Biathlon-Weltcup in Hochfilzen:Noch nicht in Topform

Das Niveau im internationalen Männer-Biathlon ist in diesem Winter so ausgeglichen wie selten zuvor, die deutschen Akteure drosseln ihre Ansprüche. Für Magdalena Neuner dagegen hat der Winter noch nie so gut angefangen.

Joachim Mölter, Hochfilzen

Michael Rösch war zwei Jahre draußen aus dem Weltcup-Geschehen im Biathlon, der Staffel-Olympiasieger von 2006 in Turin stürzte vor den Winterspielen von Vancouver 2010 in ein formidables Formtief, aus dem er erst jetzt wieder herausgekrabbelt ist. Beim Weltcup in Hochfilzen kehrte er am Wochenende zurück mit den Plätzen 27 im Sprint und zwölf in der Verfolgung.

Michael Greis

Seltenes Erlebnis: Michael Greis musste in der Staffel eine Strafrunde laufen.

(Foto: AP)

Und so froh der 28-Jährige aus Altenberg war, wieder dabei sein zu dürfen bei den Besten seiner Zunft, so erstaunt war er, was sich während seiner Abwesenheit in der Szene getan hatte. "Das Feld ist brutal eng zusammen", fasste er nach seinen Rennen zusammen: "Du darfst dir nirgendwo einen Fehler erlauben, nirgendwo eine Sekunde liegenlassen."

Das Niveau im internationalen Männer-Biathlon ist in diesem Winter so ausgeglichen wie selten zuvor, in Hochfilzen sah man das im 10-Kilometer-Sprint am Freitag, in der 12,5-Kilometer-Verfolgung am Samstag und auch in der 4x7,5-Kilometer-Staffel am Sonntag.

Dort belegte das Quartett des Deutschen Skiverbandes (DSV) nur den sechsten Platz, weil ausgerechnet der an Position drei laufende Routinier Michael Greis, 35, aus Nesselwang eine Strafrunde drehen musste; ihm reichten beim Stehendschießen selbst die drei Ersatzpatronen nicht, um alle fünf Scheiben zu Fall zu bringen. "Wenn man einen Fehler macht, wird man sofort bestraft", seufzte Greis. Dieser eine Fehler genügte jedenfalls, um die DSV-Staffel aus dem Rennen um einen Podestplatz zu werfen.

Als Staffel sind offensichtlich nur die traditionell laufstarken Norweger in der Lage, eine Strafrunde wettzumachen, wie sie am Sonntag zeigten. Doch hinter ihnen reihten sich Russen, Franzosen, Schweden und Österreicher fast schon anhand der Zahl ihrer Nachlader ein; jeder einzelne kostet ja ein paar Sekunden Zeit am Schießstand. Von der reinen Laufleistung her war zwischen den führenden Biathlon-Nationen allerdings kaum ein Unterschied festzustellen. Und den dritten Plätzen des jungen Schweizers Benjamin Weger, 22, in den Einzelrennen nach zu urteilen, haben auch die kleineren Verbände aufgeschlossen.

Die Leistungsdichte ist Wahnsinn", findet der Uhinger Simon Schempp, 23, der am Sonntag als Startläufer überzeugte: "Die vermeintlich schwächeren Nationen holen auf und für die besseren geht nach oben kaum noch was." Er führt das wie sein Teamkollege Andreas Birnbacher, 30, auf die zunehmende Professionalisierung zurück: "International hat Biathlon jetzt überall eingeschlagen."

15 Läufer innerhalb von einer Minute

Birnbacher ist aktuell der läuferisch stärkste deutsche Biathlet, aber wegen seiner Unsicherheiten beim Schießen genügte selbst die ausgezeichnete Laufform nicht für einen Platz unter den ersten Zehn. Im Sprint wurde der Schlechinger nach zwei Fehlschüssen Elfter und staunte: "Die 50 besten Laufzeiten lagen innerhalb von einer Minute - früher ist der Ole Einar Björndalen alleine so weit vorneweg gelaufen."

Der mittlerweile 37 Jahre alte Norweger beherrschte einst die Konkurrenz scheinbar nach Belieben. "Aber Björndalen ist nicht mehr das Maß aller Dinge, die Zeiten sind vorbei", sagte Arnd Peiffer, der Sprint-Weltmeister aus Clausthal-Zellerfeld, der am Freitag als 18. einen Platz vor Björndalen lag und sich tags darauf in der Verfolgung auf Rang neun verbesserte. Birnbacher ergänzte: "Es gibt keinen mehr, der einsam vorneweg läuft."

Am augenscheinlichsten war die neue Leistungsdichte der Männer im Verfolgungsrennen am Samstag zu erkennen, als 15 Läufer innerhalb von nur einer Minute zum letzten Schießen kamen und also noch Siegchancen hatten. "Dass wir mit sechs Läufern unter diesen 15 vertreten waren, ist sensationell gut", fand Männer-Bundestrainer Mark Kirchner: "Mannschaftlich gesehen, bin ich absolut zufrieden. Wir haben gezeigt, dass wir dabei sind. Was uns noch fehlt, ist ein Ausreißer nach oben."

Das bislang beste Resultat für die DSV-Biathleten in der noch jungen Saison hatte Simon Schempp beim Weltcup-Auftakt in Östersund vor einer Woche erreicht, als Dritter im Einzelrennen. In Hochfilzen war Florian Graf, 23, aus Eppenschlag bester Deutscher mit den Plätzen sieben im Sprint und acht in der Verfolgung.

