Biathlon-WM:Wind in Oberhof

Von Volker Kreisl

Was Wind alles kann. Wind kann zum Beispiel Konzerte geben. Mit rotweißem Absperrband Flattertöne erzeugen, tiefe und hohe, je nach Böenstärke. Wind schafft Kunstwerke. Straßenschilder, verchromt, mit Doppelstange, zerknüllt er zu Schrotthaufen. An Holzbuden kann er laut rappeln, Zelte machen ihm mehr Spaß. Sie krallen sich noch etwas fest, ehe sie abheben wie beim Wettkampf die Liegematten der Schützen. Wind kann schwarzrotgoldene Fahnen um Zuschauerhälse wickeln und er kann schwarzrotgoldene Kasperlmützen wegzupfen und an Windschutzscheiben von Omnibussen schleudern, und bei dieser Gelegenheit spielen beide Elemente, welche die WM zurzeit heimsuchen, zusammen. Der Wind und die Zuschauermassen.

25.000 ist eine respektable Zahl, nur wenn 25.000 Menschen auf einmal aufbrechen, um auf einer zweispurigen Straße durch den Wald zu einer Arena zu gelangen, dann bedarf es genauester Logistik. Deshalb haben die Planer der WM den Verkehr gesperrt und ungefähr alle Omnibusse des Landes Thüringens gechartert, damit keiner zu lange warten muss. Der Effekt war dann ähnlich dem einer Wasserflasche, die man unter einen offenen Wasserhahn stellt und vergisst.

Weil aber unter Biathlon-Zuschauern auch viele passionierte Wanderer sind, kam es zusätzlich zu Gedrängel zwischen Wanderern und Omnibussen. Manche Wanderer entdeckten, dass man die riesigen Omnibusse ärgern kann, wenn man sich in den Weg stellt, und erst im letzten Augenblick zur Seite hüpft, manche Omnibusse entdeckten, dass Wanderer schneller und weiter springen, wenn man im Leerlauf dicht auffährt, und im letzten Augenblick hupt.

Wanderer und Omnibusse haben sich aber bald vertragen. Der Wind dagegen blieb noch eine Weile, er ist ja viel freier als wir Menschen. Und er kann viel, beim Joggen hilft er einem den Berg hinauf, und wenn man am Abend einer Biathlon-WM joggt, dann erlebt man Wunderliches. Sonst begegnen einem ja nur mitleidige Blicke, bei einer Biathlon-WM aber sagen diese Blicke etwas anderes.

Sie halten einen für einen dieser Biathleten, die nie gehen, sondern immer joggen oder laufen, hopphopphopp, um sich nicht zu erkälten. Natürlich nicht für einen Star, aber vielleicht für einen hoffnungsvollen Läufer des Verbandes von Ost-Tadschikistan. Und dann staunen sie, weil man nachts noch raus muss für Land und Fahne, bei diesem schlimmen Sturm. Für einen kleinen Moment kann einen der Wind sogar berühmt machen.

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