Torwart bei Borussia Dortmund:Weidenfeller überrascht Tuchel

Borussia Dortmund - Borussia Mönchengladbach 4:0

Thomas Tuchel (links) im Gespräch mit seinem Torwart Roman Weidenfeller

(Foto: dpa)
  • Die Torwartfrage beim BVB zu moderieren, dürfte nicht einfach werden für Thomas Tuchel.
  • Roman Weidenfeller überzeugt im Training enorm. In den Europa-League-Playoffs darf er statt Roman Bürki spielen - und danach?

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Die große Bühne ist es nicht, die für Roman Weidenfeller erst einmal die Welt bedeuten soll. Odds Ballklub kommt aus Grenland in Norwegen, und der Flughafen des Städtchens ist so klein, dass Borussia Dortmund seinen üblichen Reisetross auf zwei kleine Flugzeuge aufteilen muss, um dort überhaupt landen zu können. (Und das, obwohl der angeschlagene Marco Reus auf die Reise verzichtet.) Weidenfeller aber wird den Einsatz in den Europa-League-Playoffs dennoch zu schätzen wissen.

In der Bundesliga hat sich Dortmunds neuer Trainer Thomas Tuchel "erst einmal" für den rund zehn Jahre jüngeren Roman Bürki entschieden. Der durfte am Samstag beim 4:0 gegen Gladbach nur Däumchen drehen, WM-Torwart Weidenfeller dagegen saß auf der Bank und versuchte, möglichst gute Miene zum Spiel zu machen. Bisher hält sich Dortmunds degradierter Torwart bemerkenswert tapfer mit der Situation. Weidenfeller ist seit 2002 beim BVB, er hat erst vor Kurzem ein Haus an Dortmunds Phoenixsee gebaut und ist gerade 35 Jahre geworden. Dass ihm irgendwann einer aus der Bürki-Generation, einer von den vermeintlich "moderneren" Kollegen vor die Nase gesetzt würde, war absehbar.

Im Training, so schwärmt Tuchel, habe sich Weidenfeller "mit großartiger, sportlicher Haltung" gezeigt, als Mannschaftsspieler halt. Kumpeltyp Weidenfeller kann das und ist schon lange eine Integrationsfigur beim BVB. "Wenn es weiter so läuft, wird Roman Weidenfeller seine Pflichtspiele bekommen", hat Tuchel am Samstag ausdrücklich angekündigt. Eine konsequente Arbeitsteilung, wie sie der FC Barcelona zwischen Bravo und Ter Stegen in der vergangenen Saison exerziert hat, hat Tuchel noch nicht angekündigt. Vorerst hat er dem Platzhirsch nur eine Garantie auf die beiden Playoff-Spiele gegen die Norweger gegeben. Allerdings hat er Bürki auch nur die Zusage gegeben, "erst einmal" die Nummer eins für die Ligaspiele zu sein.

Den Torwartwechsel zu moderieren, dürfte auf Dauer nicht einfach werden für Tuchel. Bürki stand bei seinem vergangenen Klub, Absteiger SC Freiburg, meist im Dauerfeuer. In Dortmund ist sein Job anders. Es gibt oft nur zwei, drei Situationen im Spiel, in denen er ernsthaft eingreifen muss. Dieses Nervenspiel ist kompliziert. Gegen Mönchengladbach fiel Bürki mit seinen zweifellos größeren Qualitäten als Fußballer auf, aber auch mit mindestens einer Unsicherheit. Weidenfeller definiert sich, obwohl er heute viel besser mitspielt als vor fünf oder sechs Jahren, als Torwart, der die paar fast unmöglichen Bälle zu halten hat. Eine Generationsschwelle.

Im Training, so hört man, muss Weidenfeller seinen zunächst skeptischen neuen Trainer erheblich erstaunt haben. Das Rennen zwischen dem früh als Favorit gehandelten Schweizer Bürki und Weidenfeller ist offener, als man es Tuchel zugetraut hatte. Der Trainer beweist Format, indem er zwischen den Zeilen andeutet, dass ihn der alte Weidenfeller überrascht hat mit seiner Klasse und seinem Charakter. Dass der allerdings seine vermutlich schwächste Saison ausgerechnet im abgelaufenen Jahr hatte, belastet seinen Stellenwert. In Dortmund ist es ein offenes Geheimnis, dass der langjährige Torwart nach seiner Karriere beim BVB bleiben soll - und auch will. Man arrangiert sich also, unter Profis.

Im Moment scheint Roman Bürki unterm Strich nicht viel mehr als seine Jugend und sein Zukunftspotenzial als Vorteil gegenüber seinem Vornamensvetter zu haben. Tuchels freundschaftlicher Umgang mit Weidenfeller hat also gute Gründe. Der Trainer dürfte ahnen, dass er seinen Nationaltorwart auch wieder gegen andere Kaliber brauchen könnte als gegen den Odds Ballklub mit zu kurzer Landebahn.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: