Bode Miller bei der Ski-WM:Kopfüber auf die Piste

Bode Miller

Stürzt bei der WM spektakulär: Bode Miller

(Foto: AP)
  • Bode Miller ist bei seinem Comeback bei der Ski-WM in Vail und Beaver Creek zunächst gut unterwegs. Doch dann bleibt er an einer Torstange hängen und stürzt schwer.
  • Mit einem Sehnenriss in der Wade ist die WM für ihn gelaufen.
  • Alle Ergebnisse zur Ski-WM finden Sie hier.

Von Johannes Knuth, Vail/Beaver Creek

Wenn man ein einschlägiges Videoportal im Internet aufsucht und den Namen des Skirennfahrers Bode Miller in die Suchmaske eintippt, werden einem als Erstes zwei Ergänzungen vorgeschlagen: "Bode Miller Kitzbühel" und "Bode Miller One Ski". Das erste Video zeigt Miller bei der Hahnenkammabfahrt 2008 in Kitzbühel. Als Miller den Steilhang verließ, entfernte er sich immer weiter von der Ideallinie, irgendwann ging ihm der Platz aus, also fuhr er für einige Meter schräg auf dem Fangzaun entlang, mit beiden Skiern.

Die meisten Fahrer hätte man anschließend vermutlich mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus fliegen müssen, Miller wurde Zweiter. Das zweite Video, "Bode Miller One Ski", fängt Miller 2005 bei der Abfahrt in Bormio ein. Kurz nach dem Start rutschte er über eine Bodenwelle, die Bindung sprang auf, er fuhr dann einfach zwei Minuten lang die eisige Piste hinunter, auf einem Ski.

Demnächst wird vermutlich ein drittes Video in die Hitlisten im Netz einziehen, es wird den Titel tragen: "Bode Miller Beaver Creek".

Der Österreicher Hannes Reichelt hat am Donnerstag bei der alpinen Ski-Weltmeisterschaft in Vail/Beaver Creek den Super-G gewonnen, elf Hundertstelsekunden vor dem überraschend schnellen Dustin Cook (Kanada), 24 Hundertstel vor Adrien Theaux (Frankreich). Der schwierige Kurs brachte einige Fahrer in Turbulenzen. Kjetil Jansrud, der große Favorit aus Norwegen, verfing sich in einem Tor und wurde Vierter. Er wird trotz Schulterschmerzen voraussichtlich am Samstag bei der Abfahrt antreten. Auch die deutschen Fahrer taten sich schwerer als gedacht, Andreas Sander war als 23. bester Deutscher - aber das alles geriet angesichts eines Auftritts zur Fußnote, zumindest in den amerikanischen Medien.

Mehrere Zentimeter tiefe Wunde

Miller hatte den Wettbewerb als einer der Ersten aufgenommen. Es war sein erster Renneinsatz des Winters, zu Saisonbeginn hatte er sich am Rücken operieren lassen. Jetzt fuhr Miller, wie Bode Miller halt fährt, irgendwie wild, auf jeden Fall riskant, schneller als alle anderen. Erste Zwischenzeit: Vorsprung. Zweite Zeitnahme: noch mehr Vorsprung. "This could be the greatest comeback of aaaall tiiime", röhrte der Stadionsprecher ins Mikrofon. Es wurde dann nicht das beste Comeback aller Zeiten, dafür eines der spektakulärsten.

Nach rund einer Minute verfing sich Miller mit der linken Schulter in einem Tor, er drehte sich um 180 Grad, hob ab, landete auf der harten Piste, kopfüber. Es dauerte ein paar Minuten, ehe sich die Stille im Zielraum löste. Der 37-Jährige fuhr tatsächlich aus eigener Kraft ins Ziel, an seiner rechten Wade klaffte eine mehrere Zentimeter breite, mehrere Zentimeter tiefe Wunde. "Er hat gesagt, dass sein ganzer Körper wehtut", berichtete Millers Kollege Travis Ganong im Zielraum, "als ob er von einem Truck angefahren worden sei". Kurz nach dem Rennen wurde Miller im Krankenhaus vorstellig, am Abend traf der medizinische Befund ein: Sehnenriss in der Wade, der 37-Jährige wird bei dieser WM kein Rennen mehr bestreiten.

Einen ganz eigenen Stil antrainiert

Abfahrer sind per Definition wagemutige Charaktere, doch Miller reizt die Extreme seiner Sportart aus wie kaum ein anderer vor ihm. Mal wird er dafür belohnt, mal bestraft. Der 37-Jährige hat in seiner Karriere 33 Weltcups gewonnen, er ist Olympiasieger, gewann vier Mal Gold bei Weltmeisterschaften, zwei Mal den Gesamtweltcup. Miller hat im Laufe seiner Karriere allerdings auch zahlreiche Rennen nicht beendet, viele endeten auf aufsehenerregende Weise, wie in Kitzbühel und Bormio. Das bleibt im Gedächtnis der Beobachter oft stärker haften als Medaillen oder Olympiasiege.

Millers Fahrstil wirkt wild. Seine Hände wedeln oft unkontrolliert durch die Luft, er lehnt sich mit seinem Oberkörper weit nach hinten. Das widerspricht jeder Lehre, die sie in den Skiklubs weltweit unterrichten, aber Miller sagt, er könne die Skier auf diese Weise besser krümmen, also in den Kurven besser beschleunigen. Als Jugendlicher hatte er sich diesen Stil antrainiert, er übte jahrelang alleine in einem Skigebiet in New Hampshire, mit Skiern, die zu lang und Schuhen, die zu groß für ihn waren, er musste jede Sekunden darauf achten, die Balance nicht zu verlieren. Dafür ist sein Körpergefühl auf zwei Skiern mittlerweile besser als das der meisten Konkurrenten. Wahlweise auch auf einem Ski.

"Es sieht manchmal schlimm aus bei Bode"

Es ist viel berichtet worden über die Folklore, die Miller zuletzt begleitet hat, er legt ja auch abseits der Piste ein beeindruckendes Tempo vor. Miller und seine Ex-Freundin haben einen Sohn, Bode nennt ihn Nate, seine Mutter nennt ihn Sam. Am Donnerstag sah Nate/Sam, wie sein Vater auf den Hang klatschte, Millers Ehefrau Morgan Beck hielt Nate/Sam im Arm, Beck erwartet demnächst ein Kind. Viel Rummel also, aber Millers Trainer und ehemalige Begleiter sagen, sie haben selten jemanden getroffen, der derart akribisch seine Fahrten hinterfragt - und gleichzeitig überzeugt ist von allem, was er tut.

Hannes Reichelt wurde noch gefragt, was er von Millers Sturz halte, er sagte: "Es sieht manchmal schlimm aus bei Bode, aber dann steht er wieder auf." Wann Miller wieder Skirennen fahren wird, ist nun freilich offen, zuletzt war auch immer mal wieder von einem Karriereende die Rede. Sollten die Bilder vom Donnerstag die letzten Bilder in der WM-Laufbahn von Bode Miller gewesen sein - es wäre in gewisser Weise ein passender Abschluss.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: