotop, bei seinem alten Förderer Thomas Tuchel, der ihn schon vor Jahren in der A-Jugend des FSV Mainz zum Mitglied der Bruchweg Boys (mit Lewis Holtby und Adam Szalai) heranzog, die dann kurz die Bundesliga rockten. Und so war Schürrles bemerkenswerteste Szene des Pokal-Abends nicht sein Tor und auch nicht die Kombination aus erlittenem Fausthieb und anschließendem Vier-Stiche-Cut, sondern der Moment seiner Auswechslung. Auffallend lange stand er da am Seitenrand mit seinem Trainer, beide lachten und schäkerten wie zwei Lausejungen, die verbotenerweise in der Nacht ins Trierer Nordbad gegenüber dem Stadion eingestiegen waren. Schürrle so eng mit Mourinho? Oder mit Wolfsburgs Trainer Hecking? Schwer vorstellbar.

Es hat nicht wenige gewundert, dass der BVB für einen zuletzt schwächelnden Nationalspieler die klubinterne Rekord-Ablöse von 30 Millionen Euro abrief. Zumal die Personaldichte im offensiven Mittelfeld mit gestandenen Größen Marco Reus, Shinji Kagawa und Adrian Ramos, dem auch gegen Trier nicht eingesetzten FC-Bayern-Rückkehrer Mario Götze sowie den vielversprechenden Zugängen Ousmane Dembélé und Emre Mor ohnehin immens ist. Aber Tuchel hat seinen früheren Schützling in seinem Kader gewollt.

Tuchel wollte Schürrle mit Vehemenz

Rein rechnerisch gibt es jetzt drei Dutzend Möglichkeiten, wie sich Dortmunds Mittelfeld-Offensive künftig anordnen lässt. Und Stratege Tuchel wird all den Fußball-Mathematikern sicher beweisen wollen, dass er noch ein paar Optionen mehr kennt, bedingt auch durch den Faktor Schürrle: "Wir wollten ihn unbedingt, weil es kaum einen Offensivspieler gibt, der sich so sehr über die Defensive definiert und so ein kleines Ego hat."

Schürrles Ausgangslage ist gar nicht schlecht. Die Trainer haben eine klare Vorstellung davon, was sie von ihm erwarten können, mehr als bei Dembélé, 19, oder Mor, 19. Andererseits lastet auf Schürrle öffentlich weniger Erwartungsdruck als auf Götze. Er muss jetzt nur noch zeigen, dass er in neuer Umgebung unter vertrautem Trainer die durchwachsenen Jahre wirklich hinter sich lassen kann. Und das nicht nur in Trier, sondern an exponierteren Orten - wie am Samstag, wenn es zum Liga-Auftakt gleich gegen seinen früheren Klub Mainz geht.

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