Borussia Dortmund:Christian Pulisic, 17, in Europa begehrt

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So emotional feierte er sein erstes Bundesligator: Der 17-jährige Christian Pulisic

(Foto: AFP)

Das Dortmunder Talent verzückt mit frechen Auftritten und Toren in der Bundesliga. Der ehemalige BVB-Trainer Jürgen Klopp lässt ihn schon beobachten.

Von Matthias Schmid

Die Emissäre aus der englischen Grafschaft Merseyside hatten sich am Samstag vergeblich auf den Weg ins Ruhrgebiet gemacht. Das Objekt ihrer Begierde saß diesmal nur auf der Bank, 90 Minuten lang. Jürgen Klopp, der Trainer des FC Liverpool, hatte seine Scouts ja angewiesen, Christian Pulisic, diesen erstaunlichen 17-jährigen Buben, doch bitteschön auch gegen den VfL Wolfsburg aufmerksam zu verfolgen, jeden Schritt von ihm. Doch beim 5:1 fiel der US-Amerikaner nur als freundlicher Gratulant in Erscheinung - Pulisic ist noch zu jung, um jede Woche im Mittelpunkt stehen zu können.

Laut der britischen Tageszeitung Daily Mail hat Klopp aber sein Interesse an der Verpflichtung des Emporkömmlings hinterlegt, der in diesen Wochen den deutschen Fußball verzückt. Der gebürtige Schwabe kennt Pulisic noch aus seiner Zeit als Cheftrainer von Borussia Dortmund, er hat nicht erst seit dessen ersten Toren in der Bundesliga großes Gefallen an dessen bemerkenswerten Fähigkeiten gefunden.

Zuletzt bei der Partie gegen den VfB Stuttgart war die Reise nach Deutschland für die Liverpool-Abgesandten auch deutlich lohnenswerter ausgefallen. Sie erlebten hautnah mit, wie sich Pulisic austobte und mit seinem Treffer zum 2:0 zum jüngsten Spieler in der Bundesligahistorie aufgeschwungen hat, der schon zwei Tore in seiner Vita vorweisen kann. "Es ist definitiv ein unglaubliches Gefühl zwei Treffer erzielt zu haben", sagte Pulisic danach. Er sprach so leise, dass man ihn kaum hören konnte.

So schüchtern er nach der Partie auftritt, so unerschrocken und frech gibt er sich auf dem Platz. Er ist dann ein richtiger Lausbub, der mit wilden Armverrenkunen seine Tore feiert, dem sogenannten "Dab-Dance", von American-Football-Spielern in seinem Heimatland USA kultiviert. Mit seinem unerhörten Tempo, seiner herausragenden Technik und seinen verwegenen Dribblings hat sich Pulisic in nur acht Spielen zu einem der aufregendsten ausländischen Nachwuchskicker im deutschen Fußball entwickelt. "Christian hat ein Riesentalent und ein Riesenpotenzial", bekennt Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc: "Er ist noch sehr, sehr jung, aber sein Weg ist vielversprechend."

Für Tuchel ist Pulisic ein "vollwertiges Kadermitglied"

Wer sich mit Pulisic unterhält, lernt einen jungen Menschen kennen, der lieber auf Englisch antwortet als auf Deutsch. Dabei beherrscht er die fremde Sprache schon sehr flüssig. "Ich habe mich gerade in der Kabine bei Nuri Sahin auch verbal revanchiert", erzählte Pulisic in Stuttgart mit einem Lächeln. Denn sein Mitspieler hatte wenige Tage zuvor über Twitter in Anspielung auf Pulisic' erstes Tor in der Bundesliga gegen den Hamburger SV mit süffisantem Eigenlob darauf hingewiesen, dass er der jüngste Spieler in der Geschichte sei, der je mitgespielt hat. Sahin war 16 Jahre alt, als er sich erstmals in der Beletage das Dortmunder Trikot überstreifte. Er wartete aber länger auf seinen ersten beide Tore als Pulisic. "Ich bin schon stolz darauf, was ich erreicht habe, weil ich auch merke, dass mein Selbstvertrauen immer mehr steigt", sagt Pulisic.

