Borussia Dortmund:Ein Herz für Feintechniker

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Drei satte Halbdistanzschüsse, drei Tore: Mittelfeldspieler Henrikh Mkhitaryan egalisierte im Spiel gegen Wolfsberg seine Ausbeute der Vorsaison. (Foto: Christof Koepsel/Getty Images)

Henrikh Mkhitaryan glänzt mit einem Europa-League-Hattrick - auch er profitiert vom neuen Dortmunder Spielstil.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Man wusste nicht recht, ob die umfangreiche Lobeshymne auf Henrikh Mkhitaryan mehr über den Spieler aussagte - oder mehr über den offenbar begeisterten Laudator Thomas Tuchel: "Musterprofi" war noch das Geringste, das Borussia Dortmunds neuer Trainer über den dreimaligen Torschützen beim 5:0-Sieg gegen den Wolfsberger AC sagte: "Es ist eine große, große Freude, mit ihm zu arbeiten", setzte Tuchel fort, Henrikh Mkhitaryans "Offenheit und Höflichkeit und sein Respekt vor allen Mitarbeitern hier und auch vor seinem eigenen Talent" seien bemerkenswert.

Der Hattrick von Mkhitaryan zum 3:0, 4:0 und 5:0 war vor 65 000 Zuschauern eine Art I-Tüpfelchen auf die Qualifikation des BVB für die Playoffs zur Europa League, die am 20. und 27. August nun als letzte Hürde vor der Gruppenphase stehen. Dabei trifft Dortmund auf den international bemerkenswert unbekannten Odds Greenland BK, der nicht, wie man denken könnte, in Grönland beheimatet ist, sondern in Norwegen.

Dortmunds Playoff-Gegner: Greenland - nicht aus Grönland

Mkhitaryan jubelte erst nach seinem dritten Treffer so richtig, als selbst Torwart Roman Weidenfeller über den ganzen Platz gestürmt kam, um dem in der Mannschaft überaus beliebten Armenier zu gratulieren. Dreimal hatte Dortmunds Zehner binnen 13 Minuten Maß genommen und Fernschüsse versenkt. Soviel Selbstvertrauen hat man von dem Tempodribbler und Balljongleur schon lange nicht mehr gesehen. Tuchel wollte zwar jede eigene Beteiligung an dem schon seit Wochen zu beobachtenden Höhenflug von Mkhitaryan von sich weisen, was diplomatisch sicher geschickt war. Dennoch ist seit Tuchels Amtsantritt zu sehen, wie sehr der neue BVB-Trainer vor allem die beiden Feinst-Techniker Mkhitaryan und Ilkay Gündogan ins Fußballer-Herz geschlossen zu haben scheint.

Beide danken Tuchel für die subtile, aber dauerhafte Rückendeckung mit einem enormen Form-Aufschwung. Zwar gehört es zur Etikette beim BVB, möglichst alle Vergleiche mit der extrem erfolgreichen Jürgen-Klopp-Ära abzuwehren. Es sagt aber schon einiges zwischen den Zeile aus, wenn man von Tuchel hört, dass "Mikki", wie sie Mkhitaryan rufen, "wie es kreative Menschen oft sind, sehr zurückhaltend und sensibel" sei - und dass man darauf eingehen müsse. Das scheint zumindest in der vergangenen Saison nicht so geklappt zu haben, als er von Selbstzweifeln zerfressen wirkte und nicht mehr viel ging.

Auch sonst wird derzeit gerne der neue Tuchel-Stil in Dortmund gepriesen, wenngleich jedes Lob für die neuen Verhältnisse immer auch ein wenig die vorherigen in der abgelaufenen Saison im Subtext kritisiert. Mkhitaryan selbst beantwortete nach dem 5:0 diplomatisch alle Fragen. Man fragt ihn auf Deutsch, er antwortet am liebsten auf Französisch und lässt übersetzen: "Ich will mich überall noch verbessern, Tore tun einem Fußballer immer gut, denn um Tore geht es ja bei diesem Spiel", sagte er. Auf eine bescheidene Art spricht derzeit Genugtuung aus Mkhitaryan, dem auch die Vorlage zum 1:0 gelang, genau wie im Hinspiel und im bemerkenswerten Test gegen Juventus Turin (2:0).

Mkhitaryan, Gündogan, Neuling Julian Weigl (1860 München), der durchspielen durfte, Hummels, die beiden Torschützen Marco Reus und Pierre-Emerick Aubameyang: Sie alle scheinen durch die neue Devise, viel Ballbesitz zu haben, die eigene spielerische Klasse besser auszuspielen - und es scheint ihnen besser zu gefallen. Selbst Marcel Schmelzer, bei Klopp eher als Arbeitsbiene als als Ballkünstler festgelegt, ist in bestechender Form, seit er positionell so weit vorne wie nie agiert. Henrikh Mkhitaryan steht also für einen ziemlich neuen Stil.

© SZ vom 08.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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