Biathlon:Zwischen Viren und Wind

Die deutschen Biathleten verzeichnen in Antholz vereinzelte Erfolge und suchen vor der WM weiter nach verlässlicher Form.

Antholz/München - Um halb eins kam der Wind. Böige, unberechenbare Luftstöße wehten von rechts in den Schießstand von Antholz hinein und brachten alles durcheinander. Die Biathletinnen lagen auf ihren Matten, der Schnee stob über sie hinweg, die Windfähnchen flatterten waagerecht. Die Schützinnen warteten, doch es half nichts. Irgendwann mussten sie ja abdrücken und ihre Kugeln gingen verloren, landeten weitab der schwarzen Scheiben. Die Deutsche Katrin Apel etwa, sonst zielsicher, setzte in diesem Massenstartrennen elf von 20 Schüssen daneben. Der Wind verschonte niemanden an diesem Nachmittag, zumindest niemanden von den Athleten. Wer von dem Wetter profitierte, waren höchstens die Biathlon-Trainer.

Die Männer hinter den Ferngläsern stehen zwei Wochen vor der Weltmeisterschaft in Oberhof auch vor einer unangenehmen Aufgabe. Sie sollen der Öffentlichkeit erklären, wie gut ihre Athleten sind, sollen Einschätzungen abgeben, Bilanz ziehen aus den letzten wichtigen Rennen, sollen sich fest legen, den Kader zusammenstellen - und das alles in einem Sport, in dem jeder der 30 Besten ein WM-Rennen gewinnen kann; in dem Prognosen so treffsicher sind wie ein Schuss bei acht Metern Wind pro Sekunde, gemessen am Sonntag um halb eins in Antholz. Doch nach den widrigen Bedingungen dürften die beiden Trainer noch etwas Bedenkzeit haben. Bis auf Ricco Groß hatte sich niemand im DSV-Team aufgedrängt, aber jeder hatte eine gute Entschuldigung.

Als die letzten Weltcup-Blumensträuße vor der WM überreicht waren, schien es, als wäre für die Zusammensetzung der deutschen Mannschaften wieder alles offen. Bis auf Frank Luck, der über seine Formschwäche rätselt und sich in München untersuchen ließ, hatten sich in den letzten Wochen die meisten DSV-Läufer zumindest einmal empfohlen. In Antholz hatten die älteren Athleten gezeigt, wie wichtig Erfahrung bei Wind ist, die Jüngeren hatten ihre aufsteigende Form bestätigt. Sven Fischer hatte seinen Sieg über 20 Kilometern vor allem deshalb errungen, weil er im Stehendanschlag genug Geduld hatte, zwischendurch eine Böe vorbeiziehen zu lassen. Ricco Groß war drei Mal auf Platz drei angekommen, weil er auch hervorragend im Schlussprint taktieren kann.

Auch jene, die noch zu jung sind, um im Rennen viel zu kalkulieren, hatten die guten Leistungen des Januars wiederholt. Michael Greis landete im Sprint auf Platz vier, und war auch im Massenstart zweitbester Deutscher hinter Groß. Andreas Birnbacher aus Ruhpolding, der noch um einen WM-Kaderplatz ringt, hatte zumindest den ersten Wettkampf in Antholz genutzt und war unter den besten Zehn gelandet. Zufrieden kann auch Simone Denkinger sein, auch wenn sie in den letzten Rennen nicht mehr ganz vorne lag. "Sie hat eine zielstrebige Art, deshalb wundern mich ihre Leistungen jetzt nicht", hatte Frauen-Bundestrainer Uwe Müssiggang eimal gesagt.

Der Charakter der gesamten Mannschaft lässt sich dagegen schwer beurteilen, außer dass auf sie bislang nicht allzuviel Verlass ist. Die Männer, die bis auf Groß während der Saison stetig enttäuschten, begeisterten in Antholz plötzlich ihre Fans. Und viele DSV-Frauen, die noch in Ruhpolding hoch gelobt wurden, rannten in Antholz gemeinsam mit den Anfängern des Biathlons über die Ziellinie. Doch auch dafür hat Müssiggang Erklärungen. Martina Glagow, Katja Beer und Andrea Henkel befinden sich nach Virus-Erkrankungen im Konditionsaufbau.

Die Konkurrenz für die WM ist weniger launisch. Ihren Einbruch in den ersten Rennen von Antholz haben die Norweger noch am selben Ort überwunden. Am Sonntag gewann Linda Tjörhom den Massenstart, Ole Einar Björndalen belegte Platz zwei, mit nur drei Zehntel Vorsprung vor Ricco Groß. Und bei der Weltmeisterschaft ist wieder mit jenem Zweikampf zu rechnen, der schon in den vergangenen drei Jahren die meisten Biathlonrennen prägte: Björndalen gegen Raphael Poirée. Der Franzose ließ am Sonntag alle hinter sich - die Norweger, die Russen, die Deutschen und den Wind: Als Einziger hatte er alle 20 Scheiben getroffen.

Volker Kreisl

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