Blatter greift Hoeneß an:Abteilung Attacke aus Zürich

Sepp Blatter beschuldigt Uli Hoeneß, er habe durch eine strikt afrikakritische Haltung anlässlich der Fußball-WM die Münchner Olympia-Bewerbung 2018 torpediert. Doch diese Vorwürfe zielen nicht nur rechnerisch ins Leere, sondern sie sind instinktlos und durchschaubar. Dem Fifa-Präsidenten geht es um das Signal: Er hat wieder Oberwasser.

Thomas Kistner

Bisher galt Uli Hoeneß selbst als personifizierte Abteilung Attacke, es ist lange her, dass er sportpolitisch ernsthaft gefordert wurde. Jetzt aber zieht einer blank. Sepp Blatter, Fifa-Präsident, beschuldigt den Münchner Amtskollegen, dieser habe die Olympia-Bewerbung 2018 torpediert durch eine strikt afrikakritische Haltung.

Zwei Vorwürfe in einem, mit tüchtig Empörungspotential für jedermann. Für den nationalen Sportfan, der just im Hoeneß-Reich Bayern gern Winterspiele gefeiert hätte - und für die Sportwelt, die auf ethnische Zuspitzungen sensibel reagiert. Wer wüsste das besser als Blatter, der hier einen Weltmeister-Titel hält: den im Zurückrudern.

Erst vor Wochen stand er unter Beschuss ob seiner Exklusivmeinung, im Fußball gebe es keinen Rassismus - und falls doch, empfahl er Betroffenen einen Händedruck; gut ist. Dass Blatter ein Geschwür verharmloste, das allwöchentlich zu Spielabbrüchen führt in der Fußballwelt, die er präsidiert, ist das eine. Natürlich ignorierte er die Rücktrittsforderungen von Gewerkschaften und Nationalspielern. Dass er nun mit dem Thema zündeln will, verwandelt Unbedachtheit in Absicht.

Das ist instinktlos und durchschaubar. Hoeneß hatte, wie viele andere, Bedenken zur Sicherheit bei der WM in Südafrika. Dass es so ruhig ablief am winterlichen Kap, verdankte sich übrigens vor allem der Preistreiberei der Fifa und der folgenden Absenz internationaler Fanscharen. Partys stiegen anderswo, für Südafrikas Tourismus-Industrie war die WM ein arger Schlag.

Ins Leere zielt Blatter auch rechnerisch: Münchens Bewerbungspleite im Juli 2011 mit 63:25 gegen Dauerkandidat Pyeongchang aus Südkorea hätten die zwölf möglichen Voten aus Afrika nicht mal hübsch geschminkt. Eine 51:37-Niederlage, mit ganz Afrika im Stimmgepäck, wäre auch nicht als Achtungserfolg durchgegangen.

Aber es geht nicht um München oder Afrika. Es geht um das Signal: Sepp Blatter hat wieder Oberwasser. Korruptionsaffären haben seine getreuesten Wahlhelfer hinweg gerafft - aber erst, als sie sich gegen ihn auflehnten. Weiteren Sportkameraden stellen FBI und andere Ermittler nach, es herrscht Stille intern. Nun spendiert Blatter, der Listenreiche, seinem Weltverband ein Reformprogramm, das den Namen nicht verdient; weil es die Entstehungsgeschichte der Affären-Organisation Fifa völlig im Dunkeln lässt. Blatter will es so: Handwerk statt Ethik, brav bastelt sein Compliance-Komitee an einer besseren Zukunft. Für die Zeit nach Blatter. Ein famoser Plan. Zum Abschied will sich der Mann, der die Fifa seit 1981 am Regiepult betreut, als bedeutender Reformer feiern lassen.

Zeit also, den paar Schwergewichten in der Branche die Stirn zu bieten, die das Vollwaschprogramm noch stören könnten. Was die korrupte Fifa anginge, hat Hoeneß jüngst gedroht, wolle er nicht locker lassen. Jetzt läuft das richtungsweisende Duell zweier Sportführer, von denen einer für ziemlich alles steht, für das der andere nicht steht.

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