Mit dem Abpfiff verschwinden die Gesichter. Nicht aus dem Stadion, sondern hinter Schals: Wer immer an diesem Abend ein Bielefelder ist, reckt sein Fanstück in die Höhe, ein blauer Schleier umgibt den Rasen. Die Boxen pressen die Hymne von Arminia Bielefeld durchs Rund, sie dröhnt aus den Kehlen der Zuschauer. Bielefeld feiert. Ein Moment zum Genießen.
Dabei hat der Drittligist gerade ein Spiel verloren, 0:4 sogar. Und die Fans klatschen?
Gegen den VfL Wolfsburg verpasste Arminia Bielefeld deutlich den Einzug ins Finale des DFB-Pokals, doch es überhaupt dorthin geschafft zu haben, erfüllte die Außenseiter mit Stolz. "Ohne Worte. Das ganze Stadion singt die Hymne, obwohl wir aus dem Pokal ausgeschieden sind", schwärmte Abwehrspieler Tom Schütz. "Eine überragende Stimmung, nicht nur heute", sagte Manuel Junglas. Und Kapitän Fabian Klos schrieb bei Facebook: "Gänsehaut, ohne Worte, ihr seid überragend! Kein Geld der Welt kann wahre Fanliebe ersetzen ... Herzblut ist blau."
Nun gab es nicht wenige Bielefelder, die trotz der Außenseiterrolle von der ganz großen Überraschung geträumt hatten, vom Pokalfinale. Nur einmal nach Berlin. Zweimal, 2005 und 2006, waren sie knapp an diesem Traum gescheitert. Begründete Hoffnung gab es auch diesmal, schließlich hatte der DSC in den Runden zuvor Hertha BSC, Werder Bremen und Borussia Mönchengladbach aus dem Wettbewerb katapultiert.
Doch gegen Wolfsburg stieß Bielefeld an die eigenen Grenzen, der Bundesliga-Zweite war zu stark und abgeklärt. "Jeder Spieler träumt davon, einmal ein Pokalfinale in Berlin zu spielen", sagte Bielefelds Christoph Hemlein, "aber Wolfsburg war einfach eine Klasse besser." Auch Trainer Norbert Meier meinte: "Wolfsburg hat verdient gewonnen." Er haderte nicht mit dem eigenen Ausscheiden. "Wir brauchen uns nicht grämen. Wir haben in dieser Saison Großes geleistet im Pokalwettbewerb und auch heute kein schlechtes Spiel gemacht. Unsere Jungs waren gut drauf, aber wenn man überlegt, dass bei Wolfsburg ein Spieler so viel kostet wie unser Kader, dann muss man die Kirche im Dorf lassen."
"Es wird ein emotionales Finale geben"
Ein ungewöhnliches Bild bot sich in Bielefeld, denn nach dem Abpfiff feierten beide Mannschaften auf dem Rasen. Auch etwa 2600 VfL-Anhänger waren nach Ostwestfalen gereist und bejubelten den Einzug ins Pokalfinale. "Das ist traumhaft schön. Man hat von Anfang an gesehen, dass jeder Spieler ins Finale wollte. Wir haben den Gegner nicht unterschätzt und eine super Leistung gezeigt", bilanzierte Wolfsburgs Daniel Caligiuri. Für die entscheidenden Treffer sorgten Maximilian Arnold (8. und 54.), Luiz Gustavo (31.) und Ivan Perisic (51.).
Am 30. Mai geht es nun nach Berlin, zum Duell mit Borussia Dortmund. "Es wird sicherlich ein emotionales Finale werden", kündigte Trainer Dieter Hecking an, "wir werden alles tun, um den Pokal nach Hause zu holen." Doch bis dahin steht auf dem Plan der Wolfsburger: die Qualifikation für die Champions League.
Auch für Bielefeld stehen nach diesem Pokalabend noch wichtige Spiele an. Trotz des verpassten Finals soll nämlich die Vereinschronik im Mai um einen, bestenfalls zwei Erfolge erweitert werden. Zum einen mit dem Gewinn des Westfalenpokals. Zum anderen, und das ist der weitaus wichtigere und bedeutendere Titel, mit der Rückkehr in die 2. Bundesliga.
Am kommenden Samstag erwartet der DSC als Tabellenerster den ärgsten Konkurrenten Holstein Kiel. Mehr als 25 000 Ostwestfalen werden auch dann wieder live dabei sein und ihre Vereinstreue besingen. Aber ein 0:4 haben sie am Mittwochabend vielleicht zum letzten Mal beklatscht.