Glücklicher Fifa-Präsident:Blatter lächelt die Krise weg

Lesezeit: 3 min

Joseph Blatter bleibt erwartungsgemäß Fifa-Präsident und baut auf ein hundertprozentige Unterstützung seines Vorstands. Selbst auf Rückhalt aus Deutschland kann er bauen. Die offenen Fragen bleiben.

Thomas Kistner

"Die Fifa", dozierte Sepp Blatter zum Ausklang der Veranstaltung im Prachtbau auf dem Zürichberg, "ist etwas sehr Spezielles!" Wer mag da widersprechen? Dass auch ein Weltverband eine Ein-Mann-Veranstaltung sein kann, zeigte sich nicht nur bei der Vorstandssitzung am Dienstag, wo der nun sogar in Fußballkreisen angeschossene Fifa-Präsident locker die hausübliche Hundertprozent-Zustimmung für sich akquirierte.

Blatter nach der Pressekonferenz: Alles schön bei der Fifa (Foto: dpa)

Den dicken Vertrauensbonus hatte im Schweizer Boulevardblatt Blick schon sein Reformchef Mark Pieth vorgelegt. Der Compliance-Experte rührte per Kolumne gleich neben einer seitenhohen Blatter-Figur im Sheriff-Kostüm karnevalesk die Trommel: "Ohne Blatter würde der Reformprozess in sich zusammenbrechen!"

Das ist er zum Glück doch nicht, weil Blatter und seinen Vorstandskollegen, die von einem effektiven Ethikkommitee teilweise Schlimmstes zu erwarten hätten, Pieths Reform außerordentlich gut gefällt. So gab die Fifa die Chefs ihrer neuen Kammern bekannt: der Münchner Strafrichter Joachim Eckert und US-Staatsanwalt Michael Garcia. Eckert sitzt der 6. Strafkammer des Landgerichts vor. Er soll nun eine Art Sportgericht leiten.

Garcia ist für die Untersuchungskammer zuständig, er war als Ankläger im Dopingprozess gegen die Sprint-Olympiasiegerin Marion Jones tätig. Beruhigend: "Auch über die sogenannte ISL-Affäre", teilte Blatter der Presse mit, "ist am Ende noch diskutiert worden." Das Schweizer Justizpapier - es enthüllt Blatters langjährige Mitwisserschaft über Millionen-Schmiergelder an hohe Fifa-Kollegen und die Untätigkeit der Verbandsspitze gegenüber korrupten Funktionären, die dem Fußball enorme Summen entzogen hatten - das soll nun von Garcias Kammer untersucht werden.

Blatter betonte dabei: "Garcia hat das Recht und die Pflicht, diesen Fall unter ethisch-moralischen Aspekten zu analysieren!" Die Dramatik des Vortrags, gepaart mit der insgesamt zur Schau gestellten Selbstgewissheit, die Blatter auch bei anderen kritischen Fragen zeigte, muss nicht direkt ein gutes Zeichen sein.

Garcias Kammer ist die entscheidende, und dass die Wahl auf den Amerikaner fiel, war die einzige Überraschung des Tages. Denn bisher waren Blatters Reformer unter Pieth mit einem ganz anderen Namen hausieren gegangen: Luis Moreno Ocampo, argentinischer Chefankläger am Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte.

Seit Ende Mai galt er als nominiert in den Medien; Mitglieder der Reformgruppe wollten an der Frage, ob die Fifa Ocampo akzeptieren würde, gar die Messlatte dafür anlegen, wie weit zu gehen die Fußballfunktionäre bereit seien. Nun stimmten sie über "zwei Kandidaten" ab, wie Blatter ausführte, den Argentinier und den Amerikaner, und entschieden sich für letzteren.

Neben der originellen Ausgangslage, dass die Vorstände sich ihren möglichen Ankläger selbst wählten, steht die Frage, warum Pieths Reformer plötzlich jeweils vier Kandidaten für die beiden Kammern unterbreiteten. Unmittelbar vor dem Fifa-Kongress war die ganze Nominierung überfallartig vertagt worden, weil angeblich einer der Nominierten schwer erkrankt war. Standen damals nicht drei weitere Kandidaten zur Wahl? Die Fifa gab sich die Blöße einer Last-Minute-Vertagung - weil man unbedingt aus Vier wählen wollte? Transparenz bleibt hier ein hartes Brot.