Graf stellte ebenfalls fest, dass sich das Niveau angeglichen hat. "Es gibt auch beim Material nicht mehr viele Unterschiede", sagte er, "wer gewinnt, ist fast nur noch von der Tagesform abhängig." Die beste Tagesform hatte am Freitag im Sprint der Schwede Carl Johan Bergman und am Samstag in der Verfolgung der Norweger Emil Hegle Svendsen.

Die Ansprüche der erfolgsgewohnten DSV-Biathleten sind angesichts der nachdrängenden Konkurrenz jedenfalls nicht mehr so hoch. "Man muss mit einem Platz unter den ersten 15 zufrieden sein", findet Birnbacher, der genau diesen Platz in der Verfolgung verteidigte. Der dreimalige Olympiasieger Michael Greis, der nach einer Operation am Sprunggelenk noch Trainingsrückstand hat und als 20. (Sprint) und 19. (Verfolgung) ankam, sagt: "Es geht so brutal knapp und eng zu, da sieht das Ergebnis schlechter aus, als es ist."

Wegen der Leistungsdichte in seinem eigenen Team leistete sich Bundestrainer Mark Kirchner den Luxus, seinen besten Mann des Wochenendes, Florian Graf, für die Staffel zu schonen, was dieser klaglos akzeptierte: "Wir haben ja gezeigt, dass wir eine richtig gute Mannschaft sind." Aber sie haben natürlich auch gesehen, dass sie sich keinen Fehler erlauben dürfen.

Magdalena Neuner mit gutem Saisonbeginn

Viel konnte selbst Magdalena Neuner nicht mehr retten im Staffel-Wettbewerb am Sonntag. Ihre Vorläuferinnen Franziska Hildebrand, Andrea Henkel und Tina Bachmann hatten sie als Zehnte ins Rennen geschickt, fast zweieinhalb Minuten nach den führenden und letztlich auch siegreichen Norwegerinnen. Neuner lief auf der letzten Sechs-Kilometer-Etappe immerhin noch auf Platz sechs vor, aber "mehr war nicht drin", sagte sie; der Rückstand sei einfach zu groß gewesen.

E.ON IBU Biathlon World Cup - Women 10km Pursuit

Magdalena Neuner nach dem Weltcup-Wochenende: "Ich bin noch nicht in Topform."

(Foto: Getty Images)

Das abschließende Rennen beim Biathlon-Weltcup in Hochfilzen, dem ersten Wettkampf-Wochenende nach Neuners Rücktritts-Ankündigung zum Saisonende, hat also gezeigt, dass die Frauen-Abteilung des Deutschen Skiverbandes (DSV) schweren Zeiten entgegengeht, wenn sie demnächst ohne ihre Beste zurechtkommen muss, ohne die zehnmalige Weltmeisterin und zweimalige Olympiasiegerin.

Dem einst erfolgsverwöhnten Team fehlt die Breite, selbst wenn die schwangere Kathrin Hitzer, 25, bereits im kommenden Sommer, gleich nach dem errechneten Geburtstermin im Juni, zurückkommen sollte. Ursprünglich wollte die Gosheimerin noch bis Januar im Weltcup mitlaufen, doch nach Platz 43 im Sprint gab sie am Samstag im Verfolgungsrennen auf und erklärte ihre Saison für beendet.

Von den jüngeren Athletinnen drängte sich in Hochfilzen jedenfalls niemand wirklich für das Team auf. Die Weltcup-Neulinge Franziska Hildebrand, 24, aus Clausthal-Zellerfeld und Carolin Hennecke, 25, aus Willingen, schossen zwar solide und sicher, liefen aber nicht schnell genug, um mit der Weltspitze mitzuhalten. Bei der Garmischerin Miriam Gössner, 21, war es umgekehrt.

Somit verbleiben nur noch die seit Samstag 34 Jahre alte Henkel, die zweimalige Olympiasiegerin von 2002, sowie die 25 Jahre alte Bachmann, aktuelle WM-Zweite im Einzelrennen, als Unterstützung für Neuner. Doch wenn selbst diese beiden Frauen schwächeln, so wie am Sonntag, wird's schwer.

Magdalena Neuner trägt sowieso schon die Hauptlast im deutschen Biathlonlager, in Hochfilzen gewann sie den Sprint und belegte anderntags Platz drei in der 10-Kilometer-Verfolgung, 3,1 Sekunden hinter Siegerin Darja Domratschewa aus Weißrussland und 2,8 hinter der Russin Olga Saitsewa. "Mir sind einfach die Kräfte ausgegangen", erklärte Neuner den Umstand, dass sie sich ausnahmsweise einmal im Endspurt geschlagen geben musste. Der Trubel der vergangenen Woche hatte Tribut gefordert.

Grundsätzlich ist Neuner aber sehr angetan von ihrem Saisoneinstand. "Ich bin noch nicht in Topform, aber auf einem guten Weg dorthin", sagte die 24-Jährige. In den fünf bisherigen Individual-Bewerben dieses Winters war sie zweimal Erste und dreimal Dritte, sie führt die Weltcup-Gesamtwertung an mit 264 Punkten vor der Vorjahresgewinnerin Kaisa Mäkäräinen aus Finnland (229) und Domratschewa (225). "Ich denke, damit kann man zufrieden sein", sagte sie. Kann man durchaus: Zumindest für Magdalena Neuner hat der Winter noch nie so gut angefangen.

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