Bilanz der Ski-WM:Beißen statt Bellen

Nach einem weiteren Großereignis ohne Erfolg kündigt der deutsche Alpin-Direktor Wolfgang Maier drastische Maßnahmen an.

Wolfgang Gärner

Ihr sechster Platz sei ein gutes Ergebnis sagte Slalomfahrerin Monika Bergmann-Schmuderer, "aber bei einer WM zählt halt nur: eins - zwei - drei". Eins - zwei - drei gab es nicht in Åre für die deutschen alpinen Skifahrer, genauso wenig wie vergangenes Jahr bei Olympia, vor zwei Jahren bei der WM in Bormio und 2003 zum gleichen Anlass in St. Moritz.

Bilanz der Ski-WM: Hoffnungsträger Felix Neureuther.

Hoffnungsträger Felix Neureuther.

(Foto: Foto: dpa)

Die sechsten Plätze von Frau Bergmann und der Riesenslalomfahrerin Kathrin Hölzl waren das Beste, was der Deutsche Skiverband (DSV) zu bieten hatte. Kathrin Hölzl erlitt nach dem Riesentorlauf einen Steißbeinbruch - auch das noch. Annemarie Gerg, nominell beste deutsche Slalomistin, scheiterte bei dem Balanceakt, aus gesundheitlichen Gründen nur ein stark reduziertes Training absolvieren zu können und gleichzeitig auf höchstem Niveau Skifahren zu wollen.

Die jüngere Riesch-Schwester Susanne fiel aus und bekam dafür von Frauen-Chefcoach Mathias Berthold den Rüffel: "Susi fährt einen sehr, sehr schnellen Slalomschwung, aber sonst fehlt es in allen Bereichen."

Die Deutschen gehören nicht mehr dazu. Oder noch nicht wieder, wenn man gewisse Hoffnungsschimmer wohlwollend würdigen will. Felix Neureuther hatte sich als Einziger der Mannschaft der Elite eng angenähert, aber nur für ein halbes Rennen (siehe oben stehenden Bericht).

Sein Kollege Alois Vogl, nicht weiter gekommen als ein paar Meter, schalt sich selbst, er habe es wieder mal nicht geschafft, die richtige Einstellung für dieses Rennen zu finden. Wann, wenn nicht für so was? Für Maria Riesch mögen nach zwei Jahren im Krankenstand diese Titelkämpfe tatsächlich zwei, drei Wochen zu früh gekommen sein, aber immerhin hat sie in Åre (mit Ausnahme der Abfahrt, in der sie zum Auftakt des Winters als Siegerin verblüfft hatte) bei allen Starts ihre beste Saisonleistung geboten, so wie es sein sollte beim Hauptereignis.

Stephan Keppler als einziger nennenswerter Speedpilot war kurz vor der WM bei einem Trainingssturz ebenso heftig blessiert worden wie die im gleichen Fach tätige Petra Haltmayr, also war von beiden nicht viel zu erwarten.

Verbandspräsident Alfons Hörmann hatte gewusst, dass seine Fahrer "nicht die klassischen Medaillenanwärter" waren, und die Strategie seines Alpin-Direktors Wolfgang Maier war es gewesen, "Medaillenzwänge vom Team weghalten. Es ging darum, uns zwischen den Plätzen fünf und zehn festzufahren".

Manche von ihnen haben das mit dem Festfahren unter Umständen falsch verstanden, kritisch hinterfragen müsse man einige Starter in den Abfahrten (Johannes Stehle, Gina Stechert, Fanny Chmelar) und die Slalomfrauen. Letztere waren für Maier "das Enttäuschendste, weil wir seit Jahren das dichteste Team in dieser Disziplin stellen, aber nie besser als an Rang sechs platziert sind".

Mehr als ein Lucky Punch

Diesen sechsten Platz holte diesmal Monika Bergmann-Schmuderer, die sich abseits des Teams vorbereitet. Deutschlands alpiner Plan zentriert sich ganz auf 2011, wenn die WM in Garmisch-Partenkirchen stattfindet. Dafür eine schlagkräftige Mannschaft aufzubauen, sei ein realistisches Ziel, sagt Hörmann: "Die 15- bis 18-Jährigen haben wir, um dahin zu kommen."

Maier dringt auf ein beschleunigtes Verfahren: "Bei der nächsten WM möchte ich nicht mehr darauf hoffen müssen, dass man vielleicht einen Lucky Punch landen kann. Bis 2009 Val d'Isere müssen die Mädchen in der Lage sein, um die Medaillen zu fahren, bis 2010 die Männer."

Hoffnung darauf macht das Team der Riesenslalomfrauen, in dem Kathrin Hölzl, 22, Sechste und Viktoria Rebensburg, 17, Achte wurden. "Einen Reißer wie Rebensburg gibt es bei den Männern nicht", sagt Maier, aber es gibt eine Perspektivgruppe der Jahrgänge 1987 bis '89 mit dem jungen Josef Ferstl vorne dran. Der alte Ferstl Sepp wurde vor 29 Jahren in Garmisch-Partenkirchen WM-Zweiter in der Kombination.

Riesige Enttäuschung

So was galt damals als Trostpreis. "Wir sprechen von der Zukunft", sagt Wolgang Maier, "wir können es uns nicht länger erlauben, zu sagen: vielleicht, irgendwann . . ." Die Gegenwart wirft vorwiegend Fragen auf wie: "Wenn die Schweden es schaffen, ein starkes junges Slalomteam aufzubauen, müssen wir das auch hinkriegen", und lapidare Erkenntnisse wie: "Deutschland ist nicht Österreich."

Fakt ist aber, dass die jungen Schweden wie Jens Byggmark und Co. die Flüge nach Amerika selbst bezahlten, und dass Österreichs Skiprofis ihr Konditionstraining im Sommer in Eigenfinanzierung organisieren. Bis so ein Bewusstsein hierzulande sich durchsetzt, ist es noch ein weiter Weg. Der Sportdirektor will ihn beschleunigen durch drastische Maßnahmen: "Am Schluss des Winters wird nicht nur gebellt, sondern auch gebissen."

Als Felix Neureuther in äußerst aussichtsreicher Position ausgeschieden war im Slalom, kommentierte Männerchef Werner Margreiter: "Die Enttäuschung ist riesig, weil wir es mehr als dringend notwendig gehabt hätten." Mit am dringendsten hätte er selbst es notwendig gehabt, wenn er Cheftrainer der deutschen Männer bleiben wollte.

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