Biathlon-WM:"Einem Hobbysportler würde ich zu einer Pause raten"

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Laura Dahlmeier völlig erschöpft am Boden.

(Foto: AFP)

Doch Laura Dahlmeier meldet sich nach ihrem erneuten Schwächeanfall fit für ihren letzten Einsatz bei der Biathlon-WM. Ärzte und Teamleitung sind einverstanden.

Von Joachim Mölter, Hochfilzen

Die frohe Botschaft dauerte nur 27 Sekunden, so lang war der Videoschnipsel, den der Deutsche Skiverband (DSV) am Samstagvormittag versendete. Laura Dahlmeier war zu sehen, mit rosigen Backen, lächelnd, sie sagte: "Erst mal geht's mir ganz gut. Natürlich war ich gestern ausgepowert und auch recht K.o. dann im Ziel. Aber das ist ja das Gute: Wir Sportler erholen uns auch immer recht schnell. Wenn man uns zwei Stunden Zeit gibt, dann geht's doch immer recht gut. Heute fühle ich mich schon wieder recht ordentlich, ich denke, dass morgen dem Start eigentlich nichts im Wege steht."

Uff, dann kann sie ihre viel beachtete und noch mehr gefeierte Rekordjagd bei der Biathlon-WM in Hochfilzen also fortsetzen am Sonntag im abschließenden Massenstart-Rennen (11.30 Uhr/ARD und Eurosport). Das nächste Ziel, das sie ins Visier nimmt: fünf Titel zu gewinnen bei einer WM. Die Norwegerinnen Liv Grete Poirée (2004 in Oberhof) und Tora Berger (2013 in Nove Mesto) haben vier Goldmedaillen auf einmal mit nach Hause gebracht, ihr Landsmann Ole Einar Björndalen (2005 in Hochfilzen und 2009 in Pyeongchang) sowie der Franzose Martin Fourcade (2016 in Oslo) ebenfalls.

Dahlmeier könnte Neuner überflügeln

Mit diesen Vier hat Dahlmeier schon gleichgezogen am Freitagnachmittag, als sie den Sieg der deutschen Frauen-Staffel über 4x6 Kilometer vollendete. Und bei der Gelegenheit hat sie auch schon etwas vollbracht, was vor ihr noch kein Biathlet geschafft hat: von zehn WM-Rennen nacheinander zehn Medaillen mitzunehmen. Fünf hat sie 2016 in Oslo eingesackt, fünf nun auch schon in Hochfilzen. Sie könnte als erste Deutsche mit sechs Medaillen von globalen Titelkämpfen heimkehren, nicht mal Rekord-Weltmeisterin Magdalena Neuner (zwölf Titel) ist das zu ihrer besten Zeit gelungen.

Aber das üppige Wettkampf-Programm zehrt an Dahlmeiers Kräften, und der Trubel, den ihre Erfolge mit sich bringen, fordert ebenfalls Tribut: Schon nach ihrem Sieg im Einzelrennen über 15 Kilometer am Mittwoch hatte die 23-Jährige einen Schwächeanfall erlitten, am Freitagabend erging es ihr ähnlich. Dahlmeier wollte zwar noch etwas sagen bei der Pressekonferenz, aber sie war schon blass um die Nase und musste ihre Füße hochlegen. Ihre Teamkollegin Vanessa Hinz riet ihr dann ganz energisch, sich zu schonen: "Komm', geh jetzt! Geh' jetzt!!" Teamarzt Klaus-Jürgen Marquardt geleitete die Athletin dann in einen Nebenraum.

