Biathlon-WM:Franziska Preuß überwindet die Schmerzen

IBU Biathlon World Championships - Men's and Women's Mass Start

Franziska Preuß: Gleich mit Medaille zum WM-Start

(Foto: Getty Images)

Sogar das Aufstehen tat weh: Nach ihrem Sturz im Dezember wusste niemand, was ihr fehlt. Jetzt will Franziska Preuß bei der Biathlon-WM angreifen.

Von Saskia Aleythe

Nur die Fensterscheibe trennte sie. Franziska Preuß im Kraftraum von Ruhpolding, auf dem Ergometer, draußen der Schnee und die Strecke, auf der sie vor einem Jahr zum ersten Mal einen Podiumsplatz errungen hatte. Biathlon ist der Sport, den sie liebt. Und der Sport, der sie dieses Jahr schon ziemlich belastet hat. Eine mysteriöse Verletzung hat sie wochenlang aus der Saison gerissen - und ein bisschen wahnsinnig gemacht.

Bei den Weltmeisterschaften in Oslo gehört Franziska Preuß zu den vielen hoffnungsvollen Startern im deutschen Team, am Donnerstag holte sie mit der Mixed-Staffel Silber. Laura Dahlmeier, Franziska Hildebrand, Maren Hammerschmidt, sogar Miriam Gössner: Sie alle standen in diesem Winter im Weltcup schon auf dem Podium. Preuß nicht. Dabei ist sie hoch veranlagt. Das konnte man sehen, als sie in die Saison startete, dann stürzte sie Anfang Dezember in Östersund - und hatte irgendwann so starke Schmerzen, dass selbst das Aufstehen wehtat. Eine extrem harte Zeit, sagt Preuß. Vor allem für den Kopf.

Die Ärzte taten sich schwer mit einer Diagnose

"An den Sturz selber erinnere ich mich gar nicht mehr", erzählt Preuß, sie ist dann ja sogar noch zwei Wochen lang Rennen gelaufen. Doch das Steißbein machte immer öfter Probleme, "es wurde von Woche zu Woche schlimmer". Die Ärzte taten sich schwer mit einer Diagnose. "Ich habe schon gemerkt, dass da was anders war, ein bisschen Körpergefühl hat man ja dann doch", sagt sie, "wenn immer alle sagen, da ist nichts, fühlt man sich komisch."

Preuß setzte Hoffnungen in die Weihnachtspause. Doch die Schmerzen blieben. Erst kurz vor dem Heimweltcup in Ruhpolding wurde die Ursache für ihr Leiden gefunden: Sie hatte einen Haarriss im Steißbein. Endlich Gewissheit, "das war gut für den Kopf", dann konnte auch die Behandlung beginnen. Doch die Rennen in ihrer Heimat musste sie absagen.

Während Hildebrand und Dahlmeier draußen vor der Fensterscheibe die Fans begeisterten und Deutschland wieder zur Biathlon-Nation wurde, radelte Preuß auf dem Ergometer, um die Grundfitness zu halten. Ohne Fans, ohne Weltcuppunkte, ohne den Sport, den sie liebt, sie geriet aus dem Fokus der Öffentlichkeit. "Das war eine Quälerei", sagt die 21-Jährige. "Das hat mich fertiggemacht, da zuzugucken." Preuß fuhr nach Hause, zu ihren Eltern. Abschalten.

Prägende Erfahrung bei Olympia

Preuß weiß, was ihr guttut, wenn es mal nicht so läuft. Vor allem die Erlebnisse bei den Olympischen Spielen in Sotschi 2014 waren eine prägende Erfahrung. Preuß war erst 19 Jahre alt, ein hochgewettetes Talent. Beim Einzel wollte sie eigentlich gar nicht starten, die Trainer überredeten sie; nach fünf Schießfehlern bei den ersten zehn Scheiben wurde sie aus dem Rennen genommen. Preuß weinte bitterlich, war untröstlich. "Es war ein Fehler, sie einzusetzen", sagte Bundestrainer Gerald Hönig damals. Es war ein Vorgang, der zeigt, dass junge Athleten manchmal mehr Aufmerksamkeit brauchen als Trainingspläne.

"Ich habe viel aus der Sache lernen können", sagt Preuß heute, "ich bin dadurch auch erwachsener geworden. Das Negative habe ich fast alles verarbeitet." Auch die Betreuung der jungen Mannschaft sieht heute anders aus, "der eine verkraftet das Training besser als der andere, da wird schon darauf eingegangen, Einheiten mal verkürzt oder ausgelassen", sagt Preuß.

Gewachsen an den eigenen Problemen

Das hat ihr auch geholfen, vor der WM in Oslo wieder in Form zu kommen. "Ich merke, dass ich von Training zu Training besser werde", sagt sie, "man muss auf jeden Sportler individuell eingehen und seine Schwerpunkte setzen, das funktioniert ganz gut". Nach sieben verpassten Rennen gab Preuß ihr Comeback im kanadischen Canmore, sie lief gleich auf Rang sechs. "Das war gut, um zu sehen: Ich bin doch noch vorne dabei."

Platzierungen bei der WM nimmt sie sich nicht vor, "das klappt eh nie", wichtig sei nur eine eigene gute Leistung. Und wer sie so reden hört, bekommt wirklich den Eindruck: An ihren Problemen ist sie gewachsen. "Man muss das Beste aus solchen Situationen machen", sagt Preuß. Als wäre es das Einfachste in der Welt.

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