Borussia Dortmund:Die neun von der XXL-Streichliste

Die Spieler von Borussia Dortmund feiern mit den Fans nach dem Bundesliga-Heimsieg gegen den VfB Stuttgart in der Saison 2017/18.

Von neun Spielern wollen sich die Borussen angeblich im Sommer trennen.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Beim BVB steht ein großer Umbruch bevor. Der Klub will sich angeblich von neun Spielern trennen.
  • Auch ein Trainerwechsel deutet sich an. Doch solange auf der Position auch der FC Bayern sucht, scheint der BVB zweite Wahl zu sein.
  • Auf dem Rasen herrscht dagegen Stillstand in allen Teilen des Systems.

Von Felix Meininghaus, Dortmund

Als Nuri Sahin kurz nach Spielschluss vor die Kamera des Bezahlsenders Sky trat, lächelte er. Mit dieser Frage konnte den Routinier der Reporter nicht überraschen, damit hatte er gerechnet: "Ich bin lange genug dabei", sagte der türkische Nationalspieler, "ich weiß, dass auch ich auf dieser XXL-Streichliste stehe, die in der Presse kursiert. Damit kann ich leben." Der 29-Jährige ist bei Borussia Dortmund, seit er zwölf ist, er hat einen Großteil seiner Karriere, die ihn einst zum jüngsten Spieler und Torschützen der Bundesliga-Historie gemacht hat, beim Revierklub verbracht.

Nun muss er also offensichtlich darum bangen, weiter für den BVB kicken zu dürfen. Zumindest, wenn man an dieses ominöse Dokument glaubt, von dem in verschiedenen Medien berichtet wird. Auf dem tauchen insgesamt neun Profis auf: Roman Weidenfeller, klar, der Torhüter beendet im Sommer seine Karriere. Torjäger Michy Batshuayi, weil das Leihgeschäft mit dem FC Chelsea ausläuft. Verteidiger Sokratis und der ewig verletzte Erik Durm, immerhin Mitglied des deutschen Weltmeister-Kaders, dürfen den BVB verlassen, wenn werthaltige Angebote eintrudeln. Zudem werde über die Zukunft von Jeremy Toljan, Andrej Jarmolenko, Gonzalo Castro, Alexander Isak und eben auch von Nuri Sahin nachgedacht.

Dem BVB fehlt derzeit jegliche Leichtigkeit

Eine solche Nachrichtenlage dürfte die Stimmung nicht unbedingt aufhellen in einer Mannschaft, die ohnehin schon um Sicherheit ringt. Der 3:0 (1:0)-Heimsieg gegen den VfB Stuttgart zeigte trotz des am Ende deutlichen Resultats, warum in Dortmund so intensiv über das Personal nachgedacht wird: Eine Halbzeit lang schlich die Mannschaft weitgehend planlos und uninspiriert über den Rasen. Die Gäste aus Schwaben hatten mehr Ballbesitz und diktierten das Spielgeschehen, es herrschte Stillstand in allen Teilen des Systems.

Das blamable Ausscheiden in der Europa League gegen Salzburg, die Diskussionen um die Zukunft von Trainer Peter Stöger und das kickende Personal sowie der desaströse Auftritt in München - das alles hat Spuren hinterlassen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich der Tag des Bombenanschlags auf den Mannschaftsbus am Mittwoch das erste Mal jährt. "Jeder verarbeitet das anders", sagt Sportdirektor Michael Zorc, "aber wir müssen das irgendwie hinter uns lassen."

Es ist eine schwierige Gemengelage, den Dortmundern fehlt jegliche Leichtigkeit, die es ermöglicht, den Job des Fußballprofis mit Überzeugung und Hingabe auszufüllen. Gegen Stuttgart hatte Zorc in der ersten Hälfte "den Rucksack gesehen, den wir nach dem 0:6 in München auf dem Rücken hatten".

Solange auch der FC Bayern auf Trainersuche ist, steht der BVB in zweiter Reihe

Auch wenn der BVB den dritten Platz festigte und am kommenden Sonntag beim Revierderby auf Schalke sogar Rang zwei erobern kann, wissen sie bei der Borussia genau, dass sie weiterhin weit davon entfernt sind, Klasse und Souveränität auszustrahlen. "Die schwankenden Leistungen sind momentan das Einzige, was permanent bleibt", weiß Zorc: "Bis zum Saisonende erwarte ich keine Galavorstellungen mehr."

Borussia Dortmund bleibt also vorerst eine Baustelle, die geplanten Umbaumaßnahmen werden zunächst im Umfeld der Mannschaft stattfinden, wo mit dem ehemaligen Champions-League-Sieger und Meistertrainer Matthias Sammer sowie Ex-Kapitän Sebastian Kehl bereits zwei bedeutende Personalien eingestellt wurden. Auch im Kader wird es einen Umbau geben, weil er - so die späte Erkenntnis - fehlerhaft zusammengestellt wurde. Es gibt zu wenig Führungsspieler. Immer dann, wenn der Gegner - wie zuletzt in München - mit Tempo, Wucht und Überzeugung agiert, knicken die Dortmunder ein.

Stöger forciert den Abschied mit Wiener Charme

Die wichtigste Planstelle, die neu zu besetzen ist, dürfte jedoch die des Trainers sein. "Mein Leben definiert sich nicht darüber, dass ich beim BVB an der Seitenlinie stehe", hatte Stöger nach Klatsche in München verkündet: "Ich bin ein relativ aufgeräumter und glücklicher Mensch." Das sind mit Wiener Charme formulierte Worte, mit denen der Österreicher seinen Vorgesetzten in der Dortmunder Chefetage recht ungeschminkt mitteilt, sie mögen sich doch bitteschön nach einer Fachkraft umschauen, die für ihn im Sommer den Job auf der Bank übernimmt.

Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Zorc, der seinen Job jüngst bis 2021 verlängert hat, wissen also, was zu tun ist. Dabei dürfte es ihnen gar nicht gefallen, dass ihr Ex-Trainer Thomas Tuchel bei Bayern München abgesagt hat. Denn solange auch der Branchenführer auf der Suche ist, muss sich der BVB bei den infrage kommenden Kandidaten hintenanstellen und sich mit der zweiten Wahl begnügen. Es sei denn, das einzige börsenorientierte Fußballunternehmen des Landes agiert couragiert und entschließt sich dazu, einem weniger prominenten Kandidaten eine Chance zu geben, den niemand auf seiner Liste hat.

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