Preuß beendet Saison

Die bei der Biathlon-Weltmeisterschaft erkrankt fehlende Franziska Preuß beendet ihre Saison, weil es ihr immer noch nicht gut geht. "Ich bin immer noch beim Doktor und kann immer noch keinen Meter trainieren", sagte die 22-Jährige am Samstag am Rande der WM in Hochfilzen. Wegen mehrerer Infekte musste sie in dieser Saison schon mehrfach pausieren, wurde auch für die WM nicht mehr fit. Deshalb lässt sie die letzten drei Weltcups der Saison in Pyeongchang, Kontiolahti und Oslo aus, um sich vollständig zu regenerieren. "Jetzt muss ich auf mich schauen, geduldig bleiben und die Saison abhaken. Alles was ich jetzt mache, geht schon Richtung nächste Saison", sagte die in Normalform für die Staffel gesetzte Preuß. Bei der WM hat sich Preuß auch keine Frauen-Rennen angeschaut - außer am Freitag das Staffel-Gold. "Für mich ist es bitter, aber ich habe mich sehr für die Mädels gefreut", sagte sie. Für Preuß soll Denise Herrmann den Rest der Weltcupsaison laufen. Denn auch Miriam Gössner, die nicht die WM-Qualifikation schaffte, hat nach einer Stirnhöhlen-Operation die Saison vorzeitig beendet. dpa

Als der Doktor wieder herauskam, beruhigte er: alles in Ordnung, kein Grund zur Sorge. Laura Dahlmeier habe halt das Naturell vieler Spitzenathleten, "die mehr geben als sie körperlich eigentlich in der Lage sind", erklärte der Arzt: "Wenn dann die Belastung abfällt, geht der Puls in den Keller, ihr wird schwindelig und schlecht." Er sehe kein generelles Gesundheitsrisiko, sagte Marquardt: "Einem Hobbysportler würde ich zu einer Pause raten, ein Leistungssportler erholt sich schnell wieder." Dahlmeier habe ihm gesagt: "Ich bin ein zähes Luder."

"Dann kommt der Doktor und hebt mich wieder auf"

Beim Deutschen Skiverband (DSV) macht man sich auch keine Gedanken, die aktuelle Vorzeigeathletin überzustrapazieren. "Wir gehen sehr sensibel damit um", versichert Karin Orgeldinger, die Sportdirektorin Nordisch/Biathlon. Die Athletin werde medizinisch sowieso ständig kontrolliert und sei bei den DSV-Ärzten in besten Händen; man habe vor der WM zudem "sehr intensiv besprochen", welches Programm sie bewältigen wolle. Abgesehen von den Pflichtterminen der Internationalen Biathlon-Union habe Laura Dahlmeier bloß zwei Sponsorentermine wahrgenommen. Dass sie am wettkampffreien Montag beim Gleitschirmfliegen war, sei ihre Privatsache gewesen, sagte DSV-Sprecher Stefan Schwarzbach. Verbieten wolle der Verband ihr solche Aktivitäten nicht, "sie zieht ihre Kraft daraus, für sie ist das kein Stress".

Falls Laura Dahlmeier im kommenden Winter während der Olympischen Spiele von Pyeongchang auf die Idee kommen sollte, zwischendurch mal zum Eisklettern zu gehen zwecks Ablenkung, wird sie der DSV wohl auch daran nicht hindern. "Wenn Laura sagt, sie will weniger machen, werden wir darauf reagieren", versichert Sportdirektorin Orgeldinger: "Aber im Moment gibt es keinen Grund, für Pyeongchang etwas zu ändern."

Dahlmeier muss kämpfen

Laura Dahlmeier kokettiert ohnehin gern mit ihren außergewöhnlichen Fähigkeiten. "Alles geben, an Reserven gehen, das gelingt mir ganz gut", hatte sie vor der WM in der Sport-Bild gesagt und hinzugefügt: "Hinter der Ziellinie kann ich ruhig umfallen. Dann kommt der Doktor und hebt mich wieder auf." Das waren prophetische Worte. Aber allzu oft kann auch sie nicht umfallen, ohne einen Schaden davonzutragen.

Und Dahlmeiers Konkurrenz hat ja nun auch gesehen, dass sie schwächelt. Titelverteidigerin Marie Dorin-Habert (Frankreich) oder Gabriela Koukalova (Tschechien), die zweimalige Saisonsiegerin im Massenstart, oder die nach ihrer Babypause zurückgekehrte Olympiasiegerin Darja Domratschewa (Weißrussland) werden sicher nicht aus Ehrfurcht in die Knie gehen und der Frau aus Garmisch-Partenkirchen die elfte WM-Medaille in Serie schenken. Die muss sich Dahlmeier schon selbst erkämpfen - wenn die Kräfte reichen.

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