Sein Aufstieg beim BVB begann im Winter-Trainingslager in Dubai. BVB-Trainer Thomas Tuchel nahm den Stürmer mit, obwohl dieser noch dem jüngeren Jahrgang der A-Junioren-Mannschaft angehört. Sein freches Auftreten bei den Profis imponierte dem BVB-Coach so sehr, dass er ihn erstmals am 30. Januar in der Bundesliga gegen Ingolstadt aufs Feld schickte. Gegen Bayer Leverkusen und gegen den FC Schalke durfte er sogar von Beginn an spielen. "Es gibt nicht viel schwerere Aufgaben als diese beiden", hat Tuchel damals erkannt: "Trotzdem soll es nicht als Gemeinheit verstanden werden, sondern als große Wertschätzung."

Nicht nur für Tuchel ist Pulisic beim Tabellenzweiten längst zum "vollwertigen Kadermitglied" erwachsen, wie er es formuliert. Auch in der US-Nationalmannschaft will Jürgen Klinsmann nicht mehr auf den Jungen aus Hershey/Pennsylvania verzichten, der mit 15 Jahren ins Internat von Borussia Dortmund eingezogen ist. Vor ein paar Wochen feierte er sein Debüt im A-Team gegen Guatemala, als jüngster amerikanischer Spieler, der je in der WM-Qualifikation aufgelaufen ist.

Jürgen Klinsmann warnt vor übertriebenen Erwartungen

Obwohl Klinsmann Pulisic' erstes Bundesligator gegen den Hamburger SV via Twitter ("Überragend, unseren Youngster für den BVB treffen zu sehen") lobte, warnte er gleichzeitig davor, den 17-Jährigen schon mit den Besten des Planeten zu vergleichen: "Es gibt einen großen Hype um ihn, aber wir wollen ihn nicht mit Erwartungen erdrücken." Der Weltmeister von 1990 findet es deshalb ganz gut, dass er in Dortmund bestens aufgehoben ist, "wo man ihn erdet und entwickelt und wo der Kader gespickt ist mit großen Spielern, die auf ihn aufpassen."

Dass der Sohn eines kroatischen Vaters, der als Hallenfußballer in den USA einst sein Geld verdiente, die Bodenhaftung verlieren könnte, befürchtet aber niemand beim BVB. "Seine Entwicklung kommt für uns nicht überraschend, weil er jeden Tag dazulernen will", sagt Sportdirektor Michael Zorc. Im Moment lebt der schmächtige Pulisic neben seiner starken Ballbehandlung und seiner Schnelligkeit vor allem von der Euphorie, von seiner kindlichen Spielfreude, er macht vieles intuitiv richtig wie beim Tor gegen Stuttgart, als er im Strafraum am schnellsten reagierte und den Abpraller von Torhüter Przemyslaw Tyton über die Linie bugsierte.

"Für mich ist die Bundesliga noch surreal"

Dass der schmächtige Pulisic noch in der A-Jugend kicken könnte, ist vor allem dann zu erkennen, wenn ihn ein gegnerischer Abwehrspieler mit robustem Schultereinsatz vom Ball trennt oder er in seinem großen Eifer vergisst, im richtigen Moment abzuspielen. "Für mich ist die Bundesliga noch surreal", sagt er selbst, "weil ich es schon unglaublich finde, ein Teil dieser tollen Mannschaft zu sein."

Daran will er auch so schnell nichts ändern. Natürlich hat er von den Gerüchten aus England gehört, vom Interesse des FC Liverpool. "Ich lese so etwas aber nicht", sagt Christian Pulisic leise, "weil ich in Dortmund sehr glücklich bin."

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