Borussia Dortmund:Der Böse ist der Andere

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Wie erklärt man dem Publikum, dass der Trainer weg muss, obwohl er Erfolg hat? Über den seltsamen Streit zwischen Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Cheftrainer Thomas Tuchel.

Kommentar von Claudio Catuogno

An Heiligabend Schluss machen ist für den Partner immer besonders verletzend. Erst noch mit aufgesetztem Lächeln die Geschenke einstreichen, um dann in den Lebkuchenduft hinein zu murmeln: Hey, Schatz, sorry, läuft doch eigentlich schon 'ne ganze Weile nicht mehr so mit uns ...? Nicht sehr barmherzig. Andererseits: Was, wenn es nun mal so ist? Die Gefühle weg, das Vertrauen zerrüttet. Das neue Jahr in Sichtweite wie ein Versprechen auf einen Neuanfang. Muss man dann nicht schleunigst auseinandergehen, Feiertag hin oder her?

So wie demnächst wohl Hans-Joachim Watzke und Thomas Tuchel.

Ob es am Samstagabend noch mal Geschenke gibt für den Vorstandschef und den Trainer von Borussia Dortmund, ist nicht ausgemacht. In jedem Fall ist alles bereitet für schwarz-gelbe Festtage: Ein Sieg im Pokalfinale gegen Eintracht Frankfurt wäre der erste Titel für den BVB seit 2012; für den immer noch jungen Trainer wäre es der erste überhaupt. Gefeiert würde nach der Rückkehr aus Berlin am Borsigplatz, bestimmt würde wieder der Slogan "Echte Liebe" einen Partybus zieren. Und Watzke müsste sich dann die Frage stellen, wie er das jetzt der Öffentlichkeit halbwegs plausibel erklären soll: dass der Trainer weg muss, dessen Handschrift dieser Erfolg trägt.

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Es ist wie bei jeder Entfremdung: Objektiv die Schuldfrage zu klären, ist längst unmöglich. Für die Beteiligten sowieso. Der Böse ist der Andere - wenn man sich mal eingerichtet hat in dieser Situationsanalyse, befördert das nicht gerade die Selbstreflexion. Klar ist: Viel kulminiert in jenem grauenvollen Abend im April, als neben dem BVB-Bus drei Bomben hochgingen. Tuchel saß in diesem Bus. Rechte Seite. Unterhalb seines Sitzes schlug ein Eisenteil ein. Watzke saß nicht im Bus, er musste das unpopuläre Krisenmanagement übernehmen: Uefa, Polizei, Bundeskanzlerin. Über die Frage, ob es zumutbar war, das Champions-League-Viertelfinale gegen AS Monaco schon am nächsten Tag nachzuholen, haben sich Tuchel und Watzke endgültig zerstritten.

Um Loyalitäten hat sich Tuchel irgendwann nicht mehr geschert

Es ist ein ungeheuerer, im Kern auch erstaunlich unsouveräner Vorwurf, der beim BVB die Runde macht: dass Tuchel den Anschlag instrumentalisiert habe, um sich auf Kosten seiner Chefs als Gutmensch und Spielerversteher zu profilieren. Das muss man erst mal denken von einem, der nur mit Glück unversehrt blieb - und der das Team dann so beieinanderhielt, dass es kurz darauf im Pokalhalbfinale die Bayern besiegte. Dass sich Tuchel nach dem Anschlag an Sprachregelungen nicht gebunden sah, dass ihn klubinterne Loyalitäten kaum scherten, das war andererseits auch offensichtlich. War da schon zu viel kaputt?

In den zwei Liga-Jahren unter Tuchel hat der BVB kein Heimspiel verloren. Trotzdem ist der Trainer den Eindruck nie losgeworden, dass die BVB-Gemeinde ihn, der seine Wurzeln in München hat, für einen Karrieristen auf Durchreise hält. Das hat ihn oft irritiert: kleine hingeworfene Frotzeleien am Rande. Wenn man es gut meint mit Tuchel, kann man es so sehen: Er hat es mit seiner oft verkopften Sperrigkeit einfach nicht zeigen können, wie sehr er sich mit diesem emotionsgetränkten Traditionsklub identifiziert. Wenn man es nicht so gut meint mit Tuchel, muss man zur Kenntnis nehmen, dass ein Teil der Spieler von einem Zerwürfnis raunt, dass Mitarbeiter ihn unfreundlich und kompromisslos finden - und dass die BVB-Hüter das Gefühl zu haben scheinen, sie müssten ihren Traditionsklub vor ihm in Sicherheit bringen.

In einer Beziehung wäre jetzt der Punkt, an dem der Anwalt ins Spiel kommt. Watzke und Tuchel - die beiden können wohl wirklich nur noch ohneeinander glücklich werden. Der BVB im Sommer 2017: "Echte Liebe" ist was Anderes.

© SZ vom 27.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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