Fünfte Amtszeit als Fifa-Präsident:Blatters Sieg ist knapper als gedacht

Fünfte Amtszeit als Fifa-Präsident: Sieger: Sepp Blatter

Sieger: Sepp Blatter

(Foto: AFP)

133:73 Stimmen, danach gibt der blasse Herausforderer Prinz Ali auf: Die Fifa wählt Sepp Blatter trotz aller Affären zum fünften Mal zum Präsidenten. Blatter verdrückt ein Tränchen, am Ende setzt es Pfiffe.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, Zürich

Und plötzlich tritt der Prinz auf die Bühne. Applaus brandet auf. Aber nein, es ist nicht der Beifall für den Sieger, es ist der Dank des Auditoriums, dass der Jordanier für das Ende dieses inszenierten Wahltages sorgt. Und alle Delegierten rechtzeitig zum Abendessen kommen.

Denn Prinz Ali bin al-Hussein hat gerade verkündet, dass er im Kampf um die Präsidentschaft im Fußball-Weltverband (Fifa) auf einen zweiten Wahlgang verzichtet. Was bedeutet, dass der Amtsinhaber Sepp Blatter zum fünften Mal an die Spitze der Organisation expediert worden ist - und sich wieder schneidig vor seiner Gemeinde präsentieren kann: "Ich mag euch, ihr habt mich zurück in die Fifa gebracht. Ich bin nicht perfekt. Aber niemand ist ja perfekt."

Allerdings: Dieser Sieg ist dünner, als er sich das gedacht hatte. Mehr als ein Drittel seiner Verbände hat ihm die rote Karte gezeigt, als der Wahlleiter um kurz nach 19 Uhr das Ergebnis des ersten Durchgangs verkündet: Ali 73 Stimmen, Blatter 133 - gebraucht hätte der Schweizer eine Zwei-Drittel-Mehrheit, also 140 Voten. Es ist ein Denkzettel, viele in der Fußballfamilie wollen ihn weg haben. Als Blatter aufsteht, um die Gratulation entgegenzunehmen, sind auch Pfiffe zu vernehmen.

Knappste Wahl seit Blatters Inthronisierung

Es ist das knappste Resultat seit seiner Inthronisierung 1998. Damals führte er gegen Lennart Johansson, den Uefa-Präsidenten, nach dem ersten Durchgang 111:80; dann zog der Schwede unter Tränen zurück. Er war Favorit gewesen, allerdings nur bis zur Nacht vor der Wahl. Dann sind gut zwei Dutzend Geldkuverts durchs Hotel der afrikanischen Delegierten gesegelt - wofür sich deren Kollegen am Abend nach der Wahl reihenweise bei Johansson entschuldigten. Blatter hat stets jede Kenntnis von diesem Vorgang von sich gewiesen. Später jedenfalls waren seine Küren deutlich einfacher: 2002 setzte er sich gegen Issa Hayatou souverän mit 139:56 durch. 2007 gab's keinen Gegenkandidaten, 2011 auch nicht - Herausforderer Bin Hammam war Tage vor dieser Wahl aus dem Verkehr gezogen worden. Alte Familienkrankheit: Korruption.

Die Folgen für den Weltfußball aus der Wahl 2015 könnten erheblich sein. Während Blatter Mühe hatte, seinem Generalsekretär Jérôme Valcke nicht aus Erleichterung auf offener Bühne um den Hals zu fallen, trug der Fifa-Vorstandsnovize Wolfgang Niersbach das Entsetzen im Gesicht, das in den Stunden nach der denkwürdigen Veranstaltung auch die Debatten unter vielen Delegierten Europas prägte. "Das ist alles nicht erledigt", seufzte der DFB-Präsident im Hinblick auf die erste Zugriffs-Welle der US-Bundespolizei FBI, in deren Schatten der Kongress stand. "Das wird nicht das Ende sein. Ich glaube, die Arbeit in der Fifa wird noch schwerer."

Augenzeugen berichteten, dass allerdings auch Sepp Blatter unter Schock gestanden habe. Sie hatten den neuen alten Boss hastig in seiner Lounge verschwinden und nicht mehr herauskommen sehen. Das teilweise infantil anmutende Gestammel zuvor auf der Bühne, als alles vorbei war, stärkte diesen Eindruck. Keine Stehovationen, nicht mal ein Applaus, der merklich länger oder lauter war als der für den blassen Prinzen: Das könnten in der Tat traumatisierende Erlebnisse für Sepp Blatter sein, hier, im Schoße seiner treuen Familie.

