Bob:Leicht von der Hand

Bob: Dominiert seit Wochen die Weltcuprennen im Bob: Pilot Johannes Lochner aus Schönau am Königssee.

Dominiert seit Wochen die Weltcuprennen im Bob: Pilot Johannes Lochner aus Schönau am Königssee.

(Foto: Urs Flueeler/AP)

Der deutsche Bobfahrer Johannes Lochner ist gerade der vielseitigste Pilot im Weltcup. Das bringt ihm derzeit eine Menge Tagessiege ein - und die Favoritenrolle für die Weltmeisterschaften, die im Februar in Königssee stattfinden.

Von Volker Kreisl, Königssee/München

Johannes Lochner bezeichnet sich als Wettkampftyp. Also als einen, der sich, wenn's drauf ankommt, noch mal besonders motivieren kann. Der dann alles gibt, um, wie er sagt, "das eine Prozent mehr herauszuholen". Diesen Willen, das Letzte aus sich herauszukitzeln, den reklamiert vermutlich jeder Spitzensportler für sich, aber nicht jeder kann ihn beweisen. Nicht jeder gewinnt mit lädiertem Schädel.

Richtig fit war Lochner, 26, jedenfalls nicht, als er in der vergangenen Woche die ersten Trainingsläufe bei seinem Heim-Weltcup in Königssee absolvierte. Auch als er dann den Zweier-Wettbewerb gewann und zudem am Sonntag noch das Rennen im Viererschlitten für sich entschied, da war Lochner am Start nur bedingt zu gebrauchen. Denn eine Woche zuvor, in St. Moritz in der Schweiz, war er im Training gestürzt, relativ weit unten in der Bahn, bei voller Geschwindigkeit in einer Kurve namens Horseshoe. Die ist also hufeisenförmig und zudem sehr hoch, und wer sich eingangs um ein paar Zentimeter verlenkt, der kippt wie Lochner um und rumpelt und schlittert auf der Seite weiter bis ins Ziel, mit dem Helm an der Bande. "Weil der Kopf schaut ja raus", sagt Lochner.

Die Ärzte haben natürlich etwas diagnostiziert, Zerrung der Muskulatur, Nackenprellung, Gehirnerschütterung, genau kann er es nicht wiedergeben, denn Lochner studiert zwar - aber Elektrotechnik, nicht Medizin. Entscheidend ist, dass seine weiteren Einsätze im Weltcup nicht riskant und verantwortungslos waren, sondern eher eine Herausforderung für den Wettkämpfer. Und Lochner bestand diese, im Zweier gewann er noch in St. Moritz, am Königssee dann in beiden Schlitten. Trotz des Missgeschicks in der Schweiz hat er jenen Schwung behalten, der ihn drei Wochen vor der Heim-WM (ebenfalls am Königssee) zum vielseitigsten Bobfahrer des Winters macht. Lochner und sein Teamgefährte Francesco Friedrich (Oberbärenburg) sind mit je sieben Podestplätzen die erfolgreichsten Weltcup-Piloten zurzeit. Lochner ist der Einzige, der sowohl im großen als auch im kleinen Schlitten siegt.

Der Sturz im Horseshoe war sein heftigster, Lochners Stärken liegen dennoch weniger im Wagemut als im Lernen: Im Sommer studiert er Elektrotechnik, im Winter Bobfahren. Ab 2011 Anschieben, ab 2014 Lenken, 2015 und 2016 wurde er dann WM-Zweiter. Schnell hat er sich nun auch in das Lenkverhalten seines neuen Groß-Bobs eingearbeitet. Die Deutschen testen ja gerade an mehreren Geräten, sie wechseln im Zweierbob zwischen zwei Typen, dem der eigenen Werkstatt FES und dem des österreichischen Herstellers Wallner. Sie probieren da mal die eingefahrene Variante und dort mal den Prototyp. Nur Lochner fährt zudem auch einen Wallner-Vierer, und weil er auch dieses System schnell beherrscht hat, ist er nun überlegen.

René Spies, der Bundestrainer, bezeichnet Lochner als koordinativen Ausnahmeathleten, neue Bewegungsformen seien ihm schon immer leicht von der Hand gegangen. Hat er den Bogen raus, dann "fliegt das alles bei ihm", sagt Spies. Das war schon in den vielen Sportarten so, die er früher betrieben hat, im Eishockey und Golf, im Tennis und in der Nordischen Kombination. Und das verhält sich so auch in der Sportart, bei der er geblieben ist, dem Bobfahren.

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