Börse für Fußball-Tickets:Viagogo dankt seinen Gegnern

Börse für Fußball-Tickets: Vianogo: Bilder aus der Schalker Arena.

Vianogo: Bilder aus der Schalker Arena.

(Foto: imago sportfotodienst)

Viele Fußballfans protestieren gegen Viagogo, andere zahlen dort bereitwillig überteuerte Preise. An der Ticketbörse entzündet sich ein Stellvertreterkrieg der Fans, die Fußball als soziales Ereignis begreifen. Vertreiben lassen will sich Viagogo aber nicht.

Von Carsten Eberts

Am Dienstag hat Bayer Leverkusen Schluss gemacht. Obwohl es eigentlich gar keine Beziehung gab. Der Klub hat kurz vor dem Bundesliga-Start eine einstweilige Verfügung gegen die Ticketbörse Viagogo erwirkt, die dem Unternehmen untersagen soll, Eintrittskarten für Leverkusener Spiele im Internet anzubieten. Im Gegensatz zu anderen Bundesligisten hat Bayer gar keinen Vertrag mit Viagogo. Trotzdem setzt sich der Klub zur Wehr.

"Wenn im Internet nun lange, bevor wir selbst Tickets verkaufen, bereits für fast die ganze Saison vermeintlich Tickets angeboten werden - und dies zu deutlich überteuerten Preisen - hat dies das Fass zum Überlaufen gebracht", sagt Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser. Am Wochenende hatte sich sogar der DFB-Präsident eingeschaltet. Auch für DFB-Länderspiele waren Tickets bei Viagogo aufgetaucht, Wolfgang Niersbach sprach von "unseriösen Geschäftsweisen". Die Juristen des Fußballbunds würden sich um die Angelegenheit kümmern.

Viagogo bietet eine Art legalen Schwarzmarkt im Internet an. Fans können ihre Tickets einstellen und einen beliebigen Preis dafür erzielen. Von manchen Vereinen erhält Viagogo sogar Ticketkontingente, die das Unternehmen weiterveräußert, die Vereine erhalten dafür Geld von Viagogo. Die Karten sind dann versichert (anders als bei Geschäften im dunklen Stadioneck), werden dem Käufer bequem nach Hause geschickt. Die Tickets wechseln in vielen Fällen zu überteuerten Preisen den Besitzer.

Viele Fans haben Viagogo deshalb seit Monaten zum Gegner erkoren. Fußball muss bezahlbar bleiben - es ist das große soziale Thema der organisierten Anhängerschaft. Zuletzt haben die Fans von Schalke 04 die Kooperation ihres Klubs mit der Ticketbörse zum Kippen gebracht. Bayer Leverkusen will erst gar nicht in Verdacht kommen, mit Viagogo gemeinsame Sache zu machen.

Und Viagogo? Freut sich über die kostenlose Publicity.

"Alles was der Verein mit diesem Vorgehen erreicht hat ist, dass die Verkäufe von Bayer 04 Leverkusen alle bisherigen Verkaufsrekorde gebrochen haben", sagt Steve Roest, Sprecher von Viagogo in Deutschland, am Mittwoch zu Süddeutsche.de. Ein großer Teil der Fans protestiert gegen die Börse im Internet, ein anderer Teil nimmt das Angebot bereitwillig an. Roest sagt: "Wir danken Wolfgang Holzhäuser für seine Hilfe."

In der Tat sind die Preise beachtlich. Stehplatztickets im Gästeblock für das Heimspiel Ende August gegen Mönchengladbach werden bei Viagogo aktuell für 56,75 Euro angeboten. Inklusive Gebühren steigt der Preis auf 79,83 Euro (Stand Mittwoch, 16 Uhr). Der reguläre Preis liegt mit etwa 18 Euro weit darunter. Die Tickets dürften trotzdem bald den Besitzer wechseln. Die Nachfrage bestimmt den Preis.

Rechtlich sieht sich das Unternehmen mit Sitz in der Schweiz ohnehin auf der sicheren Seite. Wiederverkäufe von Tickets seien in Deutschland rechtens, sagt Viagogo. Sogar Dauerkarten können in gewissen Fällen übertragen werden. "Der Kauf und Verkauf der Tickets von Bayer Leverkusen war bisher legal, ist es heute und wird es auch weiterhin sein", sagt Roest. Die einstweilige Verfügung vom Landgericht München liegt dem Unternehmen nach eigener Aussage bislang nicht vor. Deshalb gebe es auch keinen Grund zu handeln.

Fans kämpfen für ihre Rechte

Der massive Protest gegen Viagogo hat einen sozialen Hintergrund. Vielleicht geht es am Ende gar nicht um die Ticketbörse selbst, sondern eher um das Gefühl, das dahinter steckt. Im ganzen Land klagen Fans, dass ihre Rechte mehr und mehr eingeschränkt werden. Sie wollen mitbestimmen, wie ihr Stadionerlebnis auszusehen hat, nicht bevormundet werden. Personenkontrollen beim Stadioneinlass oder stetig steigende Eintrittspreise passen nicht in dieses Bild.

Im Fall Viagogo haben die Fans erkannt, dass sie tatsächlich kleine Erfolge erzielen können. Weil die Vereine, die mit Viagogo zusammenarbeiten, auf die Proteste reagieren. Auf Schalke hatten die Fans Erfolg, auch der VfB Stuttgart und der FC Bayern lassen bestehende Verträge zum Jahresende auslaufen. Plakate der Marke "Rote Karte für Viagogo" oder "ViaNogo" gehören vielerorts zum Stadionbesuch wie Bratwurst und (ebenfalls überteuertes) Bier aus Plastikbechern. Es ist eine Art Stellvertreterkrieg für die Rechte der Fans.

Als die Schalker Kooperation mit Viagogo kippte, schrieb die Fanorganisation "ViaNogo" dem Vereinsvorstand sogar einen Brief. "Sie haben wirklich verstanden. Und nicht nur das: Sie haben auch gehandelt", heißt es darin, "Ihnen ist nicht nur unser Respekt sicher, sondern auch die ligaweite Beachtung und Anerkennung." Die Fans honorieren, wenn die Vereine etwas dafür tun, dass der Gang ins Stadion bezahlbar bleibt.

An ein Ende seiner Aktivitäten im deutschen Fußball denkt Viagogo jedoch nicht. Zieht man Stuttgart, Schalke und die Bayern ab, gibt es sieben weitere Vereine, die Verträge mit Viagogo haben: Wolfsburg, Hannover, Nürnberg, Augsburg, Hoffenheim, dazu die Zweitligisten aus Kaiserslautern und Bochum. Schwer vorstellbar, dass sich nach den Ereignissen auf Schalke zeitnah weitere Klubs dazugesellen. Und sich den Fanprotest so kostenlos ins Haus holen.

Viagogo sieht es gelassen. "Unser Geschäft wächst in Deutschland rasant", erklärt das Unternehmen mit Blick auf die jüngsten Zahlen: "Jeden Tag nutzen Menschen aus ganz Deutschland unsere Plattform, um Karten zu kaufen oder zu verkaufen - für Fußballspiele, Konzerte oder Festivals." Ob ein Rückzug aus der Bundesliga mittelfristig eine Option sei? Unternehmenssprecher Roest sagt ganz klar: "Nein."

Vielleicht kommen sich Vereine und Fans durch Viagogo wieder näher. Wirksam vertreiben lassen wird sich die Ticketbörse allerdings nicht. Solange es Menschen gibt, die auch höhere Preise für Karten bezahlen, als es der Veranstalter vorsieht.

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