Biathlon-Weltcup:Ein sehr schöner Langlauf

Die leidliche Schützin Magdalena Neuner ist die jüngste Gesamtweltcup-Gewinnerin der Biathlon-Historie.

Sandrine Bailly aus Frankreich hatte wieder getan, was sie konnte, mit Hingabe gekämpft und sich vor allem am Ende des 12,5-Kilometer-Massenstartrennens beim Weltcupfinale der Biathleten in Oslo noch mal nach Kräften angestrengt. Aber jetzt war sie im Ziel, müde und etwas traurig, und sie umfing so ein Gefühl von Machtlosigkeit, wie es normale Erdenbürger immer packt, wenn sie einen Kampf mit höheren Gewalten hinter sich haben.

Biathlon-Weltcup: Magdalena Neuner feiert mit Kristallkugel (links) und Ole Einar Björndalen, Weltcup-Gesamtsieger der Männer.

Magdalena Neuner feiert mit Kristallkugel (links) und Ole Einar Björndalen, Weltcup-Gesamtsieger der Männer.

(Foto: Foto: AP)

Auf Platz sechs war sie gelandet beim Sieg der Deutschen Kati Wilhelm, vor Magdalena Neuner aus Wallgau also, der sie gerne die Führung im Gesamtweltcup abgenommen hätte. Aber ihr Vorsprung reichte nicht, die Deutsche hatte es immer noch auf Platz neun geschafft, trotz ihrer sieben Fehlschüsse, mit denen andere tief im Niemandsland des Tableaus landen würden. "Sie hat den großen Vorteil, dass sie viele Fehler machen kann", sagte Sandrine Bailly ins Mikrofon des ZDF, und ohnmächtig fügte sie in ihrem freundlichen Franzosendeutsch hinzu: "Sie ist eine sährr schönäh Langlauf."

Das stimmt, Magdalena ist wirklich eine sehr schöne Langlauf, genauer gesagt, sie ist so schnell in der Loipe, dass sie selbst eine Saison voller Unpässlichkeiten am Schießstand mit dem Gesamtweltcup-Sieg abschließen kann. Mit 21 noch dazu, was sie zur jüngsten Gesamtweltcup-Gewinnerin der Biathlon-Geschichte macht und ihren Beobachtern schon jetzt, da Magdalena Neuner erst ihre zweite volle Saison bei den Erwachsenen hinter sich gebracht hat, die Frage aufdrängt: Welche Ziele bleiben der jungen Dame überhaupt, nachdem sie zuletzt in Östersund auch noch zum zweiten Mal in Serie dreifache Weltmeisterin wurde?

Olympia-Medaillen hat Magdalena Neuner noch nicht, insofern hat sie noch bis zu den Spielen 2010 in Vancouver zu tun, ehe sie ihr Titel-Portfolio komplettiert hat. Abgesehen davon denken die Experten bei ihr allerdings schon an diverse Biathlon-Rekorde, die sie sich vornehmen könnte, im Speziellen an jene Zigfach-Sieg-Bilanzen des Norwegers Ole Einar Björndalen. Vorerst aber kann man sich am Beispiel Magdalena Neuners auch die Frage stellen, wie gut man als ausdauerstarke Biathletin überhaupt schießen muss, um die Skijagd zu beherrschen. Bei Magdalena Neuner hat man manchmal den Eindruck, als habe eine Langläuferin aus Versehen ein Gewehr in die Hand gedrückt bekommen, so unterschiedlich sind ihre Leistungen in der Loipe und vor den Scheiben. Deshalb darf man sich auch fragen, ob die Analyse der Tagessiegerin Wilhelm stimmt, die Neuners "Nervenstärke" lobte.

Ein sehr schöner Langlauf

Magdalena Neuner kann sich auf ihre Physis verlassen, das verleiht ihr die Leichtigkeit, mit der sie auch den Medientrubel um ihre Person wegsteckt. Am Schießstand hingegen wirkt sie seltsam flatterhaft. Am Sonntag zielte sie beim ersten Liegendanschlag und schwierigem Wind gleich dreimal zu weit links (ebenso wie Sandrine Bailly), kam dann fehlerfrei über die Runden, ehe sie beim letzten Stehendschießen die Kugeln wieder großzügiger verteilte. Erneut dreimal daneben. "Ich war stehend kaputt", sagte sie, was gerade für ein Stehendschießen keine gute Voraussetzung ist. Dann wieselte sie doch wieder munter durch den aufgeweichten Schnee und machte auf der letzten Runde schon wieder vier Plätze gut. Und hinterher übte sie leise Kritik an ihrem eigenen Schießverhalten: "Ich mag es eigentlich etwas weniger spannend."

Am Ende des Tages ist es natürlich egal, wie eine ihre Siege erreicht. Fast muss man sogar hoffen, dass sie ihre Schwäche beibehält, weil die Szene sonst eine ungesunde Langeweile bedrohte, nachdem der Weltcup diese Saison nicht sonderlich international daherkam mit vier Nationen, die in 26 Rennen Siegerinnen stellten. Und Magdalena Neuner strahlt ja trotzdem als unerschütterlich sympathische Frontfrau des Deutschen Skiverbandes, hinter deren Siegerlächeln jedes Problem zu verschwinden scheint.

Vor der Saison hat Magdalena Neuner schon appelliert, gemeinsam die Finanzlücken zu überbrücken, welche die gewöhnungsbedürftige Politik des DSV-Präsidenten Alfons Hörmann bei den Verhandlungen der neuen Fernsehverträge hervorbrachte. Fast vier Monate später steht sie da wie ein Symbol für die Zukunftsfähigkeit des Verbandes. Da vergisst man auch gerne, dass in Österreich Dopingermittlungen laufen, die eines Tages deutsche Wintersportler belasten könnten. Oder nimmt als Nebenaspekt zur Kenntnis, dass Weltverband IBU in Oslo den WM-Dopingfall der Russin Tatjana Moissejewa mit knappen Worten auflöste; von Doping könne keine Rede sein. Moissejewa habe lediglich ein Mittel gegen Sehstörungen genommen, hieß es in einer Pressemitteilung.

Neuner-Tage sind gute Tage für den DSV, daran ändern auch ein paar Fehlschüsse nichts. Irgendwie gehören sie ja sogar dazu zu diesem künstlichen Drama Biathlon. Magdalena Neuner kann damit umgehen. Sie weiß, dass sie sich ihre Fehler erlauben kann und jemand wie die freundliche Sandrine Bailly nicht.

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