Vorläufig sieht es nicht so aus, als müsste sich Blatter wegen der nun angeschobenen hausinternen ISL-Untersuchung Sorgen machen. Die übrigen sechs Mitglieder von Garcias Ermittlungskammer sind alles alte Bekannte aus Blatters vormaliger Ethikkommission. Die hatte Anfang 2011 Günter Hirsch, vormals Vorsitzender des Bundesgerichtshofs, mit einem vernichtenden Abschiedsbrief verlassen.

Fußball-Weltverband
:Das zwielichtige System der Fifa

Korruption, Betrug und dubiose Figuren: Die Führung des Fußball-Weltverbandes ist seit jeher umstritten. Blatter wurde gesperrt, doch unter Infantino läuft wenig besser. Eine Chronologie.

Jonas Beckenkamp

Ein Jahr noch dürfen die Experten werkeln, darunter ein australischer TV-Moderator und die Verbandschefs aus Frankreich und Mauretanien, erst beim Kongress 2013 dürfen neue Kandidaten für die Ethik-Gremien benannt werden. Ob die ISL-Affäre bis dahin aufgearbeitet sein wird, zur vollen Zufriedenheit der Fifa-Führung?

Fußball-Weltverband
:Das zwielichtige System der Fifa

Korruption, Betrug und dubiose Figuren: Die Führung des Fußball-Weltverbandes ist seit jeher umstritten. Blatter wurde gesperrt, doch unter Infantino läuft wenig besser. Eine Chronologie.

Jonas Beckenkamp

Auf Fragen dazu hatte sich Blatter nichts vorzuwerfen. Der Presse erzählte er, man habe im Oktober 2011 die Freigabe der Zuger Justizpapiere beschlossen. Unerwähnt ließ er dabei, dass das Zuger Obergericht in seinem Freigabebeschluss Ende Dezember die Fifa neben den betroffenen Funktionären als Beschwerdeführerin listete.

Locker plätscherte das Frage-Antwort-Spiel dahin. Glaubhaft versicherte Blatter, er sei auf jede Entscheidung der neuen Ethikkammern "vorbereitet", auch bezüglich einer Nachuntersuchung der WM-Vergaben 2018 an Russland und 2022 an Katar. Einmal ließ er die Mundwinkel hängen und die Hände in den Achselhöhlen verschwinden.

Die Frage, ob sein Gehalt zur Sprache gekommen sei, konterte er: "Wir hatten heute viel wichtigere Themen." Es dürfte dauern, bis Blatters Reformer den Durchblick haben, wo die bedeutsamen Themen schlummern in dem Verband, den der Patron seit mehr als drei Jahrzehnten in diversen Spitzenämtern führt.

Dünnhäutig wehrte er wiederkehrende Fragen nach seiner beruflichen Zukunft ab. "Wenn ich jedes Mal reagieren würde, wenn irgendjemand auf der Welt sagt, tritt zurück, dann würde ich mich blau und grün ärgern", sagte er schließlich, bei der Gelegenheit den deutschen Ligapräsidenten Reinhard Rauball in der Kategorie "irgendjemand" verortend. Rauballs Reaktion, am Rande des Berliner Sicherheitsgipfels: "Ich habe in der vergangenen Woche meine persönliche Meinung gesagt. Es wird Sie nicht verwundern, dass ich diese nicht geändert habe."

Die vorherrschende Sicht vertrat Theo Zwanziger, deutscher Fifa-Vorstand: "Aus Sicht der Fifa-Exekutive ist er absolut tragbar." Auch habe er keinen Auftrag gehabt, Blatters Rücktritt zu fordern. DFB-Präsident Niersbach ergänzte: "Das Wort Rücktritt wird keine offizielle Initiative des DFB werden." Blatter habe recht, wenn er sagt, er könne nur vom Kongress abgewählt werden.

Die Idee, dass Funktionäre auch aus eigenem Entschluss abtreten könnten, ist demnach im deutschen Fußball so wenig verbreitet wie in der Fifa. So ganz zurückrudern will Niersbach aber nicht: In der ISL-Affäre seien "Dinge passiert, die mit der Würde des Amtes nicht vereinbar sind", hielt er noch einmal fest. Und Blatter hielt fest, dass er die ihm verliehene DFB-Ehrennadel "mit Stolz" trage. Am Dienstag war er endlich wieder "ein glücklicher Präsident".

© SZ vom 18.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: