Biathlon-WM:Benedikt Doll: Weltmeister der Winzigkeiten

Biathlon-WM: Sprint-Weltmeister Benedikt Doll: "Wenn ich an den Schießstand komme, geht meine Mutter in den Keller"

Sprint-Weltmeister Benedikt Doll: "Wenn ich an den Schießstand komme, geht meine Mutter in den Keller"

(Foto: AP)
  • Bei der Biathlon-WM in Hochfilzen wird Benedikt Doll überraschend Sprint-Weltmeister.
  • Er hatte zuvor noch nie ein Weltcup-Rennen gewonnen, am Ende siegt er mit der Winzigkeit von 0,7 Sekunden Vorsprung vor dem Norweger Johannes Thingnes Bö.
  • In der Vorbereitung half ihm ein Schnapspralinen futterndes, kommunistisches Känguru.

Von Saskia Aleythe, Hochfilzen, Hochfilzen

Ein Rennen ohne Fehler am Schießstand? Ob ihm das überhaupt schon einmal gelungen war, konnte Benedikt Doll gar nicht sagen, dafür lieferte der Biathlet aber einen prägenden Satz, der seine Beziehung zu den Scheiben beim Schießen versinnbildlichte. Benedikt Doll sagte: "Wenn ich an den Schießstand komme, geht meine Mutter immer in den Keller."

Benedikt Doll, 26, ist am Samstagnachmittag Weltmeister im Sprint von Hochfilzen geworden - und das mit null Fehlern am Schießstand. Seine Mutter weilte unter den 14.300 Zuschauern, dass sie sich das Schießen anschauen konnte, bezweifelte der Athlet aber. "Sie verträgt das nicht so gut", sagte Doll und tatsächlich war dieser erste Einzel-Wettbewerb der Männer bei der WM eine aufwühlende Angelegenheit gewesen.

"Vor dem letzten Schuss habe ich gedacht: Wenn du den triffst, wirst du Weltmeister", sagte Doll. Eigentlich ein Gedanke, den die Sportler unbedingt vermeiden wollen, weil es dann meistens schief geht. Zumal es in diesem Rennen auch so ausschaute: Für die Gewissheit, Gold gewonnen zu haben, musste Doll noch einige Zeit warten. Und dann wurde es verdammt knapp.

Mit der Startnummer 82 war Doll ins Rennen gegangen, als Führender kam er im Ziel an, jubelte, lächelte, schüttelte den Kopf. Ein vierter Platz im Sprint von Östersund war sein bestes Resultat in diesem Winter gewesen, überhaupt hatte er zuvor noch nie ein Weltcuprennen gewonnen. "Ich wäre auch mit Silber super glücklich gewesen", sagte Doll später.

Als er schon im Zielbereich angekommen war, war ein ganz gefährlicher noch unterwegs: Der Norweger Johannes Thingnes Bö, Startnummer 96, gefürchtet für seine flinken Beine, hatte noch gute Chancen, ihm die Goldmedaille wegzuschnappen. Auch Bö traf alle zehn Scheiben, mit fast zehn Sekunden Vorsprung auf den Deutschen ging er wieder auf die Strecke. Der zog sich derweil gemütlich um am Streckenrand um, den Blick auf die Bildschirme gerichtet und er dachte: Gold ist wohl weg.

Betreuer sind überwältigt

Doch Bö verlor überraschend immer mehr Zeit, "die Hände wollten heute gewinnen, aber die Beine konnten nicht folgen", sagte Bö, im Ziel angekommen leuchtete plötzlich nicht mehr die eins auf, da stand: 2. Rang, +0,7 Sekunden. Eine Winzigkeit, die den Titel für Doll bedeutete. Der ließ sich von den überwältigten deutschen Betreuern umarmen und machte auch mal einen Glückshüpfer. Als Andreas Stitzl die Zuschauer zur Laola anstimmte, streifte sich Doll entspannt die Trainingshose über. Die Frage, ob er das Erreichte schon begreifen könne, konnte er gar nicht richtig nachvollziehen. "Ich glaube schon, dass es angekommen ist", sagte Doll, "ich genieße es jetzt einfach richtig".

Zu den Favoriten im Feld hatten ganz andere gehört, der dominante Martin Fourcade allen voran, er schoss aber zwei Mal daneben. Damit landete er trotzdem noch auf Rang drei, aber die Chance für die Konkurrenz war nun gegeben. "Es war den ganzen Winter schon so, dass nicht viel gefehlt hat", sagte Doll, immer wieder hatten Kleinigkeiten dazu geführt, dass es am Schießstand dann doch nicht ganz klappte.

Läuferisch ist er immer in der Weltspitze, kaum ein Rennen, in dem er allein aufgrund der Schnelligkeit nicht unter den Top Fünf landen würde. Im deutschen Team ist er der beste Läufer, aber im Gegensatz zu Simon Schempp oder Arnd Peiffer blieb eben meistens mindestens eine Scheibe zu viel stehen.

"Ich habe mir letzte Woche das Ziel genommen, psychisch anders an die Sache ranzugehen", sagte Doll, "und mir zu sagen: Du gewinnst jetzt. Irgendwie hat es geklappt". Am Vormittag vor dem Rennen zum WM-Gold hatte er sich gezielt Entspannung gegönnt. "Ich habe Hörbuch gehört und ein bisschen die Augen zugemacht", sagte er, in der Playlist: Die Känguru-Chroniken von Marc-Uwe Kling. Ein Schnapspralinen futterndes, kommunistisches Känguru und schon läuft's mit dem Sport. Wenn das erstmal die Konkurrenz mitbekommt.

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