Bochum - St. Pauli 0:1:Ein Mal die große Speciale, bitte

VfL Bochum 1848 v FC St. Pauli - Second Bundesliga

Erfolgreicher Start: Der FC St. Pauli bejubelt sein 1:0 in Bochum zum Saisonstart.

(Foto: Christof Koepsel/Getty Images)

St. Pauli macht da weiter, wo es letzte Saison aufgehört hat - und ist plötzlich ein Aufstiegsaspirant.

Von Ulrich Hartmann, Bochum

"Punktelieferant" steht neuerdings auf der Rückwand der Ersatzbank, auf der im Bochumer Stadion die Gäste sitzen. Die Verantwortlichen beim VfL litten zu Beginn der neuen Zweitliga-Saison nicht gerade unter Selbstzweifeln, die Bank ist ein gutes Symbol dafür. Vor zweieinhalb Wochen haben sie Trainer Gertjan Verbeek rausgeschmissen, und mit dem neuen Übungsleiter Ismail Atalan wollen sie gleich mal in die Bundesliga aufsteigen. Gegen den FC St. Pauli hätten sie dem Wunsch gleich im ersten Saisonspiel ein bisschen näher kommen können, aber dann verloren sie mit 0:1 (0:0). Es war für den VfL ein Saisonauftakt, als hätte man beim Pizzadienst heißhungrig die große 'Speciale' bestellt - und dann wäre der Essensbote gar nicht erst erschienen.

Umso erfüllender hatte sich das Saison-Oeuvre für die Hamburger angefühlt. "Wir haben von vorne bis hinten super Fußball gespielt", schwärmte Torschütze Christopher Buchtmann, er bemängelte nur, dass sein Team nicht noch mehr Tore geschossen hatte. "Eigentlich hätten wir das zweite noch machen müssen", sagte er, seine Kritik dürfte im Mannschaftskreis aber nicht allzuviel Gehör finden. Rechtsverteidiger Jan-Philipp Kalla witzelte: "So ein Einszunull würde ich noch 33 Mal nehmen." Und Rechtsaußen Waldemar Sobota fand die Leistung gar "meisterlich". Wenn er Pech hat, interpretiert das euphorische St.-Pauli-Publikum das ab sofort als Wunsch, die Saison im kommenden Mai auf Platz eins zu beenden. Wobei: Vollkommen vermessen wäre das wahrscheinlich nicht mal.

St. Pauli war zuletzt vor sechs Jahren erstklassig, 2011 stieg der Verein aus der Bundesliga ab, ein Jahr nach den Bochumern. Beide Klubs waren der dritten Liga zwischenzeitlich näher als der Bundesliga, aber irgendwie schöpfen derzeit beide neuen Mut, in Bälde vielleicht mal wieder zu den besten 18 Vereinen der Republik zu gehören. Bochums Trainer Atalan hält St. Pauli für eine der aussichtsreichsten Mannschaften im Kampf um den Aufstieg, und der Freitagabend gab ihm recht.

Bochum hat Probleme mit dem neuen System

Die Bochumer taten sich ihrerseits schwer mit dem neuen 3-5-2-System, das Atalan aus Lotte mitgebracht hat. Dort hat er die viertklassigen Sportfreunde in die dritte Liga geführt und ins DFB-Pokal-Viertelfinale gegen Borussia Dortmund. Doch gegen St. Pauli wirkte die Bochumer Hintermannschaft anfangs derart verwirrt, dass Torwart Manuel Riemann bei einer Bochumer Ecke weit aus seinem Tor herauskam, um seinen Innenverteidigern das System noch einmal zu erklären. Obwohl die Hamburger in der ersten Halbzeit die klar besten Chancen hatten, stand es zur Pause 0:0.

Mit dem vormaligen Berliner Sami Allagui bei St. Pauli und dem früheren Karlsruher Dimitrios Diamantakos bei Bochum stand in beiden Teams je ein neuer Stürmer in der Startelf. Es war dann Allagui, der in der 65. Minute das entscheidende Tor auflegte, bei einem Konter spielte Christopher Buchtmann an, und der schob aus 16 Metern gefühlvoll ins Bochumer Tor ein. Die knappe Führung brachten die Hamburger äußerst klug über die Zeit.

"Wir haben den Lauf aus der Rückrunde der vegangenen Saison einfach in die neue Spielzeit mitgenommen", sagte Kapitän Bernd Nehrig. Mit 34 Punkten hatten sich die Hamburger in besagter Rückrunde vom letzten auf den siebten Platz verbessert. Mit zwei Mal 34 Punkten kann man theoretisch in die Bundesliga aufsteigen, und davon dürften die Fans im Hamburger Vergnügungsviertel nun durchaus träumen.

Sie konnten ja nicht sicher wissen, ob die Mannschaft wirklich einfach da weitermacht, wo sie im Mai aufgehört hatte, aber Nehrig sagt: "Klar", denn unter dem neuen Cheftrainer Olaf Janßen, zuvor Assistent von Ewald Lienen, "hat sich ja gar nicht so viel verändert". Janßen verwaltet Lienens Erbe zunächst vorbildlich und blickt selbst zuversichtlich in die nahe Zukunft. Das ging jedenfalls aus jenem Satz hervor, den er eigentlich als Trost für die Gastgeber ersonnen hatte: "Ich erwarte den VfL Bochum in der oberen Tabellenregion." Es klang eher wie eine freundliche Einladung.

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