Nun steht die Uefa im eigenen Wort, Konsequenzen zu ziehen

Bis Donnerstag hatten sich die Europäer die Option bewahrt, die Wahl zu boykottieren - und ein Zeichen zu setzen gegen die jüngsten Korruptionsaffären. Dann ließen sie sich von Prinz Ali überzeugen, der gute Chancen für sich witterte. Angeblich 60 Stimmen aus der nichteuropäischen Welt wollte der Jordanier auf der Seite haben. Die Uefa zog mit ihm in den Kampf - und verlor erwartungsgemäß, wenn auch nicht krachend.

Nun steht sie im eigenen Wort: Vor der Wahl hatte Uefa-Chef Michel Platini für den Fall von Blatters Sieg Konsequenzen angekündigt, bis hin zum Rückzug aus allen Fifa-Wettbewerben. Als erster kleiner Schritt ist zunächst zu erwarten, dass der Engländer David Gill sein Amt in der Fifa-Exekutive nicht antritt, wie DFB-Chef Niersbach nach der Wahl der SZ bestätigte.

Europa hat den Wahlkampf in den Sand gesetzt. Was wäre passiert, fragten sich Delegierte in den Kongresspausen, wenn im Schatten der FBI-Zugriffe nicht der Prinz aus Amman Blatter herausgefordert hätte - sondern Platini selbst? Der Franzose hatte im Vorjahr eine eigene Kandidatur verworfen. Nun blieb ihm beim Achtungserfolg des Königssprosses nur die Zuschauerrolle. Zwei Plätze neben Blatter, auf der Vorstandsbühne.

Über den ganzen zähen Tag hinweg hatten Blatter und die Fifa-Regie eine große Inszenierung hingelegt. In seiner Ansprache schaffte es der Schweizer, fast nichts zum Skandal zu sagen. Klar, ein paar Änderungen mussten sein. Aus Sicht des routinierten Krisen-Kommunikators hieß das, noch tiefer als sonst im Archiv aus Plattitüden zu graben, da liegen genug patinierte Textbausteine herum. Blatter beschwor also die Einheit der Bewegung; er streute üppig Begriffs-Krümel von der Ethik-Theke ein: Respekt, Fairplay, Frieden, Disziplin etc.; er lobte all die selbstkreierten Komitees, die bereits 85 Prozent der Selbstreform bewältigt hätten. Ein wenig schalt er auch die bösen Buben in der Ausschaffungshaft. "Wir können nicht zulassen, dass der Ruf der Fifa in den Dreck gezogen wird", sagte der Mann, der diese Fifa seit 34 Jahren in entscheidenden Ämtern dirigiert. "Die Schuldigen sind Einzelpersonen, das ist nicht die ganze Fifa!"

Nach dem Showdown redet der typische Blatter

65th FIFA Congress in Zurich

Der Kongress lauscht: Fifa-Chef Sepp Blatter hält seine Eröffnungsansprache.

(Foto: Walter Bieri/dpa)

Noch ein anderes kritisches Thema galt es abzumoderieren. Über Monate hatte Palästina den Ausschluss Israels aus der Fifa gefordert. Vor der Halle demonstrierten propalästinensische Aktivisten, einige schafften es anfangs sogar in die Kongresshalle, Blatter verlangte nach den Sicherheitskräften. Als die Agenda beim Thema angelangt war, löste sich der Konflikt auf branchenübliche Weise. Jibril Al Rajoub vom Verband Palästinas sprach lange und leidenschaftlich, er leistete sich ein Wortgefecht mit Israels Vertreter - aber den Antrag zog er zurück.

Dann der Showdown um die Präsidentschaft. Erst redet ein leidenschaftsloser Prinz, dann ein typischer Blatter. Er gibt sich bewegt; beschwört die Familie; er kommt nach so vielen Fifa-Jahren zu der exklusiven Erkenntnis, dass seine Zeit hier doch sehr kurz gewesen sei; fast drückt er ein Tränchen raus, als er fleht: "Ich möchte einfach bei Ihnen bleiben!"

Zirka zwei Stunden später wusste er: Es hat mal wieder geklappt.

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