Bilanz der Leichtathletik-EM:DLV schafft schmuckloses Unentschieden

Leichtathletik-EM 2014

Zukunftshoffnung: Marie-Laurence Jungfleisch aus Tübingen übersprang in Zürich 1,97 Meter und steigerte damit ihre Bestleistung. Damit landete sie auf Platz fünf.

(Foto: dpa)

Acht Medaillen, vier davon aus Gold: Am letzten Wettkampftag verhindern einige Erfolge ein deutsches Debakel bei der EM in Zürich. Der Deutsche Leichtathletik-Verband muss alle Kräfte mobilisieren, um im Wettstreit der Nachwuchsausbildung mitzuhalten.

Kommentar von Johannes Knuth, Zürich

Thomas Kurschilgen bemühte ein Zitat Sepp Herbergers, dem Fußball-Urgroßvater der Nation. "Die EM ist erst vorbei, wenn die letzte Staffel im Ziel ist", sagte Thomas Kurschilgen, Sportdirektor des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV) am Sonntagmorgen, wenige Stunden vor dem letzten Finaltag der Leichtathletik-EM in Zürich. Man habe die eine oder andere Erwartung bisher nicht erfüllt, aber abgerechnet werde auch in der Leichtathletik erst am Schluss. Nun gut.

Am Sonntagabend ist im Züricher Letzigrund die letzte Staffel dieser Europameisterschaft ins Ziel getrudelt. Bleibt man bei der Fußball-Dialektik des Sportdirektors, hat sich die DLV-Mannschaft kurz vor Spielende ein weitgehend schmuckloses Unentschieden erarbeitet. Am Schlusstag lief Hindernisläuferin Antje Möldner-Schmidt überraschend zu Gold, Christina Schwanitz gewann im Kugelstoßen, die 4x100-Meter-Staffel sprintete zu Silber. Macht am Ende acht Medaillen, vier goldene, eine silberne, drei bronzene - womit der DLV sich gerade noch auf den dritten Rang im Medaillenspiegel schob.

Das ist nicht richtig enttäuschend, es ist auch nicht gut. Sie haben beim DLV am Sonntag betont, dass es nichts Schlechtes verheißt, halb so viele Medaillen zu haben wie vor zwei Jahren bei der EM 2012 in Helsinki. Aber diese Betrachtung greift ein wenig zu kurz.

"Extremer Leistungsschub in Europa"

Ja, es ist ungerecht, die junge deutsche Mannschaft, im Durchschnitt rund 25 Jahre jung, am Medaillenspiegel zu messen. Ja, vierte und fünfte Plätze bei den Erwachsenen sind für Athleten, die teilweise noch im Nachwuchsbereich tätig sind, manchmal genauso wertvoll wie eine Medaille. Ja, die DLV-Vertreter haben sich in Zürich in sehr vielen Finalkämpfen präsentiert, "so oft wie zuletzt bei der EM 2002", wie Kurschilgen am Sonntagabend vorrechnete. Ja, es lohnt sich auch einmal neben das Podium zu schauen, um festzuhalten, welche Talente für die kommenden Jahren nachkommen (Antwort: sehr viele). Ja, manchmal hatten sie in Zürich einfach Pech.

Sie müssen allerdings aufpassen beim DLV, dass sie es nicht übertreiben mit der Bilanzkorrektur, dass sie von den Verschiebungen in der Leichtathletik nicht an den Rand gedrängt werden. Kurschilgen hatte zuletzt selbst "einen extremen Leistungsschub in Europa" gesehen. Bei der EM 2012 in Helsinki, als die Deutschen eifrig zugriffen bei den Medaillen, fehlten zudem viele Branchenführer, weil am Horizont die Olympischen Spiele aufzogen. In Zürich war das Gros der europäischen Spitze versammelt - schon fiel manch Arrivierter aus den Medaillenrängen oder blieb außen vor.

In Zürich gedieh zwar der Nachwuchs. Doch die Konkurrenz bildet ebenfalls aus, eifriger denn je. Manche DLV-Talente werden von der Fortbildung in Zürich profitieren, aber nicht alle werden ihre Finalplätze gegen Medaillen eintauschen, sich automatisch in Leistungsträger verwandeln oder gar in "Medaillenbänke", wie Prokop die Hartings und Storls dieser Welt bezeichnet. 2018 kommt die EM ins Olympiastadion von Berlin, man werde die Ticketpreise nach den bedingt sozialverträglichen Tarifen von Zürich familienfreundlich gestalten, versprach Prokop. Ein weiteres Verkaufsargument wäre: die eine oder andere zusätzliche Medaillenbank.

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