Biathlon-WM in Ruhpolding:Der verflixte letzte Schuss

Andreas Birnbacher und Arnd Peiffer verpassen nur knapp das Podium im Einzelrennen, das der Slowene Jakov Fak gewinnt. Die Deutschen liegen lange auf Medaillenkurs und zeigen sich stark verbessert, doch beim entscheidenden Schießen versagen ihnen die Nerven - Birnbacher entgeht am Ende um 0,8 Sekunden Bronze.

Volker Kreisl, Ruhpolding

Die letzte Scheibe, das ist immer die schwierigste im Biathlon. Bekannt ist dieses Phänomen ungefähr seit 100 Jahren, seit Langläufer ein Gewehr mitnehmen und dann untereinander ausmachen, wer besser trifft. So alt ist es, dass sicher längst ein spezielles Letzte-Scheibe-Training erfunden wurde, doch es brachte offenbar nichts, denn ihr Fluch lastet weiter auf den Biathleten. Am Dienstag, im 20-km-Einzel der WM, traf er mal wieder die Deutschen, genauer Arnd Peiffer und Andreas Birnbacher.

IBU Biathlon World Championships - Men's 20km Individual

Nur am Ende kurz unkonzentriert: Andreas Birnbacher verpasste knapp eine Medaille.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Beide hatten bis zum letzten Abzug noch Siegchancen, dann aber schossen sie daneben. Birnbacher blieb zumindest an Bronze dran, lief sogar zunächst auf Platz drei, doch an diesem Tag ereilte ihn nicht nur das Pech der letzten Scheibe sondern auch das des vierten Platzes.

Um 0,8 Sekunden schnappte ihm Jaroslav Soukop aus Tschechien die Medaille noch weg. Somit reihten sich Birnbacher (4.), Peiffer (7.) und Greis (11.) trotz eines lang vorbildlich geführten Rennens am Ende wieder hinter anderen ein. "Freuen tut man sich da nicht, wenn im letzten Schuss die Medaille weg ist", sagte Peiffer. Neuer Einzel-Weltmeister ist Jakov Fak (Slowenien), Silber ging an Simon Fourcade aus Frankreich, der seine erste WM-Einzel-Medaille gewann und sich bei seinem Team nochmals für seine Panne im Mixed-Schießen entschuldigte.

Schon vor dem Rennen hatten die Veranstalter den Läufern einen Teil der Belastung dieses Nachmittags abgenommen. Das heißt, zu verdanken hatten die Männer dies eigentlich den Frauen. In deren Verfolgungsrennen war es am neuen besonders steilen und heiklen Streckenabschnitt, dem Sägespäneberg, zu Verkehrsbehinderungen gekommen.

Die Spur führt von diesem Hügel in einer eher aus dem Motorsport bekannten Rechts-links-Schikane hinab, nicht alle Fahrerinnen behielten die Kontrolle. Die Russin Swetlana Sleptsowa driftete nach rechts, über den Mittelstreifen, und räumte eine entgegenkommende Estin von der Fahrbahn. Passiert ist den beiden zum Glück nichts, sie konnten das Rennen beenden, die Veranstalter aber verkürzten vorsorglich an dieser Stelle die Spur der Männer im Einzel und verlängerten sie woanders.

Sieben Höhenmeter pro Runde wurden den Männern also erspart, weil das fehlende Stück woanders angehängt wurde, blieben es aber anstrengende 20 Kilometer. Auch wegen des zusätzlichen Bergs am Westende der Strecke gilt der Kurs als aufreibend, dafür waren die sonstigen Bedingungen wie geschaffen für einen gerechten Einzelwettkampf. Die Sonne hielt sich dezent hinter den Wolken, die Strecke blieb hart, der Wind war bis auf ein paar Regungen still.

Einige hatten Pech

Nur einige hatten Pech: Tarjei Bø, der norwegische Gesamtweltcupsieger des vergangenen Jahres, erwischte einen leichten Windstoß und verfehlte gleich die ersten beiden Scheiben. Bø justierte sein Visier nach, und machte sich auf in eine kühne Aufholjagd, die letztlich nicht zu gewinnen war.

Eine Strafminute pro Fehler holt auch einer wie Bø nicht auf. Doppelweltmeister Martin Fourcade, und die beiden anderen starken Norweger Emil Hegle Svendsen und Ole Einar Bjørndalen, zudem Simon Schempp aus Uhingen schossen in den ersten beiden Einlagen ebenfalls zu unsauber.

Es blieben aus deutscher Sicht noch Peiffer, Birnbacher und Michael Greis. Die ersten beiden steuerten von Beginn an auf Siegkurs, auch Greis, der allerdings etwas langsamer lief, unterliefen auf den ersten drei Schießmatten keine Fehler. Schon im Verfolgungsrennen, dem zweiten individuellen WM-Wettkampf, hatte Peiffer eine beachtliche Erhöhung seines Lauftempos erreicht, nun maß er sich mit den Besten. Birnbacher war etwas dahinter, überzeugte dafür mit drei flotten und rhythmischen Schussfolgen.

Es war irgendwie klar, dass es diesmal auf den 20. von 20 Schüssen hinauslaufen würde, und weil Peiffer und Birnbacher dieses Duell gegen den letzten eigenen Selbstzweifel verloren (Greis verfehlte den 16. Schuss), weil sie WM-Gold vor eigenem Publikum verpassten, deshalb verbargen die Deutschen diesmal auch gar nicht ihren Ärger.

"Ich bin ein bisschen enttäuscht", sagte Birnbacher. Peiffer sagte: "Im letzten Schießen habe ich gleich den ersten vergeben, und dachte: Jetzt muss ich alle treffen." Das hatte ihn aus dem Rhythmus gebracht. "Es ist schon bitter", resümierte Cheftrainer Uwe Müssiggang, "alle drei standen vor dem WM-Titel." Fritz Fischer, der Männer-Trainer, vollzog dann eine Kehrtwende in der Bewertung, er sagte: "Die Freude überwiegt letztlich. Alle drei hätten fast Weltmeister werden können, wir waren besser als jedes andere Team."

Der Nachmittag hatte also aus deutscher Sicht exzellent begonnen, dann war die Stimmung abgekühlt, aber die Trainer richten den Blick schon wieder auf das nächsten Rennen. Am Freitag folgt die Staffel, am Sonntag dann der Massenstart, bei dem wegen seines elften Platzes auch Greis wohl dabei ist. Letzte Fehler hin oder her.

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