Bob:Anführerin einer neuen Generation

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Hoffnung nach dem Umbruch bei den Bobfahrerinnen weckt Mariama Jamanka, die am Wochenende bei der WM antritt. Im Januar gewann sie den EM-Titel. (Foto: Klaus-Eckhard Jost/ATP)

Die ehemalige Leichtathletin Jamanka ist vor drei Jahren zum Bobsport gewechselt - jetzt tritt sie als stärkste Fahrerin bei der Heim-WM am Königssee an.

Von Johannes Kirchmeier, München

Als sie in dieser Woche angekommen ist am Königssee, die ersten Trainingseinheiten absolviert hat, musste Mariama Jamanka an ihre besondere Beziehung zur Eisrinne denken. Am Königssee trat die Bobfahrerin zum ersten Mal bei einem Wettkampf an, vor zwei Jahren fuhr sie dort dann erstmals im Weltcup, und nun startet sie dort in ihre zweite Weltmeisterschaft. "Es wird auf jeden Fall ein Spektakel", freut sich die 26-Jährige. Und wenn man so will, kommt auch ab Freitag etwas Neues auf sie zu: Sie tritt als stärkste Fahrerin des Deutschen Bob- und Schlittenverbands (BSD) bei der Heim-WM an. "Es hat mich schon überrascht, wie schnell sie sich stabilisiert hat", sagt Bundestrainer René Spies über ihre Entwicklung.

Es hat sich einiges verändert bei den deutschen Bobfahrerinnen in den vergangenen Jahren. Erst beendeten die vielmals goldbehängten Sandra Kiriasis und Cathleen Martini ihre Karrieren, kurz vor Saisonbeginn folgte die amtierende Weltmeisterin Anja Schneiderheinze, die ein Kind erwartet. "Da sind wir alle etwas ins kalte Wasser geschmissen worden", sagt Spies. "Aber am Ende ist das eine ganz normale Entwicklung." Allerdings eine, die ihm die Goldfavoritin bei der WM und bei den kommenden Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang raubt. Der 43-Jährige musste umplanen und die freien Plätze besetzen.

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Die neue Generation vertreten die Pilotinnen Stephanie Schneider, Christin Senkel und Jamanka. Aber da ja immer zwei Frauen im Bob sitzen, musste Spies noch etwas tüfteln. Denn nach dem Rücktritt von Schneiderheinze hatte er auch die Aufgabe, andere Teams zu bilden. Anschieberin Annika Drazek, eine der schnellsten der Welt, wechselte im Januar zu Jamanka. Damit hat Spies das fehlende Puzzleteilchen ergänzt. Nach diesem Wechsel hat Jamanka "einen Riesenschritt gemacht", wie sie mit einem Lachen sagt. Sie feierte ihren größten Erfolg: Mitte Januar raste sie mit Drazek zum Europameisterschaftstitel in Winterberg. Danach belegte sie beim Weltcuprennen am Königssee Rang drei. Zur Medaillenfavoritin mache sie das am Wochenende aber noch nicht, schränkt sie ein: "Die Nordamerikanerinnen sind einfach sehr stark." Damit meint sie Kailie Humphries (Kanada), Jamie Greubel Poser und Elana Meyers Taylor (beide USA). Sie zählen anders als Emporkömmling Jamanka schon seit Jahren zu den schnellsten Fahrerinnen der Welt. "Mit einem vierten Platz wäre ich voll in den Erwartungen", sagt sie.

Die ehemalige Leichtathletin Jamanka ist vor drei Jahren zum Bobsport gewechselt, "und anfangs habe ich mich richtig schwer getan". Da reihte sie Sturz an Sturz. Entmutigen wollte sie sich davon aber nicht lassen und versuchte beharrlich, sich zu verbessern. Nach und nach stabilisierte sie sich, vor etwas mehr als einem Jahr gelang ihr der Durchbruch, die ersten fehlerfreien Fahrten, weil ihr das Lenken mit den Seilen inzwischen viel leichter von der Hand ging. Und weil sie eine Schwäche ablegen konnte: "Zu Beginn der Saison wirkte sie noch manchmal unruhig, wenn sie runtergefahren ist", sagt Spies. Die Nervosität hat sie abgelegt, wie man besonders beim EM-Titel im Januar beobachten konnte. Aktuell arbeitet Spies mit ihr besonders an ihrer Athletik: Jamanka soll beim Starten noch schneller werden. Dafür geht sie auch vor der WM noch regelmäßig in den Kraftraum. "Allerdings arbeite ich mit deutlichen geringeren Umfängen."

Was so ein guter Start bei einer Bobfahrt ausmacht, zeigt vor allem Francesco Friedrich. Der gilt seit Jahren als einer der schnellsten Starter. Am Wochenende verteidigt er seinen Titel. Er zählt wie sein Teamkollege Johannes Lochner, der allerdings in den vergangenen Tagen stark erkältet war, zum Favoritenkreis bei der Heim-WM. Die hat sich im Dezember ergeben, nachdem Schönau am Königssee kurzfristig als WM-Ausrichter eingesprungen ist fürs russische Sotschi, dem die Ausrichtung nach den Doping-Enthüllungen des McLaren-Reports entzogen worden war. Für Mariama Jamanka könnte diese Entscheidung eine glückliche Fügung sein. Denn die Möglichkeit, überhaupt an eine Medaille zu denken, hat sich erst im Laufe dieser Saison ergeben. Darüber hat sie sich mit ihrem Trainer unterhalten: "Er meinte, dass das Podest fantastisch wäre." Vielleicht ist es am Wochenende, am Ort ihrer Premieren, ja schon Zeit für eine erste WM-Medaille.

© SZ vom 16.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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