Bob-WM:Zwischen Liebe und Angst

Die Amerikanerin Elana Meyers Taylor schließt als Zweier-Weltmeisterin Frieden mit der schwierigen Bahn in Königssee. Mariama Jamanka wird beachtliche Vierte.

Von Johannes Kirchmeier, Königssee

Auf den ersten Blick mag ihr Jubel wie ganz normale Freude über einen Weltmeisterschaftstitel gewirkt haben. Elana Meyers Taylor, 32, klatschte heftig auf ihren Bob ein, als der ins Stadion einfuhr. Sie sprang heraus, hüpfte ihrer Anschieberin Kerri Jones in die Arme und danach einfach alleine weiter auf dem Eis. Als vergäße sie in diesen Sekunden alles um sich herum. Auf den zweiten Blick erkannte man in diesen vielen Hopsern im Zielraum aber auch Erleichterung. Das liegt daran, dass Elena Meyers Taylor an diesem Samstagabend ihren Schicksalsort besiegt und so ein bisschen ihren Frieden mit der Eisrinne gefunden hatte. Die Amerikanerin hat dort triumphiert, wo ihre Karriere als Sportlerin fast schon ihr frühes Ende gefunden hätte - an der Kunsteisbahn am Königssee.

Zwei Jahre ist das her. Am 16. Januar 2015 bei einem Weltcup-Rennen schoss Meyers Taylor in ihrem Zwei-Frau-Bob wie ein Torpedo in das Labyrinth am Königssee - "schneller als je zuvor", kommentierte sie die Fahrt selbst in einer Kolumne bei "espn.com": "Wir flogen." Es war zu schnell. Der Bob hielt dem Druck der schnellen Links-Rechts-Links-Kurvenkombination nicht stand, Meyers Taylor und ihre Anschieber in Cherrelle Garrett stürzten im Kreisel, schlugen heftig an der Rinne an, in der nächsten Kurve stellte sich das Gefährt glücklicherweise wieder auf. Meyers Taylor ließ es ins Ziel gleiten und wurde sogar noch Sechste. Zur Siegerehrung schleppte sie sich mit Mühe.

Bobsleigh - BMW IBSF Bob & Skeleton World Championships - Women Bobsleigh - Koenigssee

Glückliche Siegerinnen: Elana Meyers Taylor and Kehri Jones aus den USA.

(Foto: Arnd Wiegmann/Reuters)

Sie musste um die Fortsetzung ihrer Karriere fürchten

Schnell stieg sie damals wieder in den Bob - scheinbar gesund. Doch sie hatte sich eine Gehirnerschütterung beim heftigen Aufprall zugezogen. Als sie in der folgenden Saison, im Oktober 2015, wieder mit dem Training begann, merkte sie, dass ihre Reaktionen viel langsamer waren, die Trainingsläufe wacklig. Im November bekam sie wieder einen Schlag auf den Kopf, und die heftigen Kopfschmerzen kehrten zurück. "Ich dachte, meine Saison könnte vorbei sein - oder sogar die ganze Karriere." Dann ließ sie einige Weltcups aus, tastete sich langsamer heran, aber ganz die Alte war sie erst vor einem Jahr wieder.

Seitdem fliegt sie allerdings noch schneller als zuvor durch die Bobbahnen. Vor der WM hat sie vier Rennen nacheinander gewonnen, unter anderem schon den Weltcup am Königssee - und nun wurde sie zur verdienten Siegerin am Samstag. "Es war eine enorme Herausforderung", sagte sie ins Stadionmikrofon. Und meinte dabei einerseits ihren Kampf mit der kanadischen Konkurrentin Kaillie Humphries, 31, die ihr stets sehr nahe war, aber sie nie erreichen konnte. Und andererseits die Rückkehr an die Bahn: "Hier zu gewinnen fühlt sich großartig an."

Vierter WM-Titel nacheinander möglich

Zufrieden war Bundestrainer René Spies am Samstag mit den deutschen Männern. Im Zweier, der bereits am Vormittag stattfand, als der Nebel noch unten im Tal über der Bahn hing, sieht es so aus, als könnten die deutschen Piloten die ersten Medaillen erwirtschaften. Vor den abschließenden Läufen an diesem Sonntag (3. Lauf: 10.30 Uhr, 4. Lauf: 12 Uhr) führt Francesco Friedrich mit mehr als einer halben Sekunde Vorsprung vor dem Kanadier Justin Kripps (0,52 Sekunden zurück). Manche an der Strecke unkten schon, er könnte die abschließenden Läufe rückwärts runterfahren und würde gewinnen.

"Der erste Lauf war wirklich nah an den 100 Prozent, der zweite war nicht mehr ganz so blitzsauber, aber auch gut", sagte Friedrich, der in Runde eins mit seinem Anschieber nur eine Hundertstelsekunde hinter dem Startrekord blieb. Am Sonntag könnte er seinen vierten WM-Titel im Zweier nacheinander gewinnen. Der durch eine Grippe geschwächte und dadurch drei Kilogramm leichtere Johannes Lochner ist derzeit Dritter (+0,63 Sekunden). Nico Walther als Neunter hat dagegen keine Chance mehr auf die Medaille. Johannes Kirchmeier

In den Tag startete Meyers Taylor bereits als Führende, am Ende gewann sie drei von vier Läufen und legte mit ihrer Anschieberin Jones im vierten mit 5,12 Sekunden einen Startrekord in der Rinne am Königssee auf. "Ich wollte immer relaxt und cool bleiben heute", sagte sie. Am Ende war sie dann mit ihren 3:24,75 Minuten "coole" drei Hundertstelsekunden schneller als die Zweite, Kaillie Humphries. Dritte wurde Jamie Greubel Poser, 33, aus den USA, sie komplettierte die Nordamerika-Dominanz auf dem Podium - und hat durch die zweite Medaille ihren Landsleuten wegen der Zeitverschiebung ein süßes Frühstück serviert.

Jamanka bestätigt ihre gute Entwicklung

Meyers Taylor grüßte daher gleich in die Heimat: "Hello Mum and Dad", rief sie in die Kameras und winkte. Seit 2007 fährt sie im Bob, erst als Anschieberin, 2010 wechselte sie auf den Pilotenplatz, 2015 gewann sie dann ihr erstes WM-Gold in Winterberg. Nebenbei studierte sie Sportmanagement und absolvierte dabei auch schon ein Praktikum in der Finanzabteilung des Internationalen Olympischen Komitees. Es ist vor allem ein Titel, der durch eine große Erfahrung und natürlich durch die starke Form der Amerikanerin zustande kam. Sie würde ja auch die Weltcup-Wertung locker anführen in diesem Jahr, wenn ihr nicht wieder ein Sturz dazwischen gekommen wäre: Beim ersten Rennen im kanadischen Whistler stürzte sie, Humphries gewann.

Noch am Beginn ihrer Karriere ist dagegen die beste Deutsche: Mariama Jamanka, 26. Sie belegte den vierten Platz und war zufrieden. "Die Konkurrenz ist saustark, die drei Duos waren schon in den vergangenen Jahren immer ganz vorne", sagte Jamanka. Erst im vergangenen Winter hat sie ihr Weltcup-Debüt gegeben. "Dass wir jetzt schon einigermaßen mithalten können, ist sehr gut", sagt sie. Der Bundestrainer René Spies hatte die Heim-WM ja als Generalprobe für Olympia 2018 in Pyeongchang ausgegeben. Er sehe sein Team im Plan. "Wir müssen den Mädels Zeit geben", sagte Spies der SZ bereits vor dem Rennen: "Die Zeit dieser neuen Generation kommt zwischen 2018 und 2022. Aber wenn vorne eine der drei einen Fehler macht, müssen wir schon in Pyeongchang bereit sein."

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